21.11.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil22.05.2014

Verant­wort­licher Vorgesetzter haftet für Absturz wegen fehlender Sicherung bei DacharbeitenSchutzpflichten gelten auch in Fällen der Überlassung von Arbeitnehmern

Werden Arbeitnehmer vorübergehend einem anderen Unternehmen zur Durchführung von Montagearbeiten auf einer Baustelle überlassen, hat der dortige Vorgesetzte die Pflicht, keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen mangels berufs­genossen­schaftlich vorge­schriebener Schutzmaßnahmen die Gefahr von Gesund­heits­schäden besteht. Lässt er die Arbeiter entgegen eindeutiger Sicherheits­bestimmungen ungesichert auf dem Dach arbeiten und kommt es dabei zu einem Unfall, kann dies dazu führen, dass der zuständige Sozial­versicherungs­träger seine unfallbedingt an den Geschädigten geleisteten Aufwendungen vom Vorgesetzten ersetzt verlangen kann. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Koblenz und bestätigte damit die vorausgegangene Entscheidung des Landgerichts Mainz, das den beklagten Vorgesetzten zur Zahlung von insgesamt 942.436,13 Euro verurteilt hatte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die klagende Berufsgenossenschaft beansprucht Ersatz ihrer Aufwendungen, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls ihres Versicherten entstanden sind.

Unfallstelle entsprach nicht den einschlägigen Unfall­ver­hü­tungs­vor­schriften

Die mit der Errichtung des Daches eines Kanti­nen­ge­bäudes in Paderborn beauftragte Arbeitgeberin des Beklagten verfügte nicht über genügend eigenes Montagepersonal. Die Arbeitgeberin des Geschädigten stellte ihr daher zwei ihrer Arbeitnehmer - darunter den Geschädigten selbst - für die durch­zu­füh­renden Arbeiten zur Verfügung. Verant­wort­licher auf der Baustelle war der im Bezirk des Landgerichts Mainz wohnhafte Beklagte. Am 21. November 2002 verlor der Geschädigte im Verlauf der Arbeiten das Gleichgewicht und stürzte von einer Mauer 5,50 m tief auf den darunter befindlichen Betonboden. Er zog sich schwerste Schädel- und Wirbel­ver­let­zungen zu und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die Unfallstelle war zum Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicher­heits­netzen gegen Abstürze gesichert und entsprach nicht den einschlägigen Unfall­ver­hü­tungs­vor­schriften. Hierauf war der Beklagten kurz vor dem Unfall ausdrücklich hingewiesen worden. Das Landgericht Mainz hat der Klage auf Ersatz der überwiegend für Heilbehandlung und Berufshilfe geleisteten Aufwendungen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Aufwendungen stattgegeben.

Versi­che­rungsfall wurde grob fahrlässig herbeigeführt

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das Oberlan­des­gericht Koblenz nun zurückgewiesen. Der Beklagte habe den Versi­che­rungsfall grob fahrlässig herbeigeführt und hafte gegenüber dem Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger im Wege des Rückgriffs nach § 110 Abs. 1 SGB VII. Er sei als Verant­wort­licher in der konkreten Situation verpflichtet gewesen, den ihm unterstellten Arbeitnehmern keine die Gesundheit gefährdenden Arbeiten zuzuweisen. Die Verpflichtung bestehe auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb eingesetzt würden. Seine Sorgfalts­pflichten habe der Beklagte in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Dem geschädigten Arbeitnehmer sei kein Mitverschulden anzulasten, da er lediglich einer Anordnung seines weisungs­be­fugten Vorgesetzten entsprochen habe.

Betrie­bs­haft­pflicht­ver­si­cherer der Arbeitgeberin des Beklagten muss für den vom Beklagten verursachten Schaden eintreten

Die Haftung des Beklagten werde auch nicht durch arbeits­rechtliche Grundsätze zur Arbeit­neh­mer­haftung relativiert. Soweit die arbeits­ge­richtliche Rechtsprechung im Einzelfall im Hinblick auf ein mögliches Missverhältnis zwischen dem Verdienst des haftenden Arbeitnehmers - hier des Beklagten - und dem Schadensrisiko seiner Tätigkeit bzw. einer ihm drohenden wirtschaft­lichen Existenz­ge­fährdung Haftungs­er­leich­te­rungen in Betracht ziehe, bedürfe es der Heranziehung dieser Grundsätze nicht. Denn der Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger könne nach seinem Ermessen unter Berück­sich­tigung der wirtschaft­lichen Verhältnisse des Schädigers aufgrund der hier einschlägigen Regelung des § 110 Abs. 2 SGB VII auf Ersatzansprüche ganz oder teilweise verzichten. Aktuell gebe es für die klagende Berufs­ge­nos­sen­schaft aber auch keinen Anlass für einen derartigen Verzicht, da der Betrie­bs­haft­pflicht­ver­si­cherer der Arbeitgeberin des Beklagten für den vom Beklagten verursachten Schaden einzutreten habe.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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