15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 14701

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Urteil16.02.2011Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg4 Sa 2132/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • ITRB 2011, 228Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2011, Seite: 228
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Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Berlin, Urteil17.08.2010, 36 Ca 235/10
ergänzende Informationen

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil16.02.2011

Zugriff des Arbeitsgebers auf dienstlichen E-Mail-Account zulässigUnter­las­sungs­an­spruch des Arbeitnehmers besteht nicht

Ist ein Arbeitnehmer länger abwesend und besteht kein Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account, so darf der Arbeitgeber sich zu dienstlichen Zwecken Zugriff zum Account verschaffen. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien darum, ob die Klägerin dem beklagten Arbeitgeber den Zugriff auf die in ihrem dienstlichen E-Mail-Account vorhandenen E-Mails vollständig verweigern darf. Die Klägerin nutzte den Account auch für private E-Mails. Soweit sie private E-Mails verschickte, kennzeichnete sie diese mit dem Zusatz "privat" in der Betreffzeile. Infolge einer Erkrankung wurde die Klägerin arbeitsunfähig. Ihr Stellvertreter hatte keinen Zugriff auf das der E-Mail-Anschrift der Klägerin zugeordnete elektronische Postfach. Ein solcher Zugriff war aber aus betrieblichen Gründen notwendig. Nachdem der Beklagte mehrfach versuchte die Klägerin telefonisch und per E-Mail zu erreichen, informierte er sowohl den Betriebsrat als auch den Daten­schutz­be­auf­tragten und ließ das Postfach unter anderem im Beisein eines Betrie­bs­rats­mit­glieds durch die IT-Abteilung öffnen. Es wurden nur dienstliche E-Mails geöffnet und ausgedruckt. Die Klägerin war mit dem Öffnen ihres dienstlichen Account nicht einverstanden und klagte auf Unterlassung. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.

Kein Unter­las­sungs­an­spruch wegen Verletzung des Fernmel­de­ge­heim­nisses

Das Landes­a­r­beits­gericht Berlin-Brandenburg entschied gegen die Klägerin. Ein Anspruch auf Unterlassung stehe ihr nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB zu. Der Beklagte habe nicht gegen § 88 Abs. 2 und 3 TKG verstoßen. Denn ein Arbeitgeber, der lediglich seinen Arbeitnehmer auch die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts gestatte, sei kein Dienstanbieter. Er erbringe weder geschäftsmäßig Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­leis­tungen noch wirke er an diesen mit (§ 3 Nr. 6 TKG).

Ohnehin kein Schutz durch Fernmel­de­ge­heimnis

Aber auch bei Annahme dieser Voraussetzung wäre der Anwen­dungs­bereich des § 88 TKG nicht eröffnet gewesen, so das Landes­a­r­beits­gericht weiter. Die Norm schütze das Fernmeldegeheimnis im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG. Geschützt werde die Übermittlung von Informationen mit Hilfe des Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­verkehrs. Der Schutz des Fernmel­de­ge­heim­nisses ende in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger ankomme und der Übertra­gungs­vorgang beendet sei. Der Zugriff des Arbeitgebers auf die im Posteingang oder -ausgang liegenden E-Mails unterliege daher nicht den Beschränkungen des Fernmel­de­ge­heim­nisses.

Kein Unter­las­sungs­an­spruch wegen unbefugten Ausspähens von Daten

Der Anspruch ergebe sich nach Ansicht des Landes­a­r­beits­ge­richts auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 202 a StGB. Denn es habe allein ein Zugriff auf dienstliche Mails vorgelegen. Solche E-Mails richten sich nicht an den Arbeitnehmer als Privatperson, sondern an den Arbeitgeber. Die Mails seien somit Daten im Sinne von § 202 a StGB gewesen, die für den Beklagten bestimmt waren.

Kein Unter­las­sungs­an­spruch wegen Verletzung des Persön­lich­keits­rechts

Das Landes­a­r­beits­gericht führte weiterhin aus, dass sich der Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 1004 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts ergebe. Das nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persön­lich­keitsrecht schütze zwar den Arbeitnehmer im Arbeits­ver­hältnis nicht nur vor einer technischen Überwachung am Arbeitsplatz, sondern auch vor anderen Eingriffen. Hier habe jedoch aufgrund des alleinigen Zugriffs auf die dienstlichen Mails keine Verletzung des Persön­lich­keits­rechts vorgelegen.

Ohnehin rechtmäßiger Eingriff in Persön­lich­keitsrecht

Aber auch wenn man einen Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht annehmen würde, so wäre der Eingriff nach Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts nicht rechtswidrig gewesen. Denn es sei nicht nur das allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, sondern ebenfalls ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers. Bei einer solch auftretenden Kollision sei durch eine Güterabwägung zu ermitteln, welches Recht den Vorrang verdiene.

Vorliegend habe das durch Art. 14 GG geschützte Interesse des Beklagten an der Aufrecht­er­haltung des ungestörten Arbeitsablaufs dem Interesse der Klägerin, dass ein Zugriff auf ihren Account gänzlich unterbleibe, überwogen. Maßgebend sei dabei gewesen, dass zum einen durch die Nichter­reich­barkeit der Klägerin der Geschäftsablauf erschwert bzw. verhindert wurde, was zu einem erheblichen finanziellen Schaden hätte führen können. Zum anderen versuchte der Beklagte mehrfach die Klägerin zu erreichen und sowohl der Daten­schutz­be­auf­tragte als auch der Betriebsrat wurden informiert. Außerdem war zum Zeitpunkt des Öffnens des Accounts ein Betrie­bs­rats­mitglied anwesend.

Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (vt/rb)

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