03.12.2024
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Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil21.06.2017

Unangemessene Vergütung: Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse hat keinen Anspruch auf GehaltserhöhungZusätzliche Vergütungs­bestand­teile müssten Vergleich mit Vorstands­vergütungen anderer Krankenkassen standhalten

Entscheidender Ausgangspunkt für die Bewertung einer "angemessenen" Vergütung eines Vorstands einer gesetzlichen Krankenkasse ist ein Vergleich mit Vorstands­vergütungen anderer Krankenkassen mit jeweils vergleichbarer Größe, d.h. in erster Linie der jeweiligen Versi­cher­ten­zahlen. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg und versagte damit einem Kranken­kassen­vorstand eine Gehaltserhöhung.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist eine Betrie­bs­kran­kenkasse mit Sitz in Baden-Württemberg, deren Zustän­dig­keits­bereich sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Sie verfügte im Februar 2016 über 327.080 Versicherte. Sie beschäftigt nach eigenen Angaben rund 800 Mitarbeiter und zählt zu den 20 größten bundesweit geöffneten Krankenkassen. Der Vorstand erhält eine jährliche Grundvergütung von 152.600 Euro.

Bundes­ver­si­che­rungsamt verweigert Zustimmung zu zusätzlichen Vergü­tungs­be­stand­teilen

Ende 2015 legte die Krankenkasse dem Bundes­ver­si­che­rungsamt einen "Zusatzvertrag zum Dienstvertrag über zusätzliche Vergü­tungs­be­standteile" ihres Vorstands zur Genehmigung vor. Über die Grundvergütung hinaus waren u.a. ein Zusatzfixum im Dezember (2.400 Euro), eine variable Zusatzvergütung bis max. 31.000 Euro (Zieler­rei­chungs­prämie), ein Dienstwagen, Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge und eine Unfall­ver­si­cherung vorgesehen. Zusammen mit der Grundvergütung summierte sich das Gehalt damit auf insgesamt 217.252 Euro. Zu hoch befand das Bundes­ver­si­che­rungsamt und verweigerte die Zustimmung.

Vergleich mit Strukturen der Privat­wirt­schaft nicht sachgerecht

Die Klage der Krankenkasse gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundes­ver­si­che­rungsamt, auf Erteilung der Zustimmung blieb erfolglos. Die Krankenkasse hatte sich auf den Standpunkt gestellt, Verdienst­mög­lich­keiten in privaten Versi­cher­ten­ge­sell­schaften und der Privat­wirt­schaft im Gesund­heitswesen seien als Vergleichs­maßstab heranzuziehen. Dem folgte das erstinstanzlich zuständige Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg nicht. Das Gericht gab dem Bundes­ver­si­che­rungsamt Recht und entschied, dass die vorgesehene Vergütung den zulässigen Rahmen deutlich überschreitet. Ein Vergleich mit Strukturen der Privat­wirt­schaft ist nicht sachgerecht. Das beitrags­fi­nan­zierte System der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung beruht auf dem Solidarprinzip und unterscheidet sich damit fundamental von den Strukturen gewerblicher Wirtschaft. Anders als bei privat­wirt­schaft­lichen Unternehmen ist der Erfolg der Krankenkassen nicht am wirtschaft­lichen Gewinn zu messen, sondern daran, ob die gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemäß unter sparsamer Verwendung der Beitragsgelder und Steuermittel erfüllt werden.

Zusätzliche Vergü­tungs­be­standteile würden vergleichbare Vergütungen deutlich überschreiten

Maßgeblich für die Bewertung einer "angemessenen" Vergütung ist nach der Urteils­be­gründung ein Vergleich der Vorstands­ver­gü­tungen von Krankenkassen mit jeweils vergleichbarer Größe, d.h. in erster Linie der jeweiligen Versi­cher­ten­zahlen. Gesetzliche Krankenkassen mit einer der Klägerin vergleichbaren Größe haben im Jahr 2015 im "Mittelmaß" jährliche Vorstands­ver­gü­tungen in Höhe von 159.500 Euro gezahlt. Durch die zusätzlichen Vergü­tungs­be­standteile im Zusatzvertrag wird dieses Maß mehr als deutlich überschritten.

Die Unange­mes­senheit der Überschreitung ergibt sich vorliegend aber nicht nur durch die deutliche Überschreitung des Mittelmaßes um 36 %, sondern auch aus der Größe derjenigen Krankenkassen, die Vergütungen in vergleichbarer Höhe, wie im Zusatzvertrag geregelt, gewähren. Die Mitglie­der­zahlen dieser Krankenkassen liegen nämlich um über 50 % oberhalb der Mitgliedszahlen der Klägerin.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Viertes Buch

§ 35 a SGB IV

Absatz 1 Satz 1:

Bei den Orts-, Betriebs- und Innungs­kran­ken­kassen sowie den Ersatzkassen verwaltet der Vorstand die Krankenkasse und vertritt die Krankenkasse gerichtlich und außer­ge­richtlich, soweit Gesetz und sonstiges für die Krankenkasse maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen.

Absatz 6a:

Der Abschluss, die Verlängerung oder die Änderung eines Vorstands­dienst­vertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Aufsichts­behörde. Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes hat in angemessenem Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen. Dabei ist insbesondere die Zahl der Mitglieder der Körperschaft zu berücksichtigen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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