03.12.2024
03.12.2024  
Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
ergänzende Informationen

Hessisches Landessozialgericht Beschluss18.07.2019

Massives Untergewicht rechtfertigt Anspruch auf Behandlung mit DronabinolGericht verurteilt Krankenkasse zur Kostenübernahme bis zur Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren

Das LSG Darmstadt hat entschieden, dass gesetzlich Kranken­ver­si­cherte mit Dronabinol versorgt werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass entweder eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder eine solche nicht zur Anwendung kommen kann. Ferner muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krank­heits­verlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Sind diese Voraussetzungen nicht nachgewiesen, ist bei der in einem gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden Folgenabwägung die körperliche Unversehrtheit von besonderer Bedeutung.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Seit seiner frühen Kindheit litt der 19-jähriger Versicherter an einer seltenen Darmerkrankung, die massive Bauchkrämpfe verursacht.

Krankenkasse lehnte Therapie mit Dronabinol wegen bereits vorliegender Suchterkrankung ab

Aufgrund der schweren Schmerzen wurde er unter anderem mit Opioiden behandelt. Der Mann leidet zudem an Appetit­lo­sigkeit und massiver Unterernährung. Im Jahr 2017 lag sein BMI bei 16. Im September 2018 wurde ihm eine Therapie mit Dronabinol zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs empfohlen. Die Krankenkasse lehnte die Versorgung wegen der Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis bei bereits vorliegender Suchterkrankung des Versicherten ab. Der junge Mann, der mittlerweile bei einer Körpergröße von 1,80 m nur noch 44 kg wiegt (BMI 13,6), bezieht Hartz IV und kann die Dronabinol-Therapie nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Er beantragte eine einstweilige gerichtliche Anordnung.

LSG: Gesetzliche Krankenkasse muss vorläufigen Versorgung des Versicherten mit Dronabinol übernehmen

Die Darmstädter Richter verpflichteten die Krankenkasse zur vorläufigen Versorgung des Versicherten mit Dronabinol für einen Zeitraum von einem Jahr. Es sei zwar vorliegend nicht geklärt, ob eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe bzw. eine solche nicht zur Anwendung kommen könne. Ebenso sei die Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krank­heits­verlauf unsicher. Insoweit seien im gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren entsprechende Ermittlungen durchzuführen.

Körperliche Unversehrtheit überwiegt gegenüber dem wirtschaft­lichen Interesse der Krankenkasse

Bei der im gerichtlichen Eilverfahren erforderlichen Folgenabwägung überwiege vorliegend jedoch das grundrechtlich besonders geschützte Rechtsgut auf körperliche Unversehrtheit des lebens­be­drohlich unter­ge­wichtigen Versicherten gegenüber dem Interesse der Krankenkasse auf eine wirtschaftliche Kranken­be­handlung. Der behandelnde Arzt habe zudem ausgeführt, dass die bereits während einiger Monate mittels Privatrezept durchgeführte Dronabinol-Behandlung eine Reduktion der Schmerzen sowie insbesondere eine Gewichtzunahme bei dem Versicherten bewirkt habe. Es solle daher ein Behand­lungs­versuch über einen längeren Zeitraum erfolgen, damit die Wirkung der Dronabinol-Therapie auf den Krank­heits­verlauf bzw. die schwerwiegenden Symptome beurteilt werden könne.

Quelle: Landessozialgericht Hessen, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss27703

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI