15.11.2024
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Landgericht Berlin Urteil23.07.2012

Fall "Hexogen-Geschäft": Verkauf von rechtsradikalen Gruppen anziehenden Artikeln ist kein ausreichender Grund für Kündigung eines Gewer­be­raum­miet­ver­trages durch den VermieterZur Frage der Kündigung eines Gewer­be­raum­miet­ver­trages eines Geschäfts mit rechtsradikaler Zielgruppe

Der Vermieter eines Ladengeschäfts kann einem Mieter nicht allein deshalb kündigen, weil in dem Geschäft auch Artikel angeboten werden, durch die sich rechtsradikale Gruppierungen angezogen fühlen. Ein Mieter muss hierüber den Vermieter nicht bei Anmietung aufklären. Ein Mieter muss den Vermieter auch nicht darüber aufklären, dass er stell­ver­tre­tender Landeschef der NPD ist. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Berlin hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Vermieterin Rückgabe der Räume mit der Begründung verlangt, der Beklagte habe sie bei Abschluss des Mietvertrages arglistig getäuscht, weil er sie nicht auf die rechtsradikale Zielgruppe und Ausrichtung des Geschäfts sowie auf seine eigene herausragende Position in der rechtsradikalen Szene hingewiesen habe. Deswegen habe sie den Mietvertrag wirksam angefochten.

Geschäft wird als wichtigster recht­s­ex­tre­mis­tischer Treffort im Verfas­sungs­schutz­bericht des Landes Berlin erwähnt

Das in den streit­ge­gen­ständ­lichen 'Räumen ansässige Geschäft wird auf der Internetseite der Kneipe "Zum Henker" beworben, die im Verfas­sungs­schutz­bericht des Landes Berlin von 2010 als "wichtigster recht­s­ex­tre­mis­tischer Treffort in Berlin" bezeichnet wird. Der Name des Geschäftes, "Hexogen", nimmt Bezug auf den gleichnamigen Sprengstoff. Das Angebot umfasst u.a. diverse Bekleidung wir Military-Bekleidung und Bekleidung für Security Personal. In der Folge kam es vermehrt zu Presseberichten über das in den streit­ge­gen­ständ­lichen Räumlichkeiten ansässige Geschäft.

Vermieter erklärt Anfechtung des Vertrages

Die Vermieterin hatte schriftlich die Anfechtung des Geschäfts­raum­miet­vertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt und den Beklagten zur unverzüglichen Räumung des Mietobjekts, spätestens jedoch bis zum 26.07.2011 aufgefordert. Als der Mieter dieser Räumungs­auf­for­derung nicht nachkam, klagte die Vermieterin vor dem Landgericht Berlin.

Landgericht weist Klage auf Räumung des Geschäfts ab

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 546 Absatz 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der Mietsache, da das zwischen den Parteien zustande gekommene Mietverhältnis nicht beendet ist.

Kein Anfech­tungsgrund - Beklagte hatte keine Aufklä­rungs­pflicht

Der Vertrag sei nicht durch Anfechtung gemäß §§ 123 Absatz 1, 142 Absatz 1 BGB nichtig geworden. Der Beklagte habe es nicht entgegen Treu und Glauben verabsäumt, die Klägerin über Umstände aufzuklären, für die eine Aufklä­rungs­pflicht besteht. Grundsätzlich sei es Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, die andere Seite müsse nicht ungefragt über alle ungünstigen Umstände einer Sache oder Person aufklären. Eine Aufklä­rungs­pflicht bestehe lediglich insofern, als es sich um Umstände handele, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlag­ge­bender Bedeutung sind (KG, Urteil v. 28.05.2009 - 8 U 223/08 - und hierzu Nachinstanz BGH, Urteil v. 11.08.2010 - XII ZR 123/09 -).

Aufklä­rungs­pflicht besteht nur, wenn ausschließlich Bekleidung einer Marke angeboten wird, die in Öffentlichkeit mit rechtsradikalen Gesinnungen in Verbindung gebracht

Eine solche Aufklä­rungs­pflicht sei angenommen worden, wenn in dem vermieteten Ladenlokal nahezu ausschließlich Bekleidung einer Marke angeboten wird, die in der Öffentlichkeit mit rechtsradikalen Gesinnungen in Verbindung gebracht wird und dement­spre­chendes Konflikt­po­tential besitzt.

Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Der Beklagte vertreibe in seinem Geschäft Ausrüs­tungs­ge­gen­stände für parami­li­tä­risches Outdoor-Training und Militä­r­uni­formen. Es bestehen insofern bereits Zweifel an der Schlüssigkeit des Vortrags, da nicht erkennbar sei, um was für Gegenstände es sich im einzelnen handelt. Hinzu komme, dass, auch wenn es so sei, dass sich rechtsradikale Gruppierungen von einem solchen Angebot angezogen fühlen, es sich doch nicht ausschließlich an einen solchen Kundenkreis richtet. Das Ladensortiment biete insofern für sich kein Konflikt­po­tential.

Beklagter musste nicht auf seine Eigenschaft als stell­ver­tre­tender Landeschef der NPD hinweisen

Eine Aufklä­rungs­pflicht könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beklagte stell­ver­tre­tender Landeschef der NPD ist. Eine solche Aufklä­rungs­pflicht könnte möglicherweise dann angenommen werden, wenn sich diese Eigenschaft des Mieters in der Nutzung des Ladenlokals manifestieren würde, z.B. weil er es als Wahllokal nutzt. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall.

Die Klägerin habe weiterhin keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 985 BGB auf Herausgabe der Mietsache, da diesem mit dem weiterhin bestehenden Mietvertrag ein Recht zum Besitz der Mietsache zusteht.

Quelle: ra-online, Landgericht Berlin (vt/pt)

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