Im zugrunde liegenden Fall hatte die Vermieterin Rückgabe der Räume mit der Begründung verlangt, der Beklagte habe sie bei Abschluss des Mietvertrages arglistig getäuscht, weil er sie nicht auf die rechtsradikale Zielgruppe und Ausrichtung des Geschäfts sowie auf seine eigene herausragende Position in der rechtsradikalen Szene hingewiesen habe. Deswegen habe sie den Mietvertrag wirksam angefochten.
Das in den streitgegenständlichen 'Räumen ansässige Geschäft wird auf der Internetseite der Kneipe "Zum Henker" beworben, die im Verfassungsschutzbericht des Landes Berlin von 2010 als "wichtigster rechtsextremistischer Treffort in Berlin" bezeichnet wird. Der Name des Geschäftes, "Hexogen", nimmt Bezug auf den gleichnamigen Sprengstoff. Das Angebot umfasst u.a. diverse Bekleidung wir Military-Bekleidung und Bekleidung für Security Personal. In der Folge kam es vermehrt zu Presseberichten über das in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten ansässige Geschäft.
Die Vermieterin hatte schriftlich die Anfechtung des Geschäftsraummietvertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt und den Beklagten zur unverzüglichen Räumung des Mietobjekts, spätestens jedoch bis zum 26.07.2011 aufgefordert. Als der Mieter dieser Räumungsaufforderung nicht nachkam, klagte die Vermieterin vor dem Landgericht Berlin.
Das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 546 Absatz 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der Mietsache, da das zwischen den Parteien zustande gekommene Mietverhältnis nicht beendet ist.
Der Vertrag sei nicht durch Anfechtung gemäß §§ 123 Absatz 1, 142 Absatz 1 BGB nichtig geworden. Der Beklagte habe es nicht entgegen Treu und Glauben verabsäumt, die Klägerin über Umstände aufzuklären, für die eine Aufklärungspflicht besteht. Grundsätzlich sei es Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, die andere Seite müsse nicht ungefragt über alle ungünstigen Umstände einer Sache oder Person aufklären. Eine Aufklärungspflicht bestehe lediglich insofern, als es sich um Umstände handele, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (KG, Urteil v. 28.05.2009 - 8 U 223/08 - und hierzu Nachinstanz BGH, Urteil v. 11.08.2010 - XII ZR 123/09 -).
Eine solche Aufklärungspflicht sei angenommen worden, wenn in dem vermieteten Ladenlokal nahezu ausschließlich Bekleidung einer Marke angeboten wird, die in der Öffentlichkeit mit rechtsradikalen Gesinnungen in Verbindung gebracht wird und dementsprechendes Konfliktpotential besitzt.
Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Der Beklagte vertreibe in seinem Geschäft Ausrüstungsgegenstände für paramilitärisches Outdoor-Training und Militäruniformen. Es bestehen insofern bereits Zweifel an der Schlüssigkeit des Vortrags, da nicht erkennbar sei, um was für Gegenstände es sich im einzelnen handelt. Hinzu komme, dass, auch wenn es so sei, dass sich rechtsradikale Gruppierungen von einem solchen Angebot angezogen fühlen, es sich doch nicht ausschließlich an einen solchen Kundenkreis richtet. Das Ladensortiment biete insofern für sich kein Konfliktpotential.
Eine Aufklärungspflicht könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beklagte stellvertretender Landeschef der NPD ist. Eine solche Aufklärungspflicht könnte möglicherweise dann angenommen werden, wenn sich diese Eigenschaft des Mieters in der Nutzung des Ladenlokals manifestieren würde, z.B. weil er es als Wahllokal nutzt. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall.
Die Klägerin habe weiterhin keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 985 BGB auf Herausgabe der Mietsache, da diesem mit dem weiterhin bestehenden Mietvertrag ein Recht zum Besitz der Mietsache zusteht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.08.2012
Quelle: ra-online, Landgericht Berlin (vt/pt)