21.11.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil09.06.2015

Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist auch mit Aufenthalts­gestattung möglichAmtlicher Nachweis über Tag und Ort der Geburt muss nicht ausdrücklich durch Urkunden wie Geburtsurkunde oder Personalausweis nachgewiesen werden

Eine von der Auslän­der­behörde nach dem Asyl­verfahrens­gesetz ausgestellte Aufenthalts­gestattung ist ein für die Beantragung einer Fahrerlaubnis ausreichender amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt des Fahr­erlaubnis­bewerbers. Dies entschied der Hessische Verwaltungs­gerichts­hof.

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Asylbewerber, der im Jahr 2009 aus seiner Heimat Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Er besitzt keine amtlichen Nachweise seines Heimatlandes über Tag und Ort seiner Geburt. Über die Durchführung seines - noch nicht abgeschlossenen - Asylverfahrens hat ihm die Auslän­der­behörde eine sogenannte Aufent­halts­ge­stattung nach den Bestimmungen des Asylver­fah­rens­ge­setzes ausgestellt. Dieses Dokument enthält den Vermerk, dass die daraus ersichtlichen Angaben zur Person auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen.

Aufent­halts­ge­stattung nach Auffassung des Landkreises nicht Ausreichend für Erteilung einer Fahrerlaubnis

Im Januar 2013 stellte der Kläger bei der Fahrer­laub­nis­behörde des Main-Kinzig-Kreises den Antrag, ihm den Erwerb der Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklasse B auch ohne einen unmittelbaren Nachweis seines Heimatlandes über seine Abstammung und Herkunft zu gestatten und eine von ihm abzugebende entsprechende eidesstattliche Versicherung über Ort und Tag seiner Geburt anzuerkennen. Diesen Antrag lehnte der Main-Kinzig-Kreis mit der Begründung ab, eine Aufent­halts­ge­stattung genüge nicht den Anforderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung, nach denen dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis u. a. ein amtlicher Nachweis über Tag und Ort der Geburt des Bewerbers beizufügen sei. Solche Nachweise könnten nur eine Geburtsurkunde, eine Abschrift des Famili­en­stammbuchs, ein Personalausweis oder ein Reisepass sein.

VG verpflichtet Landkreis zur Erteilung der Fahrerlaubnis

Gegen die Ablehnung seines Antrages hat der Kläger vor dem Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main erfolgreich Klage erhoben. Mit Urteil vom 28. Februar 2014 hat das Verwal­tungs­gericht den Main-Kinzig-Kreis verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B auf der Grundlage der Bescheinigung über die Aufent­halts­ge­stattung als Identi­täts­nachweis stattzugeben, sofern die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, wie z. B. das Bestehen der theoretischen und praktischen Fahrer­laub­nis­prüfung vorliegen.

Aufent­halts­ge­stattung nach dem Asylver­fah­rens­gesetz kann für Erteilung der Fahrerlaubnis ausreichend sein

Die Berufung des Main-Kinzig-Kreises gegen dieses erstin­sta­nzliche Urteil blieb ohne Erfolg. Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat die Berufung des Kreises zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Forderung des Kreises, dass der amtliche Nachweis über Tag und Ort der Geburt eines Fahrer­laub­nis­be­werbers ausdrücklich durch Urkunden wie eine Geburtsurkunde, eine beglaubigte Abschrift des Famili­en­stammbuchs, einen Personalausweis oder einen Reisepass geführt werden müsse, weder durch den Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung gedeckt noch nach Sinn und Zweck dieser Vorschriften erforderlich sei. Vielmehr könnten im Einzelfall auch amtliche Dokumente wie eine Aufent­halts­ge­stattung nach dem Asylver­fah­rens­gesetz ausreichend sein.

Aufent­halts­ge­stattung mit Lichtbild zur Vorstellung bei der theoretischen und praktischen Fahrprüfung ausreichend

Die Übernahme von Daten über Tag und Ort der Geburt aus einer Aufent­halts­ge­stattung in das Bundes­zen­tra­l­re­gister, das Verkehrs­zen­tra­l­re­gister und das Fahreig­nungs­re­gister bewirkten, dass die betreffende Person aufgrund dieser Regis­te­r­ein­tra­gungen eindeutig identifiziert werden könne und eine spätere Veränderung der dort stehenden Daten grundsätzlich ausgeschlossen sei. Damit werde dem Zweck der Register genügt, den Fahrer­laub­nis­inhaber eindeutig identifizieren und später auftretende etwaige Eignungs­be­denken dieser Person zuordnen zu können. Eine Aufent­halts­ge­stattung mit Lichtbild genüge des Weiteren auch zur Vorstellung bei der theoretischen und bei der praktischen Fahrprüfung.

In Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung ausschließlich genannter Personalausweis und Reisepass ist als Redak­ti­o­ns­fehler anzusehen

Soweit im Wortlaut der hierfür einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung ausschließlich der Personalausweis und der Reisepass aufgeführt seien, handelt es sich nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs um ein Redak­ti­o­ns­versehen des Verord­nungs­gebers. Es könne nämlich nicht angenommen werden, dass der Verord­nungsgeber alle Personen, die nicht die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzen, nicht über einen Personalausweis oder einen Reisepass verfügen, also insbesondere auch diejenigen Ausländer, die ihrer Ausweispflicht nach den Bestimmungen des Aufent­halts­ge­setzes genügen, von vornherein von der Ablegung einer theoretischen und praktischen Fahrprüfung ausschließen zu wollen. Das für eine Aufent­halts­ge­stattung nach dem Asylver­fah­rens­gesetz vorgeschriebene Lichtbild würde auch im Regelfall ausreichen, um einen Prüfer von der Identität eines Fahrer­laub­nis­be­werbers zu überzeugen.

§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung lautet:

"Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:

1. Ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt, [...]"

§ 16 Abs. 3 Satz 3 und § 17 Abs. 5 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung über die theoretische und praktische Fahrprüfung lauten:

"Der Sachverständige oder Prüfer hat sich vor der Prüfung durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass von der Identität des Bewerbers zu überzeugen."

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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