18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss21.02.2011

Hessisches LSG: Beitrags­er­höhung wegen Auszahlung aus privater Lebens­ver­si­cherung unzulässigKeine Rechtsgrundlage für Beitrags­er­höhung

Bei der Bemessung der Versi­che­rungs­beiträge von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist die Auszahlung aus einer privaten Lebens­ver­si­cherung nicht zu berücksichtigen. Die „Beitrags­ver­fah­rens­grundsätze Selbstzahler“ erfassten zwar im Vergleich zu den Beiträgen von Pflicht­ver­si­cherten weitere Arten von Einnahmen. Diese Grundsätze sind jedoch vom Vorstand des Spitzen­ver­bandes der gesetzlichen Krankenkassen erlassen worden, der hierzu nicht hinreichend demokratisch legitimiert ist. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall erhielt ein freiwillig kranken­ver­si­cherter Mann im April 2009 aus einer privaten Lebensversicherung knapp 74.000 Euro. Dies legte die gesetzliche Krankenkasse ihrer Beitrags­be­messung zugrunde und erhöhte die Beiträge des 62-Jährigen. Hiergegen klagte der Mann aus dem Landkreis Groß-Gerau und beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

Vorstand des Spitzen­ver­bandes der gesetzlichen Krankenkassen nicht demokratisch legitimiert

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts erhoben im einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitrags­er­hebung. Die Kranken­ver­si­cherung könne sich nicht auf die „Beitrags­ver­fah­rens­grundsätze Selbstzahler“ berufen. Denn diese seien weder als Satzung noch durch das zur Rechtsetzung berufene Organ des Spitzen­ver­bandes der gesetzlichen Krankenkassen erlassen worden. Daher könnten diese Verwal­tungs­vor­schriften die wirtschaftliche Leistungs­fä­higkeit der freiwillig Versicherten nicht abweichend vom gesetzlichen Leitbild bestimmen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen
Bis zum 1. Januar 2009 waren die Krankenkassen befugt, die Beitrags­be­messung zur freiwilligen Kranken­ver­si­cherung auch abweichend von der Bemessung für Pflicht­ver­si­cherte durch Satzung verbindlich zu regeln. Diese Satzungs­be­fugnis sollte durch eine entsprechende Kompetenz des Spitzen­ver­bandes Bund der Krankenkassen ersetzt werden. Die Entscheidung des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts hat Bedeutung für die Heranziehung aller sonstigen Einnahmen, die „für den Lebensunterhalt verbraucht werden können“. Hierunter können z.B. auch Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung sowie Kapitalvermögen fallen, die bei Pflicht­ver­si­cherten beitragsfrei sind.

§ 3 „Beitrags­ver­fah­rens­grundsätze Selbstzahler“

(1) Als beitrags­pflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeits­ein­kommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung, der Zahlbetrag der Versor­gungs­bezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. (…)

§ 240 SGB V

(1) Für freiwillige Mitglieder wird die Beitrags­be­messung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitrags­be­lastung die gesamte wirtschaftliche Leistungs­fä­higkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt.

(2) Bei der Bestimmung der wirtschaft­lichen Leistungs­fä­higkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versi­che­rungs­pflichtig Beschäftigten der Beitrags­be­messung zugrunde zu legen sind. (…)

§ 217 b SGB V

(1) Bei dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen wird als Selbst­ver­wal­tungsorgan ein Verwaltungsrat gebildet. Ein Mitglied des Verwal­tungsrates muss dem Verwaltungsrat oder der Vertre­ter­ver­sammlung einer Mitgliedskasse angehören. (…)

(2) Bei dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen wird ein Vorstand gebildet. Der Vorstand besteht aus höchstens drei Personen. Der Vorstand sowie aus seiner Mitte der Vorstands­vor­sitzende und dessen Stellvertreter werden von dem Verwaltungsrat gewählt. Der Vorstand verwaltet den Spitzenverband und vertritt den Spitzenverband gerichtlich und außer­ge­richtlich, soweit Gesetz oder sonstiges für den Spitzenverband maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen. (…)

(3) Bei dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen wird eine Mitglie­der­ver­sammlung gebildet. Die Mitglie­der­ver­sammlung wählt den Verwaltungsrat. In die Mitglie­der­ver­sammlung entsendet jede Mitgliedskasse jeweils einen Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber aus ihrem Verwaltungsrat oder ihrer Vertre­ter­ver­sammlung.

[…]

§ 217 e SGB V

[…]

(2) Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Verträge und seine sonstigen Entscheidungen gelten für die Mitgliedskassen des Spitzen­ver­bandes, die Landesverbände der Krankenkassen und die Versicherten.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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