18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 11826

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil20.01.2011

Natio­nal­so­zi­a­lis­tische Äußerung am Arbeitsplatz: "Jawohl, mein Führer" rechtfertigt keine KündigungKritik am Befehlston von Mitarbeitern oder Vorgesetzten rechtfertigt nicht die Verwendung von NS-Zitaten

Ein Arbeitnehmer, der gegenüber dem Arbeitgeber oder seinen Vertretern natio­nal­so­zi­a­lis­tische Zitate äußert, verstößt gegen seine Pflichten als Arbeitnehmer und riskiert damit eine Abmahnung. Grund für eine sofortige Kündigung liefert ein solches Verhalten jedoch nicht. Zu diesem Schluss kam das Landes­a­r­beits­gericht Rheinland-Pfalz.

Im vorliegenden Fall reagierte der Bezirksleiter eines Lebensmittel-Discounters auf die Aufforderung einer Mitarbeiterin zur Nachreichung von Umsatzmeldungen mit der Äußerung: "Jawohl, mein Führer". Die Frau, die als Verkaufs­se­kretärin im Auftrag des Verkaufsleiters gehandelt hatte, informierte daraufhin umgehend ihren Vorgesetzten. Da es nicht zum ersten Mal zu dieser Äußerung gekommen sei, sprach das Unternehmen dem Mann die Kündigung aus. Der Bezirksleiter wehrte sich schließlich und berief sich auf seinen Kündigungsschutz. Er gab an, seine Äußerung sei als Reaktion auf die von ihm als Entgleisung im Ton und Anmaßung der Verkaufs­se­kretärin empfundene Aufforderung erfolgt. Zudem habe er sich anschließend bei der Mitarbeiterin entschuldigt.

Das Landes­a­r­beits­gericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Rechtmäßigkeit des Kündi­gungs­schutz­an­trages

Die Kündigung im vorliegenden Fall sei nicht aus verhal­tens­be­dingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Nach einer Inter­es­se­n­ab­wägung unter besonderer Berück­sich­tigung der Umstände des Einzelfalls, vor allem des Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzips, konnte kein überwiegendes Interesse des Unternehmens an einer Kündigung festgestellt werden. Grundsätzlich könnten jedoch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten darstellen.

Grenze der kritischen Äußerung überschritten

Der Arbeitnehmer sei prinzipiell zur öffentlichen Äußerung von Kritik, auch in überspitzter und polemischer Form, berechtigt. Die Äußerung im vorliegenden Fall überschreite jedoch die Grenze der noch zulässigen kritischen Äußerung und Polemik. Die Anrede "Jawohl, mein Führer" sei eindeutig aus dem natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Sprachgebrauch entnommen und damit geeignet, die Gefühle der Mitarbeiter zu verletzen. Die Äußerung gehe weit über die Kritik am Befehlston der Mitarbeiterin hinaus, da sie eine eindeutige Anspielung auf den natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Machthaber Hitler enthalte. Der Bezirksleiter könne sich auch nicht darauf berufen, dass heutzutage ein humorvoller Umgang mit der NS-Zeit möglich und verbreitet sei, da er sich nicht über den Natio­nal­so­zi­a­lismus lustig gemacht, sondern die Mitarbeiterin verspottet hatte.

Abmahnung als milderes Mittel angemessen

Jedoch führen diese Pflicht­ver­let­zungen im Rahmen der gebotenen Inter­es­se­n­ab­wägung nicht dazu, eine Kündigung zu rechtfertigen. Eine Abmahnung wäre als milderes Mittel gegenüber der Kündigung angemessen und ausreichend gewesen. Der Betriebsleiter habe die Äußerung leichtfertig ausgesprochen und den beleidigenden Charakter offenbar nicht erkannt. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass er sich anschließend entschuldigt habe. Es sei deshalb zu erwarten, dass sich das Verhalten in Zukunft nicht wiederholen werde.

Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (vt/st)

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