18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.
ergänzende Informationen

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil29.09.2010

LAG Schleswig-Holstein: Keine fristlose Kündigung wegen Verzehrs von übrig gebliebenen PatientenessenVorherige Abmahnung erforderlich

Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und bislang unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer Patientenpizza sowie einen nicht verbrauchten Rest einer Patien­ten­portion Gulasch, rechtfertigt dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein entschieden und deshalb nicht mehr aufgeklärt, ob die Vorwürfe zutreffen.

Der 56-jährige Kläger ist in der von der Beklagten betriebenen psychiatrischen Fachklinik seit 1991 als Kranken­pfle­ge­helfer beschäftigt. Der Kläger genießt tariflichen Kündi­gungs­schutz. Die Beklagte bezichtigte den Kläger, eine Ecke Pizza abgerissen und gegessen sowie einen Rest Gulasch verzehrt zu haben, welches beides den Patienten zugestanden hätte. Er habe zulasten der Patienten Vermö­gens­delikte begangen und deren besondere Schutz­be­dürf­tigkeit ausgenutzt. Der Kläger bestritt die Vorwürfe.

Arbeitgeber kündigte fristlos - ohne vorherige Abmahnung

Ohne vorherige Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der daraufhin vom Kläger erhobenen Kündi­gungs­schutzklage gab das Arbeitsgericht Lübeck statt. Die Berufung der Beklagten vor dem Landes­a­r­beits­gericht blieb ohne Erfolg.

LAG: Auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens kommt es nicht an

Zur Begründung führte das Landes­a­r­beits­gericht aus, dass es für die Prüfung eines wichtigen Grundes für eine außer­or­dentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens ankomme. Zweck der fristlosen Kündigung dürfe nicht die Sanktion einer Vertrags­ver­letzung sein, vielmehr diene sie der Vermeidung des Risikos weiterer arbeits­ver­trag­licher Verstöße.

LAG: Geringfügiges Eigentumsdelikt

Bei den Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunfts­prognose. Sie sei nur dann entbehrlich, wenn eine Verhal­ten­s­än­derung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine schwere Pflicht­ver­letzung handele, aufgrund derer die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei.

Sofortige Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses ist unver­hält­nismäßig

Vorliegend stelle jedoch die sofortige Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses eine unver­hält­nis­mäßige Reaktion auf die behaupteten Pflicht­ver­let­zungen dar. Unter Berück­sich­tigung der Gesamtumstände, des langjährigen ungestörten Verlaufs des Arbeits­ver­hält­nisses und des äußerst geringen Wertes der Speisen, die verzehrt worden sein sollen, habe jedenfalls auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden können.

Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10581

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI