23.11.2024
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Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil15.02.2010

OLG Hamburg: Schon Betrachten kinderpor­no­gra­phischer Internet-Seiten ist strafbarStrafbarkeit entsteht nicht erst durch manuelles Abspeichern einer Datei auf dem Computer

Ein Internet-Nutzer, der sich Besitz an Dateien mit kinderpor­no­gra­phischem Inhalt verschafft, der bewusst und gewollt eine Internetseite mit solchem Inhalt aufruft und auf seinem Compu­ter­bild­schirm betrachtet, macht sich strafbar. Die Strafbarkeit setze nicht voraus, dass der Nutzer – wie in der Praxis nur erschwert beweisbar – die Datei manuell auf seinem Computer abspeichern will oder Kenntnis von einer automatischen Abspeicherung im so genannten Internet-Cache seines Computers hat. Dies geht aus einem Grundsatzurteil des Oberlan­des­ge­richts Hamburg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht Hamburg-Harburg den Angeklagten von dem Anklagevorwurf, in 16 Fällen es unternommen zu haben, sich Besitz an Dateien mit kinderpor­no­gra­phischem Inhalt zu verschaffen, freigesprochen. Es hatte festgestellt, dass der Angeklagte die Dateien gezielt im Internet aufgerufen und auf dem Bildschirm seines Computers betrachtet habe, ohne eine Speicherung zu bezwecken; von der automatischen Speicherung im so genannten Internet-Cache habe er keine Kenntnis gehabt. Diesen Sachverhalt hat das Amtsgericht als nicht strafbar angesehen, weil es an einem Besitz der Dateien fehle.

Besitzbegriff bedarf einer erweiternden Auslegung

Auf die Sprungrevision der Staats­an­walt­schaft hat das Hanseatische Oberlan­des­gericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zu neuer Verhandlung zurückverwiesen. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, dass der zu körperlichen Gegenständen wie Videokassetten und Schriften entwickelte Besitzbegriff des § 184 b Abs. 4 StGB einer erweiternden Auslegung bedarf, um dem Gesetzeszweck und dem Willen des Gesetzgebers auch bei unkörperlichen Gegenständen wie einer Internet- oder Computerdatei zu genügen.

Besitzbegriff muss auf "unkörperliche Gegenstände" wie Internetdateien ausgeweitet werden

Bekämpft werden soll unter weit nach vorn verlagerter Strafbewehrung der schon im Aufrufen einer einschlägigen Internetseite liegende Konsum kinderpor­no­gra­phischer Darstellungen, weil schon dieser einen Anreiz für die kommerziellen Anbieter schafft, bei der Produktion derartiger Bilder und Videofilme Kinder zu missbrauchen. Die dem Besitz eigentümliche Herrschaftsmacht hat der Nutzer bereits dadurch, dass es in seinem Belieben steht, nach Aufruf die Dateien zu speichern, zu kopieren und zu verbreiten. Dass diese Herrschaftsmacht nach Aufruf zum bloßen Betrachten regelmäßig nur kurz ist, ergibt sich aus der dem Medium Internet typischen Schnelligkeit. In Anpassung daran den Besitzbegriff zu modifizieren, überschreitet nicht die Grenze des Wortsinns, die der Auslegung des Gesetzes durch das im Grundgesetz verankerte Gebot zur Bestimmtheit eines Straf­tat­be­standes gezogen ist. Mit der 1997 geschaffenen gesetzlichen Gleichstellung von „Datenspeichern“ mit Schriften in § 11 Abs. 3 StGB, auf den § 184 b Abs. 4 StGB ausdrücklich verweist, ist dem Bürger hinreichend erkennbar geworden, dass der Besitzbegriff des § 184 b Abs. 4 StGB in einer auch unkörperliche, aus dem Internet herun­ter­ge­ladene Dateien erfassenden Weise zu verstehen ist.

Quelle: ra-online, OLG Hamburg

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