21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 11668

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Urteil12.08.2002Landgericht Berlin23 O 539/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • VersR 2004, 1326Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2004, Seite: 1326
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ergänzende Informationen

Landgericht Berlin Urteil12.08.2002

Misslungene Haarfärbung: Friseur muss Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlenLebens­be­ein­träch­tigung aufgrund einer misslungenen Haarfärbung

Durch eine misslungene Haarfärbung sah sich eine Frau derart geschädigt, dass sie Klage wegen Körper­ver­letzung gegen die Inhaber eines Friseursalons und deren Auszubildende erhob und erheblichen Schadensersatz sowie Schmerzensgeld forderte. Das Landgericht Berlin gab der Klage teilweise statt, wies aber weitergehende Forderungen als unver­hält­nismäßig ab.

Im zugrunde liegenden Fall musste die Klägerin ihre zunächst langen und lockigen Haare infolge eines misslungenen Haarfär­be­vorgangs auf Kinnlänge kürzen lassen, wodurch sie negative Folgen für ihr Privat- und Berufsleben befürchtete. Nachdem die Mitarbeiterin des Friseursalons, die erst kurz zuvor ihre Gesellenprüfung absolviert hatte, mehrere Nachbes­se­rungs­versuche der ersten Färbung unternommen hatte, wurde das Haar so stark geschädigt, dass nur noch eine Kürzung in frage kam.

Geschädigte will sich 3 Jahre nicht mehr auf die Straße trauen können

Die Geschädigte sah sich dadurch derart entstellt, dass sie äußerte, sich für drei Jahre nicht mehr auf die Straße zu trauen. Sie gab außerdem an, als Mitarbeiterin eines Fernsehsenders auf ihr Äußeres angewiesen zu sein und nun um ihr berufliches Fortkommen bangen zu müssen. Außerdem sei ihr die Chance auf eine Tätigkeit als Moderatorin verbaut und ihrer derzeitigen Beschäftigung als Modell könne sie jetzt auch nicht mehr nachgehen. Als Folge des Ärgers über den Zustand ihrer Frisur habe es zudem Streit zwischen ihr und ihrem Freund gegeben, der schließlich zum Scheitern der Beziehung geführt habe.

Erhebliche Schadensersatz- und Schmer­zens­geld­for­de­rungen

Die Klägerin forderte über 5.000,- DM Schadensersatz, die sich aus verschiedenen Korrek­tur­be­hand­lungen und Haarver­län­ge­rungen ergeben hätten. Außerdem hielt sie zusätzlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- DM für angemessen.

Beklagte: Kundin habe trotz Warnung auf Korrek­tur­be­hand­lungen bestanden

Die Mitarbeiterin gab zu ihrer Verteidigung an, sie habe vor jedem erneuten Nachbes­se­rungs­vorgang auf mögliche Risiken für die Haare hingewiesen und schließlich sogar davon abgeraten. Die Klägerin habe jedoch auf die Durchführung bestanden. Zudem gab die Auszubildende an, ihre Tätigkeit sei unter ständiger Aufsicht weiterer Kollegen erfolgt.

Lebens­be­ein­träch­tigung aufgrund zu kurzer Haare

Nach Ansicht des Landgerichtes Berlin war die Klage teilweise begründet. Jedoch belaufe sich der Anspruch auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB) und Schmerzensgeld (gemäß §§ 831 Abs. 1, 847 Absatz 1 BGB) auf insgesamt lediglich 673,- DM (344,10 Euro). Dieser Betrag setzte sich aus einem Schmerzensgeld von 500,- DM und einem Schaden­s­er­satz­an­spruch von 173,- DM zusammen. Jeder weitergehende Anspruch bestehe nicht.

Körperverletzung

Das Gericht stellte fest, dass die Nachbes­se­rungs­versuche eine rechtswidrige Körperverletzung dargestellt hätten. Die von der Kundin gegebene Einwilligung in die Behandlung sei unwirksam gewesen. Eine Einwilligung in eine Haarbehandlung sei nur dann wirksam, wenn der Kunde - wie der Patient bei einem ärztlichen Eingriff - die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs erkannt habe (vgl. zu ärztlichen Eingriffen BGH, NJW 1981, 633). Dies setze voraus, dass der Friseur über bestehende Risiken aufkläre. Hierfür trage er zumindest die Beweislast (vgl. zu ärztlichen Eingriffen BGH 1982, 2002), wenn er einen Eingriff vornehme, dessen Erfolg ungewiss und mit besonderen Risiken behaftet sei. Dies belaste den Friseur auch nicht unbillig, da von ihm aufgrund seines Fachwissens erwartet werden könne, das bestehende Risiko einzuschätzen. Hier im Fall sei der Friseur beweispflichtig geblieben, dass er die Kundin über die besonderen Risiken der Nachbes­se­rungs­versuche umfassend aufgeklärt habe.

Umfang des Schmer­zens­geldes

Ein Schmerzensgeld solle dem Geschädigten einen Ausgleich für nicht vermö­gens­rechtliche Schäden bieten und dem Geschädigten Genugtuung für das bieten, was ihm angetan wurde, führte das Gericht aus. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht die von der Klägerin angeführten negativen Folgen für ihren Beruf nachvollziehen. Dass sich ihre Aussichten, an einem Casting für Moderatorinnen teilzunehmen, durch die kurzen Haare verschlechtert hätten, sei in dem Schmer­zens­geld­betrag berücksichtigt. Die Lebens­be­ein­träch­tigung durch zu kurze Haare sei jedoch im Verhältnis zu anderen möglichen Körper­ver­let­zungen als geringfügig zu bewerten, so dass ein höheres Schmerzensgeld unangemessen wäre. Der hier vorliegenden Fall sei nicht vergleichbar mit dem Fall, den das Oberlan­des­gericht Köln zu entscheiden hatte und in dem der Klägerin wegen einer misslungen Haarbehandlung 3.000,- DM Schmerzensgeld zugesprochen worden waren (OLG Köln, Urteil v. 07.01.2000 - 19 U 62/99 - = MDR 2000, 678). Dort waren die Haare der Klägerin so nachhaltig geschädigt worden, dass sie an der Wurzel abgebrochen seien und die Klägerin über einen längeren Zeitraum eine Perücke habe tragen müssen.

Trennung vom Freund

Nicht nachvollziehbar war für das Gericht die Behautpung der Klägerin, dass sie um ihr berufliches Fortkommen habe bangen müssen. Auch dass es zu einer Trennung von ihrem Freund gekommen sei, sei unerheblich.

Ansprüche bestehen gegen Friseursalon, da verantwortliche Mitarbeiterin noch als Auszubildende galt

Der Anspruch bestehe gegen die Inhaber des Friseursalons, da die Auszubildende zum Zeitpunkt des Verschuldens den Gesellenbrief noch nicht überreicht bekommen hatte und damit als Verrich­tungs­ge­hilfin der Saloninhaber galt und in Ausführung der Verrichtung den Schaden verursacht hatte. Auch der Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen Forde­rungs­ver­letzung des Friseur­ver­trages, in Höhe der Kosten des ersten Haarschnitts und der Korrekturen, bestehe gegen die Inhaber des Salons, da sie für das Verschulden der Auszubildenden nach § 278 BGB haften.

Quelle: ra-online, Landgericht Berlin (vt/st)

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