21.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil13.08.2019

Psychische Erkrankung eines Ersthelfers kann nicht als Berufskrankheit anerkannt werdenFür die Anerkennung einer posttrau­ma­tischen Belas­tungs­störung als Wie-Berufskrankheit fehlt es an einem generellen Ursachen­zusammen­hang

Berufs­krank­heiten sind ebenso wie Arbeitsunfälle Versi­che­rungsfälle der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung. Eine Anerkennung als Wie-Berufskrankheit kommt in Betracht, wenn eine Erkrankung - wie z.B. eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung - nicht in die Verordnung als Berufskrankheit aufgenommen ist, aber aufgrund neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Aufnahme vorliegen. Wissen­schaftliche Erkenntnisse dafür, dass allein die wiederholte Erfahrung von Ersthelfern - wie z.B. Straßenwärter - mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen generell geeignet sei, eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung zu verursachen, bestehen jedoch nicht. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 1960 geborener Mann aus dem Lahn-Dill-Kreis arbeitete sein gesamtes Berufsleben als Straßenwärter. Er hatte unter anderem Verkehrsunfälle aufzunehmen und musste am Unfallort bleiben, bis Notarzt, Feuerwehr und Kriminalpolizei ihre Arbeit vor Ort beendet hatten.

Unfallkasse lehnt geltend gemachte posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung als Berufskrankheit ab

Der Versicherte erlitt eine schwere psychische Erkrankung. Seit 2013 bezieht er eine Rente der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung. Gegenüber der Unfallkasse machte er geltend, dass er mit sehr vielen Unfällen und sehr vielen verletzten Menschen und Verkehrstoten zu tun gehabt habe und hierdurch traumatisiert worden sei. Die Unfallkasse lehnte die geltend gemachte posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung als Berufskrankheit ab. Diese Erkrankung sei nicht in der Verordnung als Berufskrankheit aufgeführt. Auch eine Wie-Berufskrankheit sei nicht anzuerkennen, da die erforderlichen medizinischen Erkenntnisse nicht vorlägen.

Bei Ersthelfern ist posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung nicht generell auf berufliche Belastung zurückzuführen

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht bestätigten die Auffassung der Unfallkasse. Die Erkrankung des Versicherten sei weder als Berufskrankheit noch als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen. Straßenanwärter seien zwar als Ersthelfer besonderen Einwirkungen durch die Konfrontation mit traumatischen Ereignissen - wie tatsächlichem oder drohendem Tod sowie schweren Verletzungen - anderer Personen ausgesetzt. Für die Anerkennung einer posttrau­ma­tischen Belas­tungs­störung durch das wiederholte Erleben dieser traumatischen Ereignisse fehle es jedoch am generellen Ursachen­zu­sam­menhang zwischen dieser Erkrankung und den besonderen beruflichen Einwirkungen. Denn nach aktuellem wissen­schaft­lichem Erkenntnisstand lägen keine gesicherten Erkenntnisse dafür vor, dass allein die wiederholte Erfahrung der Ersthelfer mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen generell geeignet sei, eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung zu verursachen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozial­ge­setzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Versi­che­rungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufs­krank­heiten.

§ 9 SGB VII

(1) Berufs­krank­heiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufs­krank­heiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts­ver­ordnung solche Krankheiten als Berufs­krank­heiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind;[...]

(2) Die Unfall­ver­si­che­rungs­träger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechts­ver­ordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versi­che­rungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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