24.11.2024
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Dokument-Nr. 10927

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil20.01.2011

Verkürzter gymnasialer Bildungsgang: Abschluss­zeugnis der 9. Klasse beinhaltet keinen Anspruch auf Ausstellung eines Realschul­ab­schluss-ZeugnissesFür Zuerkennung des mittleren Abschlusses muss Jahrgangsstufe 10 beendet werden

Das Zeugnis nach Abschluss der 9. Klasse mit dem ein Schüler im Rahmen des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs (G8) in die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe versetzt wird, berechtigt nicht zur Ausstellung eines Zeugnisses über den Erwerb des mittleren Abschlusses (Realschul­ab­schluss). Dies entschied der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Streitfall wies das Verwal­tungs­gericht Frankfurt die Klage eines Schülers ab, der das Land Hessen verpflichtet sehen wollte, ihm aufgrund der Versetzung in die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe im Rahmen des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs nach Abschluss der 9. Klasse ein Zeugnis über den Erwerb des mittleren Abschlusses (Realschul­ab­schluss) auszustellen.

Schüler erreicht Voraussetzungen für Gleichstellung mit mittlerem Abschluss

Der Kläger besuchte bis zur Jahrgangsstufe 9 ein hessisches Gymnasium. Er absolvierte den verkürzten gymnasialen Bildungsgang (G8) und erhielt nach Abschluss der 9. Klasse ein Zeugnis, wonach er in die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe versetzt ist. Zudem erhielt er ein Beiblatt zu diesem Zeugnis, wonach er die Sekundarstufe I im verkürzten gymnasialen Bildungsgang erfolgreich absolviert und die curricularen Voraussetzungen für die Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss erreicht habe, der in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz nach dem erfolgreichen Besuch der folgenden aufsteigenden Jahrgangsstufe zuerkannt werde.

Schüler beantragt Aushändigung eines Zeugnisses über den Erwerb des mittleren Abschlusses

Die Bevoll­mäch­tigten des Kläger beantragten beim Staatlichen Schulamt für den Landkreis Groß-Gerau und den Main-Taunus-Kreis, dem Schüler ein Zeugnis über den Erwerb des mittleren Abschlusses (Realschul­ab­schluss) auszuhändigen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Schüler im verkürzten gymnasialen Bildungsgang (G8) den Schülern des herkömmlichen gymnasialen Bildungsgangs (G9) gleichzustellen seien, die nach der 10. Jahrgangsstufe den mittleren Abschluss verliehen bekämen. Die G8-Schüler würden hinsichtlich des Ausbil­dungs­standes und des Ausbil­dungs­levels das Gleiche leisten wie die G9-Schüler. Würde ihnen der mittlere Abschluss nicht zuerkannt, verletze dies den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

Für mittleren Bildungs­ab­schluss sind weiterhin zehn Schuljahre verpflichtend

Das Staatliche Schulamt lehnte diesen Antrag ab. Nach § 60 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschluss­prüfung in der Mittelstufe in der Fassung vom 11. November 2009 (VOBGM) müsse für die Zuerkennung des mittleren Abschlusses die Jahrgangsstufe 10 beendet sein. Dies habe sich durch die zwischen­zeitliche Einführung des gymnasialen Bildungsganges in acht Jahren nicht geändert. Der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, die Jahrgangsstufen insofern anzupassen. Auch nach der Beschlusslage der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz seien für den mittleren Bildungs­ab­schluss zehn Schuljahre verpflichtend. Auf die Ablehnung dieses Antrages und eines dagegen gerichteten Widerspruchs erhob er Klage vor dem Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main.

Schüler sieht Gleich­heits­grundsatz verletzt

Zur Begründung der Klage ergänzte der Schüler seinen Vortrag aus dem Verwal­tungs­ver­fahren dahin, dass die G8- und die G9-Schüler eine niveau-gleiche Ausbildung durchliefen und die gleiche Berechtigung, die Zulassung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe, erreichen würden. Ihnen müsste deshalb mit der Zuerkennung des mittleren Abschlusses auch der gleiche Abschluss gewährt werden. Andernfalls sei der Gleich­heits­grundsatz verletzt.

Kein Anspruch auf Zuerkennung des mittleren Abschlusses

Die Klage wurde abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Zuerkennung des mittleren Abschlusses (Realschul­ab­schluss) zustehe und er deshalb auch kein entsprechendes Jahreszeugnis/Abgangszeugnis erhalten könne. Dies schließe die in Hessen geltende Rechtslage aus. Nach § 60 Abs. 1 VOBGM werde der mittlere Abschluss am Ende der Jahrgangsstufe 10 erteilt. In Übereinstimmung hiermit werde das Zeugnis von Schülern, die die Jahrgangsstufe 5-10 des Gymna­si­a­l­zweiges absolviert haben, mit der Versetzung in die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe dem mittleren Abschluss gleichgestellt (§ 39 Abs. 2 Satz 1 VOBGM). Eine Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss erfolge bei Schülern, die den verkürzten gymnasialen Bildungsgang (Jahrgangsstufen 5-9) absolviert haben, mit der Zulassung zur Quali­fi­ka­ti­o­nsphase der gymnasialen Oberstufe (§ 39 Abs. 2 Satz 2 VOBGM), weil diese Schüler dann ebenfalls zehn Schuljahre besucht haben.

Gleichstellung mit mittlerem Abschluss für G8-Schüler bereits nach dem 9. Schuljahr aus Gründen der Gleich­be­handlung nicht geboten

Diese Rechtslage verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Gleich­heits­grundsatz des Grundgesetzes. Schüler, die den gymnasialen Bildungsgang absolvierten, erwürben den mittleren Abschluss nicht als originären Abschluss, sondern es erfolge nur eine Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss, der seit jeher erst am Ende der 10. Jahrgangsstufe erteilt werde. Dies sei in allen Bundesländern so und entspreche der ständigen Beschlusslage der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz. Es sei aus Gründen der Gleich­be­handlung nicht geboten, diese Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss für G8-Schüler bereits nach dem 9. Schuljahr vorzunehmen. Denn neben dem erreichten Ausbil­dungsstand sei bei dem mittleren Abschluss, mit dem Schüler aus der gymnasialen Laufbahn gleichgestellt werden, eben auch die zeitliche Komponente von Bedeutung; der mittlere Abschluss werde aber seit jeher erst am Ende der 10. Jahrgangsstufe erreicht. Es sei schließlich nachvollziehbar, dass Hessen sich an die Beschlüsse der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz halte, denn es sei nicht sinnvoll, wenn Abschlüsse und Berechtigungen in verschiedenen Bundesländern auseinander fielen und z. B. ein mittlerer Abschluss aus Hessen in allen anderen Bundesländern nicht anerkannt würde.

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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