In den Verfahren haben die Klägerinnen das beklagte Einzelhandelsunternehmen auf eine höhere Vergütung ab 2004 in Anspruch genommen, weil sie die Auffassung vertraten, die vertragliche Vereinbarung eines Stundenlohns von 5,20 € sei sittenwidrig.
Beide Klägerinnen stehen seit Ende 2001 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als "geringfügig Beschäftigte/Packerin". Im ursprünglichen Arbeitsvertrag wurde ein Stundenlohn in Höhe von 10,00 DM vereinbart. Seit 2004 zahlte die Beklagte 5,20 € pro Stunde. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass der von der Beklagten gezahlte Lohn sittenwidrig ist, und dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Tatsächlich würden sie nicht als Packerinnen eingesetzt, sondern nähmen überwiegend Tätigkeiten einer klassischen Verkäuferin wahr. Der - mangels Tarifbindung der Beklagten - nicht anwendbare Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in NRW sehe für Verkäuferinnen der Gehaltsgruppe I. 6. Berufsjahr ab 2004 einen Stundenlohn in Höhe von 11,93 € brutto und zuletzt ab 01.09.2006 12,30 € brutto vor. Hiervon stünden ihnen für die Jahre 2004 - 2007 pro Stunde ? der Tarifvergütung zu, da die Differenz zwischen Tariflohn und dem tatsächlich gezahltem Lohn wegen der Überschreitung von mehr als ein Drittel sittenwidrig sei.
Die Beklagte hält den Klägerinnen entgegen, sie seien als Packerinnen beschäftigt, und nicht als Verkäuferinnen. Im Übrigen entspreche die gezahlte Vergütung dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet.
Mit Urteilen vom 14.05.2008 und 15.07.2008 hat das Arbeitsgericht Dortmund den Klagen insoweit stattgegeben und die arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarung wegen Sittenwidrigkeit für unwirksam gehalten. Beide Kammern haben ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gesehen, selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerinnen als Packerinnen beschäftigt gewesen seien.
Ebenso wie das Arbeitsgericht hat auch das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die von der Beklagten gezahlte Vergütung in Höhe von 5,20 € sittenwidrig ist, weil nach den Gesamtumständen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohnhöhe und Arbeitsleistung vorliegt. Für den Vergleich hat die Kammer auf die branchenüblichen Tariflöhne abgestellt, weil im Jahr vor Vertragsschluss die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen ausgelaufen war und diese im Wege der Nachwirkung auf die Arbeitsverhältnisse in der Branche eingewirkt haben. Deswegen ist davon auszugehen, dass im nordrhein-westfälischen Einzelhandel die Tariflöhne auch bei Vertragsabschluss im November 2001 üblich waren.
Ausgehend davon war nach dem Gehaltstarifvertrag ab Januar 2004 eine Vergütung in Höhe von 1.946,00 € brutto maßgeblich. Da die Parteien eine Pauschalvergütung vereinbart haben, in der das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld und - insoweit rechtswidrig - auch das Urlaubsentgelt und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthalten waren, lag die Vergütung der Klägerinnen bei ca. 640,00 € monatlich. Eine Unterschreitung des Tarifniveaus um 2/3 hat die Berufungskammer als sittenwidrig angesehen. Selbst wenn man den Lohntarifvertrag zu Grunde legte, weil die Klägerinnen entgegen ihrer Annahme als Packerinnen und nicht als Verkäuferinnen beschäftigt waren, läge die Vergütung noch ca. 60 % unter dem Tariflohn.
Die Forderung der Klägerinnen ist auch nicht nach den einschlägigen Vorschriften des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel verfallen, da die Kammer die tatbestandlichen Voraussetzungen des Lohnwuchers angenommen hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.03.2009
Quelle: ra-online (pt)