21.11.2024
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Gericht der Europäischen Union Urteil24.09.2015

Europäisches Amt für Personalauswahl darf Auswahl­ver­fahren nicht auf bestimmte Sprachen beschränkenEuG erklärt Bekannt­ma­chungen von Auswahl­ver­fahren wegen Diskriminierung für nichtig

Das Gericht der Europäischen Union hat drei Bekannt­ma­chungen von Auswahl­ver­fahren für nichtig erklärt, mit denen die Bewerber verpflichtet wurden, Deutsch, Englisch oder Französisch als zweite Sprache und als Sprache der Kommunikation mit dem Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) zu wählen.

Im Dezember 2012 und im Januar 2013 veröffentlichte das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) drei Bekannt­ma­chungen von allgemeinen Auswahlverfahren zur Bildung von Einstel­lungs­re­serven im Amtsblatt der Europäischen Union*. Diese Bekannt­ma­chungen verlangten von den Bewerbern die gründliche Kenntnis einer ersten Sprache unter den Amtssprachen der Europäischen Union (seinerzeit 23) sowie eine ausreichende Kenntnis einer zweiten Sprache, die von jedem Bewerber unter Deutsch, Englisch oder Französisch zu wählen war. Die gewählte zweite Sprache war für die Korrespondenz zwischen dem EPSO und den Bewerbern sowie für das Ausle­se­ver­fahren und die Prüfungen des Auswahl­ver­fahrens zu verwenden. In den Bekannt­ma­chungen hieß es, dass diese Beschränkung u. a. im Interesse des Dienstes festgelegt worden sei, damit die Bewerber unmittelbar nach ihrer Einstellung in der Lage wären, ihre Aufgaben zu erfüllen und bei ihrer täglichen Arbeit effizient zu kommunizieren, da anderweitig das reibungslose Funktionieren der Organe erheblich beeinträchtigt wäre.

Italien und Spanien beantragen Nichtigkeit der Bekannt­ma­chungen wegen Diskriminierung

Italien und Spanien beantragen beim Gericht der Europäischen Union, die fraglichen Bekannt­ma­chungen der Auswahl­ver­fahren für nichtig zu erklären. Diese beiden Mitgliedstaaten gehen im Wesentlichen davon aus, dass die Bekannt­ma­chungen diskriminierend seien und sowohl gegen die in der „Verordnung Nr. 1“ von 1958** vorgesehene Sprachen­re­gelung der Union als auch gegen den Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz verstießen. Italien und Spanien beanstanden die den Bewerbern auferlegte Verpflichtung, Deutsch, Englisch oder Französisch nicht nur als Sprache für die Kommunikation mit dem EPSO, sondern auch als zweite Sprache für die betreffenden Auswahl­ver­fahren zu wählen.

Beschränkung stellt Diskriminierung dar

Mit seinem Urteil erklärt das Gericht der Europäischen Union die angefochtenen Bekannt­ma­chungen der Auswahl­ver­fahren für nichtig. Zur Beschränkung der Sprachen, die für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO verwendet werden können, trägt Italien vor, dass die europäischen Bürger das Recht hätten, sich in einer beliebigen der 23 Amtssprachen der Union an deren Organe zu wenden, und dass sie das Recht hätten, die Antworten der Organe in derselben Sprache zu erhalten. Daher stelle die fragliche Beschränkung eine Diskriminierung zum Nachteil der Bürger dar, deren offizielle Sprache nicht Deutsch, Englisch oder Französisch sei. Spanien ergänzt, dass diese Beschränkung allen Bewerbern, deren erste Sprache eine der drei genannten Sprachen sei, in der Praxis einen Wettbe­wer­bs­vorteil verschaffen würde.

Bewerber müssen bei Abfassung der Bewer­bungs­un­terlagen unter allen Amtssprachen wählen können

Unter Verweis auf ein Urteil des Gerichtshofs zu diesem Thema (EuGH, Urteil v. 27. November 2012, - C-566/10 P -) unterstreicht das Gericht, dass die Organe zwar in ihren Geschäfts­ord­nungen festlegen können, wie die Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden sei, die von den angefochtenen Bekannt­ma­chungen betroffenen Organe von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht haben, wobei die Bekannt­ma­chungen der Auswahl­ver­fahren jedenfalls nicht als Geschäfts­ord­nungen angesehen werden können. Da es in diesem Bereich keine anderen Bestimmungen gibt, fallen die Beziehungen zwischen den Organen und ihren Beamten und Bediensteten somit in den Anwen­dungs­bereich der Verordnung Nr. 1. Das Gleiche gilt für die Beziehungen zwischen den Organen und den Bewerbern eines externen Auswahl­ver­fahrens, die grundsätzlich weder Beamte noch Bedienstete sind. Im Unterschied zum Harmo­ni­sie­rungsamt für den Binnenmarkt (HABM) unterliegen die von den angefochtenen Bekannt­ma­chungen betroffenen Organe keiner besonderen Sprachen­re­gelung. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die angefochtenen Bekannt­ma­chungen aufgrund der Tatsache, dass sie die Korrespondenz mit dem EPSO auf die drei genannten Sprachen beschränken, gegen die Verordnung Nr. 1 verstoßen. Dieser Grund ist für sich genommen ausreichend, um die Nichti­g­er­klärung der drei Bekannt­ma­chungen zu rechtfertigen, ohne dass es notwendig wäre, zu prüfen, ob diese zu einer verbotenen Diskriminierung aufgrund der Sprache führen. Das Gericht stellt daher fest, dass der Bewerber das Recht hat, die Sprache zur Abfassung seiner Bewerbung unter allen Amtssprachen zu wählen und dass die vom EPSO versandte Korrespondenz in der vom Bewerber gewählten Sprache zu verfassen ist. Entgegen dem Vortrag der Kommission ermöglicht es die Verwendung einer der drei Sprachen durch einen Bewerber, der es vorgezogen hätte, mit dem EPSO in einer anderen Amtssprache zu kommunizieren, nicht, die Klarheit und die Verständ­lichkeit der Korrespondenz zwischen dem EPSO und den Bewerbern sicherzustellen.

