Dokument-Nr. 14701
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- ITRB 2011, 228Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2011, Seite: 228
- Arbeitsgericht Berlin, Urteil17.08.2010, 36 Ca 235/10
- Arbeitsrecht
- allgemeines Persönlichkeitsrecht
- Arbeitgeber
- Arbeitgeberin
- Arbeitnehmer
- Arbeitnehmerin
- Ausspähen von Daten (§ 202 a StGB)
- dienstlich
- dienstlicher
- dienstliches
- E-Mail-Account
- Fernmeldegeheimnis
- private
- privater
- rechtmäßiger Eingriff
- Unterlassungsanspruch
- Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
- Zugriff
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil16.02.2011
Zugriff des Arbeitsgebers auf dienstlichen E-Mail-Account zulässigUnterlassungsanspruch des Arbeitnehmers besteht nicht
Ist ein Arbeitnehmer länger abwesend und besteht kein Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account, so darf der Arbeitgeber sich zu dienstlichen Zwecken Zugriff zum Account verschaffen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien darum, ob die Klägerin dem beklagten Arbeitgeber den Zugriff auf die in ihrem dienstlichen E-Mail-Account vorhandenen E-Mails vollständig verweigern darf. Die Klägerin nutzte den Account auch für private E-Mails. Soweit sie private E-Mails verschickte, kennzeichnete sie diese mit dem Zusatz "privat" in der Betreffzeile. Infolge einer Erkrankung wurde die Klägerin arbeitsunfähig. Ihr Stellvertreter hatte keinen Zugriff auf das der E-Mail-Anschrift der Klägerin zugeordnete elektronische Postfach. Ein solcher Zugriff war aber aus betrieblichen Gründen notwendig. Nachdem der Beklagte mehrfach versuchte die Klägerin telefonisch und per E-Mail zu erreichen, informierte er sowohl den Betriebsrat als auch den Datenschutzbeauftragten und ließ das Postfach unter anderem im Beisein eines Betriebsratsmitglieds durch die IT-Abteilung öffnen. Es wurden nur dienstliche E-Mails geöffnet und ausgedruckt. Die Klägerin war mit dem Öffnen ihres dienstlichen Account nicht einverstanden und klagte auf Unterlassung. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.
Kein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied gegen die Klägerin. Ein Anspruch auf Unterlassung stehe ihr nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB zu. Der Beklagte habe nicht gegen § 88 Abs. 2 und 3 TKG verstoßen. Denn ein Arbeitgeber, der lediglich seinen Arbeitnehmer auch die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts gestatte, sei kein Dienstanbieter. Er erbringe weder geschäftsmäßig Telekommunikationsleistungen noch wirke er an diesen mit (§ 3 Nr. 6 TKG).
Ohnehin kein Schutz durch Fernmeldegeheimnis
Aber auch bei Annahme dieser Voraussetzung wäre der Anwendungsbereich des § 88 TKG nicht eröffnet gewesen, so das Landesarbeitsgericht weiter. Die Norm schütze das Fernmeldegeheimnis im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG. Geschützt werde die Übermittlung von Informationen mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger ankomme und der Übertragungsvorgang beendet sei. Der Zugriff des Arbeitgebers auf die im Posteingang oder -ausgang liegenden E-Mails unterliege daher nicht den Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.
Kein Unterlassungsanspruch wegen unbefugten Ausspähens von Daten
Der Anspruch ergebe sich nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 202 a StGB. Denn es habe allein ein Zugriff auf dienstliche Mails vorgelegen. Solche E-Mails richten sich nicht an den Arbeitnehmer als Privatperson, sondern an den Arbeitgeber. Die Mails seien somit Daten im Sinne von § 202 a StGB gewesen, die für den Beklagten bestimmt waren.
Kein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das Landesarbeitsgericht führte weiterhin aus, dass sich der Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 1004 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergebe. Das nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze zwar den Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis nicht nur vor einer technischen Überwachung am Arbeitsplatz, sondern auch vor anderen Eingriffen. Hier habe jedoch aufgrund des alleinigen Zugriffs auf die dienstlichen Mails keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorgelegen.
Ohnehin rechtmäßiger Eingriff in Persönlichkeitsrecht
Aber auch wenn man einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht annehmen würde, so wäre der Eingriff nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtswidrig gewesen. Denn es sei nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, sondern ebenfalls ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers. Bei einer solch auftretenden Kollision sei durch eine Güterabwägung zu ermitteln, welches Recht den Vorrang verdiene.
Vorliegend habe das durch Art. 14 GG geschützte Interesse des Beklagten an der Aufrechterhaltung des ungestörten Arbeitsablaufs dem Interesse der Klägerin, dass ein Zugriff auf ihren Account gänzlich unterbleibe, überwogen. Maßgebend sei dabei gewesen, dass zum einen durch die Nichterreichbarkeit der Klägerin der Geschäftsablauf erschwert bzw. verhindert wurde, was zu einem erheblichen finanziellen Schaden hätte führen können. Zum anderen versuchte der Beklagte mehrfach die Klägerin zu erreichen und sowohl der Datenschutzbeauftragte als auch der Betriebsrat wurden informiert. Außerdem war zum Zeitpunkt des Öffnens des Accounts ein Betriebsratsmitglied anwesend.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.11.2012
Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (vt/rb)
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