Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Asylbewerber, der im Jahr 2009 aus seiner Heimat Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Er besitzt keine amtlichen Nachweise seines Heimatlandes über Tag und Ort seiner Geburt. Über die Durchführung seines - noch nicht abgeschlossenen - Asylverfahrens hat ihm die Ausländerbehörde eine sogenannte Aufenthaltsgestattung nach den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes ausgestellt. Dieses Dokument enthält den Vermerk, dass die daraus ersichtlichen Angaben zur Person auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen.
Im Januar 2013 stellte der Kläger bei der Fahrerlaubnisbehörde des Main-Kinzig-Kreises den Antrag, ihm den Erwerb der Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklasse B auch ohne einen unmittelbaren Nachweis seines Heimatlandes über seine Abstammung und Herkunft zu gestatten und eine von ihm abzugebende entsprechende eidesstattliche Versicherung über Ort und Tag seiner Geburt anzuerkennen. Diesen Antrag lehnte der Main-Kinzig-Kreis mit der Begründung ab, eine Aufenthaltsgestattung genüge nicht den Anforderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung, nach denen dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis u. a. ein amtlicher Nachweis über Tag und Ort der Geburt des Bewerbers beizufügen sei. Solche Nachweise könnten nur eine Geburtsurkunde, eine Abschrift des Familienstammbuchs, ein Personalausweis oder ein Reisepass sein.
Gegen die Ablehnung seines Antrages hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erfolgreich Klage erhoben. Mit Urteil vom 28. Februar 2014 hat das Verwaltungsgericht den Main-Kinzig-Kreis verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B auf der Grundlage der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung als Identitätsnachweis stattzugeben, sofern die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, wie z. B. das Bestehen der theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung vorliegen.
Die Berufung des Main-Kinzig-Kreises gegen dieses erstinstanzliche Urteil blieb ohne Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Kreises zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Forderung des Kreises, dass der amtliche Nachweis über Tag und Ort der Geburt eines Fahrerlaubnisbewerbers ausdrücklich durch Urkunden wie eine Geburtsurkunde, eine beglaubigte Abschrift des Familienstammbuchs, einen Personalausweis oder einen Reisepass geführt werden müsse, weder durch den Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung gedeckt noch nach Sinn und Zweck dieser Vorschriften erforderlich sei. Vielmehr könnten im Einzelfall auch amtliche Dokumente wie eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz ausreichend sein.
Die Übernahme von Daten über Tag und Ort der Geburt aus einer Aufenthaltsgestattung in das Bundeszentralregister, das Verkehrszentralregister und das Fahreignungsregister bewirkten, dass die betreffende Person aufgrund dieser Registereintragungen eindeutig identifiziert werden könne und eine spätere Veränderung der dort stehenden Daten grundsätzlich ausgeschlossen sei. Damit werde dem Zweck der Register genügt, den Fahrerlaubnisinhaber eindeutig identifizieren und später auftretende etwaige Eignungsbedenken dieser Person zuordnen zu können. Eine Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild genüge des Weiteren auch zur Vorstellung bei der theoretischen und bei der praktischen Fahrprüfung.
Soweit im Wortlaut der hierfür einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung ausschließlich der Personalausweis und der Reisepass aufgeführt seien, handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs um ein Redaktionsversehen des Verordnungsgebers. Es könne nämlich nicht angenommen werden, dass der Verordnungsgeber alle Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nicht über einen Personalausweis oder einen Reisepass verfügen, also insbesondere auch diejenigen Ausländer, die ihrer Ausweispflicht nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes genügen, von vornherein von der Ablegung einer theoretischen und praktischen Fahrprüfung ausschließen zu wollen. Das für eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz vorgeschriebene Lichtbild würde auch im Regelfall ausreichen, um einen Prüfer von der Identität eines Fahrerlaubnisbewerbers zu überzeugen.
"Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
1. Ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt, [...]"
"Der Sachverständige oder Prüfer hat sich vor der Prüfung durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass von der Identität des Bewerbers zu überzeugen."
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.06.2015
Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online