18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 21824

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Kammergericht Berlin Beschluss29.06.2015

Vereinigung von arbeitenden Strafgefangenen stellt keine Gewerkschaft darVerteilen und Entgegennahme von Mitglied­s­an­trägen während der Arbeitszeit und den Pausen kann untersagt werden

Einem Strafgefangenen, der Mitglied einer "Gefangenen-Gewerkschaft" ist, kann von der Justiz­vollzugs­anstalt aus Sicher­heits­gründen untersagt werden, während der Arbeitszeit und in den Pausen Mitglied­s­anträge zu verbreiten und entge­gen­zu­nehmen. Das Recht zur Untersagung ergibt sich aus dem Direktionsrecht der Anstalt. Ein unzulässiger Eingriff in die Werbefreiheit einer Gewerkschaft liegt nicht vor, da eine Gefangenen-Gewerkschaft keine Gewerkschaft ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Kammergerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Strafgefangener der Justiz­voll­zugs­anstalt Berlin-Tegel war Mitglied in einer "Gefangenen-Gewerkschaft". Im Rahmen seiner Arbeit als Busfahrer auf dem Anstaltsgelände verteilte er Mitglied­s­anträge und nahm solche entgegen. Die Anstaltsleitung untersagt jedoch diese Tätigkeit aus Sicher­heits­gründen. Denn den arbeitenden Strafgefangenen war nur die Mitnahme einer Verpflegungsbox gestattet. Die "Gewerkschaft" sah in dem Verbot eine Behinderung ihrer gewerk­schaft­lichen Organisation und ging gerichtlich gegen das Verbot vor.

Landgericht hielt Verbot der schriftlichen Mitglieds­werbung für zulässig

Das Landgericht Berlin hielt das Verbot der schriftlichen Mitglieds­werbung für zulässig. Das Verbot habe sich auf § 4 Abs. 2 Satz 2 des Straf­voll­zugs­ge­setzes (StVollzG) stützen können. Denn durch das Verhalten des Gefangenen sei die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet gewesen. Durch die Übergabe der Anträge und der Forderung der Ausfüllung der Anträge habe eine Drucksituation entstehen könne. Gegen diese Entscheidung legte die "Gefangenen-Gewerkschaft" Rechts­be­schwerde ein.

Kammergericht stützt Untersagung auf Direktionsrecht der Anstalt

Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Rechts­be­schwerde der "Gefangenen-Gewerkschaft" zurück. Zwar habe sich das Verbot nicht auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stützen können. Das Recht zur Untersagung der schriftlichen Mitglie­d­er­werbung habe sich aber aus dem Direktionsrecht der Anstalt ergeben. Das Recht der Anstalt, die Arbeit von Gefangenen auszugestalten und die einzelnen Modalitäten festzulegen, folge aus § 37 und § 41 Abs. 1 StVollzG und sei vergleichbar mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.

Zulässige Ausübung des Direk­ti­o­ns­rechts

Das Direktionsrecht der Justiz­voll­zugs­anstalt sei nach Ansicht des Kammergerichts in zulässiger Weise ausgeübt worden. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich andere Gefangene durch die Verteilung und Entgegennahme der Mitglied­s­anträge während der Arbeitszeit und in den Pausen haben gestört fühlen können. Es habe somit ein Konflikt­po­tential vorgelegen. Zudem habe die Gefahr bestanden, dass der Gefangene neben den Formularen auch verbotene Gegenstände weitergibt oder entgegennimmt. Dem Interesse der "Gefangenen-Gewerkschaft" sei dadurch Rechnung getragen worden, dass ihr die Auslage der Anträge an allgemein zugänglichen Stellen sowie die mündliche Mitglie­d­er­werbung gestattet worden sei.

Keine unzulässige Einschränkung der gewerk­schaft­lichen Werbefreiheit

Durch das Verbot sei nicht in unzulässiger Weise in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte gewerk­schaftliche Werbefreiheit eingegriffen worden, so das Kammergericht. Denn die "Gefangenen-Gewerkschaft" sei nicht als Gewerkschaft einzustufen gewesen. Eine Gewerkschaft sei eine Vereinigung von Arbeitnehmern. Ein Arbeitnehmer sei wiederum nur, wer aufgrund eines privat­recht­lichen Vertrags oder eines vergleichbaren Rechts­ver­hält­nisses im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet sei. Zwischen Strafgefangene und der Justiz­voll­zugs­anstalt werden aber zum einen keine Arbeitsverträge geschlossen und zum anderen beruhe ihr Arbeitseinsatz nicht auf eine freie Willen­s­ent­scheidung. Vielmehr sei ihr Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis öffentlich-rechtlicher Natur und sei Folge der Arbeitspflicht.

Quelle: Kammergericht, ra-online (vt/rb)

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