21.11.2024
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Landgericht Berlin Urteil31.08.2016

Berliner Mietspiegel 2015 kann als einfache Schät­zungs­grundlage zur Ermittlung der ortsübliche Vergleichsmiete herangezogen werdenGerichtliches Gutachten trotz Einwendungen der Vermieterseite gegen Mietspiegel nicht erforderlich

Das Landgericht Berlin hat erneut entschieden, dass der Berliner Mietspiegel 2015 als einfache Schät­zungs­grundlage herangezogen werden könne, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Wie schon die Zivilkammern 67 und 18 ging auch die Zivilkammer 65 davon aus, dass trotz der Einwendungen der Vermieterseite gegen den Mietspiegel ein gerichtliches Gutachten nicht erforderlich sei.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die Zustimmung des Mieters zu einer Mieterhöhung, die dieser nicht freiwillig erteilt hatte. Die Vermieterin wollte mit ihrer Klage durchsetzen, dass die monatliche Nettokaltmiete von bisher 385,51 Euro netto kalt (entsprechend 5,11 Euro/m2) auf 443,34 Euro netto kalt (entsprechend 5,88 Euro/m2) für eine Wohnung in Berlin-Kreuzberg erhöht werde.

Landgericht erläutert Entste­hungs­ge­schichte der gemeindlichen Mietspiegel

Vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verlor die Vermieterin; ihre Berufung blieb auch vor dem Landgericht Berlin erfolglos. Die Zivilkammer 65 erläuterte in dem Urteil ausführlich die Entste­hungs­ge­schichte der gemeindlichen Mietspiegel. Schon 1971 sei der unbestimmte Rechtsbegriff der "ortsüblichen Vergleichsmiete" als Obergrenze für eine Mieterhöhung eingeführt worden. Der Gesetzgeber habe 1982 die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Anlass genommen, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass ein Mietspiegel in möglichst vielen Gemeinden erstellt werde. Auch nachfolgend habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht wiederholt entschieden, dass es verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden sei, den Anspruch des Vermieters auf eine markto­ri­en­tierte Miete zu beschränken und ihm nicht den Anspruch auf die Miete zu gewähren, die der Markt ermöglichen würde.

"Einfacher" Mietspiegel sollte durch "qualifizierten" Mietspiegel nicht in seiner Bedeutung eingeschränkt werden

Durch die Mietrechts­reform 2001 habe der Gesetzgeber versucht, den weiterhin bestehenden Schwierigkeiten der Gerichte, die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen, Rechnung zu tragen. Danach sollten die Gemeinden künftig zwischen zwei Mietspiegeln wählen können: zwischen dem sogenannten "einfachen" Mietspiegel, der als kostengünstiges und flexibles Instrument erhalten bleiben solle, und dem sogenannten "qualifizierten" Mietspiegel, der nach anerkannten wissen­schaft­lichen Grundsätzen erstellt werde, um das Mieter­hö­hungs­ver­fahren noch stärker zu objektivieren. Der einfache Mietspiegel habe dadurch jedoch nicht in seiner Bedeutung eingeschränkt werden sollen. Der Bundes­ge­richtshof habe nachfolgend mehrfach bestätigt, dass ein Mietspiegel, der nicht nach besonderen wissen­schaft­lichen Maßstäben erstellt worden sei und damit nicht als qualifizierter Mietspiegel gelte, zumindest als einfacher Mietspiegel herangezogen werden könne. Das Gericht könne seine Überzeugung von der ortsüblichen Miete auf dieser Grundlage bilden.

Von Klägerin vorgebrachte Bedenken gegen Berliner Mietspiegel 2015 unbegründet

Allerdings müsse das Gericht, auch wenn es den Mietspiegel nur als sogenannten einfachen verwende, sich mit qualifizierten Einwänden der Parteien gegen dessen Richtigkeit ausein­an­der­setzen. Die im vorliegenden Fall von der Klägerin vorgebrachten Bedenken gegen den Berliner Mietspiegel 2015 seien jedoch unbegründet. Der (einfache) Mietspiegel sei von Inter­es­sen­ver­tretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt und von den meisten anerkannt worden. Es sei nicht erforderlich, dass sämtliche in Berlin ansässigen Inter­es­sen­ver­tre­tungen mitgewirkt haben. Schon die Lebenserfahrung spreche daher dafür, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbilde. Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels könnten sich nur dann ergeben, wenn konkrete Tatsachen behauptet würden, aus denen sich ergeben könnte, die Inter­es­sen­ver­treter hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial.

Fehlende Datenerhebung zu dem im Streit stehenden Wohnhaus nicht entscheidend

Solche Einwendungen habe die Vermieterin in dem Streitfall nicht hinreichend vorgetragen, zumal für den Berliner Mietspiegel die Umstände der Datensammlung detailliert dokumentiert worden seien und dadurch die Schwelle erhöht werde, seine Indizwirkung zu erschüttern. Insbesondere reiche es nicht aus, geltend zu machen, dass keine Daten aus dem hier im Streit stehenden Wohnhaus, einem 18-geschossigen Wohngebäude mit 506 Wohnungen, erhoben worden seien. Denn die Auswahl sei aus einem Datenbestand von mehr als einer Million Wohnungen erfolgt. Auch ohne Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik oder Statistik sei nachvollziehbar, dass es angesichts dieser Dimension unbeachtlich sei, wenn die 506 Wohnungen der Vermieterin nicht berücksichtigt worden seien.

Mietspiegel wurde letztlich von fast allen Beteiligten anerkannt

Weiterhin ergebe sich aus den Dokumentationen zu der Erstellung des Mietspiegels (Protokolle der Arbeits­sit­zungen der Arbeitsgruppe Mietspiegel), dass die in laufenden Gerichts­ver­fahren erhobene Kritik gegen die Qualifikation des Mietspiegels intensiv diskutiert worden sei. Dennoch sei der Mietspiegel nachfolgend von fast allen Beteiligten anerkannt worden. Die von der Vermieterin im vorliegenden Prozess über einen Privatgutachter erhobenen Einwände gingen über Vermutungen nicht hinaus.

Sachver­stän­di­gen­gut­achten würde nicht zu mehr oder besseren Erkenntnissen führen als (einfacher) Mietspiegel

Schließlich geböten es auch die Interessen der Parteien, davon abzusehen, teure und zeitaufwändige Sachverständigengutachten einzuholen. Dies gelte umso mehr, als nicht ersichtlich sei, dass ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten zu mehr oder besseren Erkenntnissen führe als ein (einfacher) Mietspiegel. Das eingereichte Privatgutachten umfasse elf Vergleichs­woh­nungen, davon zwei aus dem Bestand der Vermieterin. Dagegen lägen für das hier maßgebliche Feld G4 des Mietspiegels 190 Werte zugrunde. Unter Berück­sich­tigung der konkreten Ausstattung der Wohnung, des Gebäudes und des Wohnumfelds ergebe sich aufgrund der Orien­tie­rungshilfe für die Spannen­ein­ordnung eine Einzel­ver­gleichsmiete von 5,11 Euro/m2 (= 385,51 Euro). Da der Mieter schon derzeit eine solche zahle, bleibe kein Raum für eine Mieterhöhung.

Quelle: Landgericht Berlin/ra-online

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