18.10.2024
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Dokument-Nr. 29504

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Urteil21.10.2020Landgericht Frankfurt am Main2-04 O 425/19; 2-04 O 449/19; 2-04 O 455/19 und 2-04 O 123/20
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil21.10.2020

Bundesrepublik Deutschland haftet nicht im DieselskandalKein qualifizierter Verstoß gegen Kontroll­pflichten

Das Landgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehenen Diesel-PKW keinen Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland verlangen können. Deutschland habe europäisches Recht nicht unzureichend in nationales Recht umgesetzt. Auch sei bei der Überwachung der Automo­bil­in­dustrie nicht „qualifiziert“ gegen Kontroll­pflichten verstoßen worden. Zudem verleihe das einschlägige EU-Recht einzelnen Diesel-Fahrern keine individuellen, einklagbaren Rechte.

Die klagenden Dieselfahrer hatten Fahrzeuge der Marken VW oder Audi erworben, die mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehen waren. Die Software bewirkte, dass die Fahrzeuge im Prüfstandlauf verbesserte Stickoxidwerte (NOx) lieferten. Das Landgerichts Frankfurt am Main hat die Klagen abgewiesen. Den Dieselfahrern stünden keine Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland zu. Deutschland habe die Richtlinie 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen ordnungsgemäß in nationales Rechts umgesetzt.

Ermes­sen­s­pielraum für Verstöße gegen die Richtlinie

Die Mitglieds­s­taaten haben bei Verstößen gegen die Richtlinie einen Ermes­sen­s­pielraum, welche Sanktionen sie festlegen“, erklärte das LG. In Deutschland sei nicht nur die Möglichkeit der Rücknahme der Typen­ge­neh­migung geschaffen worden. Die Nichtbeachtung der einschlägigen Regelungen des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes könne auch als sankti­o­ns­be­wehrte Ordnungs­wid­rigkeit geahndet werden. Schließlich könne das Inver­kehr­bringen eines Fahrzeugs mit manipulierter Software grundsätzlich auch einen Betrug darstellen und strafrechtliche Folgen haben. Die Vermutung der Kläger, härtere Sanktionen wie etwa in den USA hätten eher vor Manipulationen abgeschreckt, sei mit keinerlei Tatsachen belegt und auch die eingeleiteten Ermitt­lungs­ver­fahren in den USA streiten jedenfalls nicht für deren Richtigkeit, das LG.

Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen qualifizierten Verstoß gegen Kontroll­pflichten nicht gegeben

Ein Schaden­s­er­satz­an­spruch der Dieselfahrer sei auch nicht deswegen gegeben, weil Deutschland die Automo­bil­in­dustrie unzureichend überwacht habe. Staats­haf­tungs­ansprüche kämen nur in Betracht, wenn Deutschland seine Kontroll­pflichten in sog. qualifizierter Weise verletzt habe. „Dass das Kraft­fahr­zeug­bun­desamt offenbar den Herstel­ler­angaben zu Laufstand­mes­sungen vertraute, ist nicht so verwerflich, dass darin der für die Staatshaftung erforderliche qualifizierte Verstoß zu sehen ist“, befand das Landgericht. Und weiter: „Dass der namhafte Hersteller des Fahrzeugs, an dessen Konzernmutter das Land Niedersachen aktienrechtlich erheblich beteiligt ist, Messungen mithilfe der Abschalt­ein­richtung manipulierte, war bis Herbst 2015 wohl eher als abwegig anzusehen.“

Kein Schutz individueller Rechte durch einschlägiges EU-Recht

Schaden­s­er­satz­ansprüche der klagenden Dieselfahrer scheiterten auch daran, dass keine unions­rechtliche Norm den Schutz ihrer individuellen Rechte bezwecke.. „Aus den Begrün­dungs­er­wä­gungen des Unions­ge­setz­gebers lässt sich vielmehr entnehmen, dass lediglich Allge­mein­in­teressen betroffen sind“, so das LG. „Indivi­du­al­in­teressen, vor allem das Vermö­gen­s­in­teresse von Kraft­fahr­zeu­g­er­werbern, finden darin keine Erwähnung.“ Die Dieselfahrer seien daher gehalten, die Fahrzeug­her­steller auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. des

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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