23.11.2024
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Dokument-Nr. 13407

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil21.03.2012

Weihnachtsgeld: Zur Konkurrenz zwischen Flächen­ta­rif­vertrag und ungünstigerem Hausta­rif­vertrag bei so genannten „Altverträgen“Tarifliche Besserstellung bestimmter Gewerk­schafts­mit­glieder nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung zulässig

Wird von tarifgebundenen Arbeitgebern in vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeits­ver­trägen mit nicht gewerk­schaftlich organisierten Beschäftigten die Anwendbarkeit des jeweiligen BAT und der sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträge vereinbart, handelt es sich regelmäßig um eine so genannte „Gleich­stel­lungs­klausel“ im Sinne der jahrelangen Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts. Ihr Zweck ist, dass alle diejenigen Tarifverträge anwendbar sein sollen, die für den Arbeitgeber gelten. Dann verdrängt der Hausta­rif­vertrag den im Vertrag ausdrücklich genannten Flächen­ta­rif­vertrag. Höhere haustarifliche Zahlungen an Gewerk­schafts­mit­glieder sind wirksam. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts Schleswig-Holstein hervor.

Im zugrunde liegenden Fall streiten sich seit 2007 – mit unter­schied­lichen Fallkon­stel­la­tionen – viele Beschäftigte einer in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern agierenden Kranken­haus­holding um die Höhe des Weihnachts­geldes. Dem Konzern gehören diverse unter­schiedliche Klinikbetreiber als Tochter­ge­sell­schaften an, so auch die hier auf Zahlung von höherem Weihnachtsgeld verklagten Arbeitgeber. Vor den gesell­schafts­recht­lichen Veränderungen und der Entstehung der Holding waren viele dieser Krankenhäuser, vor allem die hier verklagten, da kommunal betrieben, an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. Die Anwendung des BAT wurde mit allen Beschäftigten formularmäßig vereinbart. Den Beschäftigten wurden einheitlich die Sonder­zu­wen­dungen des öffentlichen Dienstes nach dem Tarifwerk BAT, später dem TVöD gezahlt. Die Anwendung des BAT ist auch in den streitigen Arbeits­ver­trägen aller Klägerinnen und Kläger ausdrücklich vereinbart, die alle lange vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden.

Kläger erhalten durch Anwendung des Hausta­rif­ver­trages teils weniger als die Hälfte der BAT-Bundes-Angestell­ten­ta­rif­vertrag/TVöD-Ansprüche

Mit Datum vom 25. März 2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG mit der Kranken­haus­holding einen eigenen Sonder­zu­wen­dung­starif als Haustarifvertrag ab. Danach erhalten die Arbeitnehmer mit Wirkung ab 2007 für jedes Wirtschaftsjahr eine vom Betrie­bs­er­gebnis abhängige Sonderzahlung auf Basis eines bestimmten Faktors. Für die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG ergeben sich gegenüber den übrigen Arbeitnehmern außerdem jeweils höhere Faktoren. Die nicht gewerk­schaftlich organisierten Klägerinnen und Kläger erhielten in Anwendung des Hausta­rif­ver­trages für die unterschiedlich eingeklagten Zeiträume ab 2007 teils weniger als die Hälfte der BAT-Bundes-Angestell­ten­ta­rif­vertrag/TVöD-Ansprüche. Gestritten wird jetzt um die Differenz zum BAT TVöD, mindestens aber um den höheren haustariflichen Anspruch für Gewerk­schafts­mit­glieder.

BAT/TVöD durch Haustarif in zulässiger Weise verdrängt

Das Landes­a­r­beits­gericht hat, wie schon zuvor das Arbeitsgericht Flensburg in den oben genannten Verfahren die Zahlungsklagen abgewiesen. Es handelte sich jeweils um vor der so genannten Schuld­rechts­reform vom 1. Januar 2002 abgeschlossene so genannte „Altverträge“. Die Verwei­sungs­klauseln seien nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts deshalb noch als „Gleich­stel­lungs­abrede“ auszulegen. Die Gleichstellung führe dazu, dass für die nicht gewerk­schaftlich organisierten Beschäftigten auch die – ggf. sachnäheren (Haus-) Tarifverträge gelten, die auch für die beschäftigten Gewerk­schafts­mit­glieder Anwendung finden. Damit sei der BAT/TVöD durch den Haustarif verdrängt worden. Die im Hausta­rif­vertrag geregelte höhere Sonderzuwendung für Gewerk­schafts­mit­glieder stehe den nicht gewerk­schaftlich organisierten Klägern nicht zu. Die tarifliche Besserstellung von bestimmten Gewerk­schafts­mit­gliedern sei nach der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung zulässig.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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