18.10.2024
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Arbeitsgericht Hamburg Urteil26.01.2010

Kein Sprachtest per Telefon - Deutsch­kenntnisse eines ausländischen Bewerbers für eine Stelle als Postzusteller können nicht per kurzem Telefonat hinreichend geprüft werdenMittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft durch die Ausgestaltung des Auswahl­ver­fahrens

Ein kurzes Telefonat reicht nicht aus, um die Deutsch­kenntnisse eines ausländischen Stellen­be­werbers zu testen. Dies hat das Arbeitsgericht Hamburg entschieden. Es verurteilte die Deutsche Post zur Zahlung von mehreren Tausend Euro Schadensersatz, weil sie einen Afrikanischer ablehnte, der sich auf eine Stelle als Postzusteller beworben hatte.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat ein Unternehmen der Postbranche zur Zahlung von Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetz an einen in der Elfenbeinküste geborenen Stellenbewerber verurteilt. Das Arbeitsgericht sieht in der Ausgestaltung des Auswahl­ver­fahrens für Postzusteller durch das Unternehmen einen Verstoß gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft (§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AGG).

Sachverhalt

Die Beklagte suchte Postzusteller, die laut Stelle­n­aus­schreibung die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen sollten. Der Kläger, dessen Muttersprache Französisch ist, bewarb sich bei der Beklagten.

Erstkontakt per Telefon

Bei Bewerbungen dieser Art nimmt die Beklagte üblicherweise den Erstkontakt über das Telefon auf. Auch der Kläger wurde aufgrund seiner Bewerbung von einer Mitarbeiterin der Beklagten angerufen, die ihn fragte, ob er Fahrrad fahren könne. Da die Mitarbeiterin bei dem Telefongespräch zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger sich nicht ansprechend klar und deutlich in deutscher Sprache auszudrücken vermochte, wurde die Bewerbung des Klägers abgelehnt.

Gericht sieht mittelbare Benachteiligung des Bewerbers

In der Vorgehensweise der Beklagten liegt eine mittelbare Benachteiligung von Bewerbern, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Denn für Angehörige anderer Ethnien ist es typischerweise schwerer als für mutter­sprachlich deutsche Bewerber, bei dem telefonischen Erstkontakt ein ansprechend klares und deutliches Ausdrucks­vermögen in deutscher Sprache zu zeigen.

Auswahl­ver­fahren ist weder geeignet noch erforderlich

Das von der Beklagten angewandte Auswahlverfahren ist nicht durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt (§ 3 Abs. 2 AGG). Das Verfahren ist weder geeignet noch erforderlich um zu ermitteln, ob ein Bewerber die für die Tätigkeit eines Postzustellers erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift mitbringt.

Kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Beurtei­lungs­grundlage

Denn zum einen ist ein kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Grundlage, um die sprachlichen Fähigkeiten des Bewerbers festzustellen. Zum anderen ist das von der Beklagten herangezogene Auswahl­kri­terium - nämlich das ansprechend klare und deutliche Ausdrucks­vermögen in deutscher Sprache (am Telefon) - für die zu besetzende Stelle eines Postzustellers nicht angemessen. Erforderlich für einen Postzusteller ist lediglich eine für die Kunden­kom­mu­ni­kation und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und den Kollegen hinreichende Sprachkenntnis in Wort und Schrift.

Quelle: ra-online, Arbeitsgericht Hamburg

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