18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 28863

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Beschluss04.06.2020Hessisches LandessozialgerichtL 4 AY 5/20 B ER
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss04.06.2020

Asylbewerber hat Anspruch auf Sozialhilfe trotz KirchenasylOffenes Kirchenasyl ist kein Rechts­miss­brauch

Asylbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbe­wer­ber­leistung­sgesetz. Halten sie sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet auf und haben die Dauer des Aufenthalts nicht rechts­missbräuchlich selbst beeinflusst, so haben sie einen analogen Anspruch auf die umfangreicheren Sozialhilfe­leistungen. War ein Asylbewerber im offenen Kirchenasyl und war damit der Auslän­der­behörde sein Aufenthaltsort bekannt, so ist nicht von einem rechts­missbräuch­lichen Verhalten auszugehen. Dies entschied das Hessischen Landes­so­zi­al­gericht.

Im hier vorliegenden Fall reiste ein Mann aus Äthiopien im Juni 2015 in die Bundesrepublik ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Im Juli 2016 begab er sich ins Kirchenasyl einer Frankfurt Kirchengemeinde, welche die Auslän­der­behörde über seinen Aufenthaltsort unterrichtete. Im Februar 2017 erhielt er eine Aufent­halts­ge­stattung. Während dieser Zeit wurden ihm Leistungen nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz gewährt.

Antrag auf Sozia­l­hil­fe­leis­tungen wegen rechts­miss­bräuch­licher Beeinflussung der Aufent­haltsdauer abgelehnt

Im Oktober 2019 beantragte er analoge Sozia­l­hil­fe­leis­tungen und führte an, dass er sich bereits seit mehr als 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalte. Die Stadt Frankfurt am Main lehnte den Antrag ab. Das in Anspruch genommene Kirchenasyl sei als rechts­miss­bräuchliche Beeinflussung der Aufent­haltsdauer im Bundesgebiet zu werten. Analoge Sozia­l­hil­fe­leis­tungen seien daher ausgeschlossen. Hiergegen legte der Mann Widerspruch ein. Zudem beantragte er einstweiligen Rechtschutz vor dem Sozialgericht.

Offenes Kirchenasyl stellt keinen Rechts­miss­brauch dar

Die Darmstädter Richter haben die Stadt Frankfurt im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig analoge Sozia­l­hil­fe­leis­tungen bis zur Entscheidung über den Widerspruch zu gewähren. Nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts wird das Kirchenasyl von den Verwal­tungs­be­hörden ebenso wie von der Bundesregierung respektiert werde und in der Regel keine Abschiebung während des Kirchenasyls in den kirchlichen Räumen durchführen. Ein rechts­miss­bräuch­liches Verhalten liege nicht vor, weil aufgrund des Kirchenasyls die Abschiebung weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich sei, wenn es sich – wie hier – um ein sogenanntes offenes Kirchenasyl handele, bei dem die Auslän­der­behörde zu jeder Zeit der Dauer des Kirchenasyls den Aufenthaltsort des Ausländers kenne. Dieses offene Kirchenasyl sei aufent­halts­rechtlich nicht einem Untertauchen des Auswei­sungs­pflichtigen gleichzusetzen.

Vorwurf des Rechts­miss­brauch nicht haltbar

Verzichte der Staat bewusst darauf, die Ausreisepflicht durchzusetzen, könne das Vollzugsdefizit nicht dem Ausländer angelastet werden. Denn es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt vorübergehend zu tolerieren und dem Ausländer gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht, ra-online (pm/ab)

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