Verpflichtung zur Verwendung bestimmter Sprachen würde einzelne Bewerber begünstigen

Zur Verpflichtung der Bewerber, Deutsch, Englisch oder Französisch als zweite Sprache für das Auswahl­ver­fahren zu wählen, verweist das Gericht erneut auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der eine Beschränkung der Wahl auf eine begrenzte Anzahl von Sprachen eine Diskriminierung aufgrund der Sprache darstellt. Es ist nämlich offensichtlich, dass eine solche Verpflichtung es ermöglicht, bestimmte Bewerber zu begünstigen (nämlich diejenigen, die eine ausreichende Kenntnis mindestens einer der bezeichneten Sprachen besitzen), da sie an dem Auswahl­ver­fahren teilnehmen und somit als Beamte oder Bedienstete der Union eingestellt werden können, während andere, die eine solche Kenntnis nicht besitzen, ausgeschlossen sind. Das Gericht prüft die Begründung der Beschränkung in den angefochtenen Bekannt­ma­chungen, um festzustellen, ob diese gerechtfertigt werden kann.

Auch Bewerber ohne gewünschte Sprach­kenntnisse könnten unmittelbar nach Einstellung nützliche Arbeits­leis­tungen erbringen

Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei dem Vortrag, Deutsch, Englisch und Französisch seien u. a. unter Berück­sich­tigung der langjährigen Praxis der Unionsorgane im Bereich der für die interne Kommunikation verwendeten Sprachen die am häufigsten verwendeten Sprachen, um eine vage Behauptung, die durch keinerlei konkrete Angaben gestützt ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein neu eingestellter Beamter, der keine der Verkehrs- oder Beratungs­sprachen eines Organs beherrscht, nicht in der Lage wäre, unmittelbar nach seiner Einstellung eine nützliche Arbeitsleistung innerhalb des fraglichen Organs zu erbringen.

Verpflichtung zur Verwendung bestimmter Sprachen weder objektiv gerechtfertigt noch verhältnismäßig

Das Gericht weist darauf hin, dass die von der Kommission vorgelegten Statistiken eine Stützung des Vortrags zur Verwendung der Sprachen bei den europäischen Organen nicht ermöglichen. Im Hinblick auf die ebenfalls von der Kommission vorgelegten Statistiken zum Erlernen von Sprachen als Fremdsprachen in den Mitgliedstaaten der Union geht das Gericht davon aus, dass sie das Vorliegen einer Diskriminierung nicht ausschließen. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Kommission nicht bewiesen hat, dass die fragliche Beschränkung dem dienstlichen Interesse entspricht. Nach seiner Auffassung erweist sich die Verpflichtung der Bewerber, Deutsch, Englisch oder Französisch als zweite Sprache zu wählen im Hinblick auf den von der Kommission verfolgten Zweck, nämlich der Einstellung von unmittelbar einsatzfähigen Beamten und Bediensteten, weder als objektiv gerechtfertigt noch als verhältnismäßig.

Erläuterungen

* Es handelt sich um die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahl­ver­fahrens EPSO/AST/125/12 zur Bildung einer Einstel­lungs­reserve für Beamte der Funktionsgruppe Assistenz in den Fachgebieten Audit, Rechnungs­führung und Finanzen sowie Wirtschaft und Statistik (ABl. 2012, C 394 A, S. 1), die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahl­ver­fahrens EPSO/AST/126/12 zur Bildung einer Einstel­lungs­reserve für Beamte der Funktionsgruppe Assistenz in den Fachgebieten Biologie, Bio- und Gesund­heits­wis­sen­schaften, Chemie, Physik und Werkstoffkunde, Kernforschung, Bauin­ge­ni­eu­rwesen und Maschinenbau sowie Elektrotechnik und Elektronik (ABl. 2012, C 394 A, S. 11) und die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahl­ver­fahrens EPSO/AD/248/13 zur Bildung einer Einstel­lungs­reserve für Beamte der Funktionsgruppe Administration (AD 6) in den Fachgebieten Gebäu­de­si­cherheit und Gebäudetechnik (ABl. 2013, C 29 A, S. 1).

** Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschafts­ge­mein­schaft (ABl. 17, S. 385) in geänderter Fassung.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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