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Landgericht Freiburg Urteil24.02.2017
Patientin hat Anspruch auf Schadensersatz für fehlerhafte HüftprotheseHersteller haftet für Produktfehler der Hüftprothesen
Das Landgericht Freiburg hat der Klage einer Patientin gegen einen international tätigen Medizinproduktehersteller von Prothesen nach Implantation fehlerhafter Großkopf-Hüftprothesen überwiegend stattgegeben. Neben Schadensersatz wurde der klagenden Patientin ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro zugesprochen. Ferner hat das Landgericht eine Haftung des Herstellers für künftige Schäden festgestellt.
Bei der 1936 geborenen Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls wurden in den Jahren 2005 und 2006 beide Hüftgelenke durch sogenannte Großkugelkopfprothesen mit einer Metall-Metall-Gleitpaarung ersetzt, welche die Beklagte hergestellt und über eine Tochterfirma in Deutschland vertrieben hatte. Die rechte Prothese wurde wegen erheblicher Beschwerden der Klägerin bereits im Jahr 2010 ausgetauscht. Ein Austausch der linken Prothese war bislang nicht erforderlich. Am Landgericht Freiburg sind noch mehr als 100 vergleichbare Verfahren anhängig.
Ärztliche Fehler nicht feststellbar
Das Landgericht Freiburg bejahte einen Produktfehler der Hüftprothesen, weil es insbesondere bei der rechten Prothese neben einem dem Hersteller grundsätzlich bekannten und von ihm in Kauf genommenen Metallabrieb im Bereich der Gleitpaarung, auch zu einem von diesem nicht vorhergesehenen deutlichen Abrieb im Bereich der Steckkonusverbindung kam, der gesundheitsschädlich sein kann und dessen sämtliche in Frage kommenden (multifaktoriellen) Ursachen jedenfalls im Verantwortungsbereich des Herstellers liegen, auch wenn sie isoliert nicht feststehen. Ärztliche Fehler, die zu Abrieb führen können, liegen nach den Feststellungen des Gerichts nicht vor. Durch den erhöhten Abrieb wurden die berechtigten Sicherheitserwartungen des Patienten enttäuscht, so das Gericht. Es liege daher ein Produktfehler vor, durch den die Klägerin nach den Feststellungen des Gerichts einen Gesundheitsschaden erlitten hat.
Hersteller hätte geäußerte Bedenken zur Fehlerhaftigkeit des Produkts prüfen müssen
Zwar sei die auf das Produkthaftungsgesetz gestützte Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn der den Schaden verursachende Fehler des Produkts im Zeitpunkt seiner Inverkehrgabe nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war (sogenannter Entwicklungsfehler). Nach den Feststellungen des Gerichts war der Fehler aber sowohl nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Jahr 2003, als das Produkt erstmals auf den Markt kam, als auch im Jahr 2005, in dem das rechte, und im Jahr 2006, in dem das linke Prothesensystem im Sinne des Produkthaftungsgesetzes in Verkehr gebracht wurden, erkennbar. Da das Produkt der Großkopfprothese ein neues System darstellt, wäre der Hersteller gehalten gewesen, in der Wissenschaft schon geäußerte Bedenken zu berücksichtigen, bevor sich die Richtigkeit dieser Bedenken durch entsprechende Schadensfälle als begründet erweist.
Gericht bejaht Schmerzensgeld und Einstandspflicht des Herstellers für eventuell später eintretende Schäden
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wegen der mit dem Einbau der fehlerhaften Prothese an der rechten Hüfte erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Höhe von 25.000 Euro hat das Landgericht insbesondere den auf Lichtbildern eindrücklich sichtbaren und vom Sachverständigen als "mottenartig" bezeichneten Knochenfraß am Oberschenkelknochen sowie die Notwendigkeit der Revisionsoperation mit den damit einhergehenden erheblichen Beschwerden berücksichtigt, ferner die mit der Entzündungsreaktion einhergehenden im Zeitraum zwischen dem Einbringen der Hüftprothese Mitte 2005 bis zur Revisionsoperation Anfang 2010 vorhandenen Schmerzen und damit in Zusammenhang stehenden Bewegungseinschränkungen. Ein weiteres Schmerzensgeld wegen der Fehlerhaftigkeit der linken Hüfte hat das Landgericht nicht zugesprochen, weil insoweit bislang keine erheblichen Nachteile im Sinne des Produkthaftungsgesetzes entstanden sind. Die Patientin leidet derzeit unter keinen Beschwerden. Lockerungen der Prothese sind nicht festzustellen. Das Gericht hat aber die Einstandspflicht des Herstellers für eventuell später eintretende Schäden festgestellt und so für den Fall der Verschlechterung die zukünftige Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld offen gehalten.
Suche nach geeignetem Gutachter schwierig
Die lange Verfahrensdauer ist darauf zurückzuführen, dass es nur wenige Spezialisten gibt, die in technischer und zugleich in medizinischer Hinsicht über die nötige Fachkenntnis verfügen und noch nicht für den beklagten Hersteller tätig waren, weshalb sich schon die Suche nach einem geeigneten Gutachter äußerst schwierig gestaltete.
fehlerhafte
fehlerhafte Produkte - Produkthaftungsgesetz lauten:'>
§ 1
(1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2 Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.
(2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn
[...]
5. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.
[...]
§ 3 Fehler
(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
a) seiner Darbietung,
b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
berechtigterweise erwartet werden kann.
(2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.05.2017
Quelle: Landgericht Freiburg/ra-online
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