21.11.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Beschluss07.02.2015

Hersteller manipulierbarer Kassensysteme haften persönlich für hinterzogene Steuern ihrer KundenKassensystem ausdrücklich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauf

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat im Eilverfahren entschieden, dass der Geschäftsführer einer Firma, die Kassensysteme nebst Manipulations­soft­ware herstellt und vertreibt, für die Steuern haftet, die ein Kunde hinterzogen hat (hier rund 1,6 Millionen Euro).

Der Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens ist Geschäftsführer einer GmbH, die Kassensysteme herstellt und vertreibt. Im November 2002 erwarb der Inhaber eines Eiscafés ein Kassensystem, das neben diverser Hardware auch eine Software zur Manipulation der im Kassensystem erfassten Daten umfasste.

Kassensystem wurde zusammen mit Manipu­la­ti­o­ns­software vom Hersteller verkauft

Bei einer Außen- und Steuer­fahn­dungs­prüfung bei dem Café-Inhaber wurden Manipulationen an den im Kassensystem erfassten Daten seit mindestens Dezember 2003 festgestellt, die zu einer erheblichen Minderung der tatsächlich erzielten Umsätze führten. In dem Steuer­straf­ver­fahren vor dem Landgericht Koblenz räumte der Mann die Manipulationen in vollem Umfang ein. Er gab an, dass ihm der Antragsteller das Kassensystem verkauft und ihn auch in die Benutzung der Manipu­la­ti­o­ns­software eingewiesen habe. Dabei sei ihm versichert worden, die Software könne völlig risikolos eingesetzt werden. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Café-Inhaber wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil und die entsprechend geänderten Steuer­fest­set­zungen wurden bestands- bzw. rechtskräftig.

Finanzamt nimmt Geschäftsführer für Steuer­rück­stände des Café-Inhabers in Haftung

Anschließend wurde gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuer­hin­ter­ziehung eingeleitet. Darüber hinaus erließ das Finanzamt einen Haftungs­be­scheid, mit dem der Antragsteller für die Steuer­rück­stände des Café-Inhabers (seinerzeit rund 2,8 Mio. Euro) in Haftung genommen wurde, weil der Café-Inhaber die hinterzogenen Beträge nicht entrichtet und keine der Vollstre­ckungs­maßnahme bislang nennenswerten Erfolg gehabt hatte.

Geschäftsführer hatte nach eigener Aussage keine Kenntnis von der Manipu­la­ti­o­ns­software

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller beim Finanzamt Einspruch ein. Er behauptete, das Manipu­la­ti­o­ns­programm habe ein Mitarbeiter entwickelt, er selbst habe keine Kenntnis von der Manipu­la­ti­o­ns­software gehabt. Sie sei so versteckt gewesen, dass selbst die Steuerfahnder sie bei der ersten Durchsuchung nicht entdeckt hätten. Er - der Antragsteller - habe nur im Vertrieb ausgeholfen und habe dem Café-Inhaber auch nicht in die Benutzung der Manipu­la­ti­o­ns­software eingewiesen. Bei den Aussagen des Café-Inhabers handele es sich um Schutz­be­haup­tungen, um eine Strafmilderung zu erreichen. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Rückstände vom Vollstre­ckungs­schuldner nicht hätten beigetrieben werden können. Der Café-Inhaber verfüge über Grundvermögen und Bankguthaben im Ausland.

Mit Einspruch­s­ent­scheidung vom 26. Juni 2014 änderte das Finanzamt den angefochtenen Haftungs­be­scheid und minderte die Haftungssumme auf rund 1,6 Mio. Euro, da in der Zwischen-zeit bei dem Café-Inhaber Gelder eingetrieben werden konnten.

Geschäftsführer hält Haftungs­be­scheid für rechtswidrig

Im Juli 2014 hat der Antragsteller Klage erhoben und anschließend einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung machte er geltend, der Haftungs­be­scheid sei rechtswidrig, außerdem würde die sofortige Vollziehung des angefochtenen Haftungs­be­scheids eine unbillige Härte für ihn bedeuten. Weder er selbst noch die GmbH würden über ausreichend Liquidität verfügen, um in Vorleistung treten und den geforderten Betrag (rd. 1,6 Mio. Euro) zahlen zu können.

Geschäftsführer leistete objektiv und subjektiv Beihilfe zur Steuer­hin­ter­ziehung des Café-Inhabers

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz lehnte den Eilantrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus, dass nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie präsenten Beweismitteln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungs­be­scheids keine ernstlichen Zweifel bestünden. Wer eine Steuer­hin­ter­ziehung begehe oder an einer solchen Tat teilnehme, hafte nach § 71 Abgabenordnung (AO) für die verkürzten Steuern und könne gemäß § 191 AO durch Haftungs­be­scheid in Anspruch genommen werden. Aufgrund des Geständnisses und der rechtskräftigen Verurteilung des Café-Inhabers durch das Landgericht Koblenz sei das Finanzamt zutreffend davon ausgegangen, dass der Café-Inhaber die streit­be­fangenen Steuern hinterzogen habe. Zu dieser Steuer­hin­ter­ziehung des Café-Inhabers habe der Antragsteller objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit i.S. von § 71 AO an dessen Tat teilgenommen. Er habe das mit der Manipu­la­ti­o­ns­software verbundene Kassensystem als Geschäftsführer der GmbH an den Café-Inhaber verkauft. Dies belege die Rechnung der GmbH, die den Antragsteller als Bearbeiter ausweise. Es sei nicht entscheidend, wann genau und durch wen die Installation und Einweisung in das Programm erfolgt seien und ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter die Manipu­la­ti­o­ns­software entwickelt habe. Die Beihilfe zur Steuer­hin­ter­ziehung bestehe im Streitfall vielmehr darin, dass der Antragsteller ein komplettes System an den Café-Inhaber verkauft habe, und zwar mit dem Wissen, welche Möglichkeiten dieses System biete, und mit dem Ziel, dem Café-Inhaber eine Steuerverkürzung zu ermöglichen. Der Antragsteller habe das Kassensystem ausdrücklich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauft.

Kein Fehlverhalten als Geschäftsführer der GmbH sondern vorsätzliche Beteiligung an fremder Steuer­hin­ter­ziehung

Wenn das Finanzamt einen vorsätzlich Beihilfe zur Steuer­hin­ter­ziehung leistenden Gehilfen als Haftenden in Anspruch nehme, sei dies regelmäßig eine ermes­sens­ge­rechte Entscheidung, und zwar unabhängig von der Höhe der Haftungsschuld und/oder den finanziellen Möglichkeiten des Gehilfen. Die Haftungsnorm (§ 71 AO) habe nämlich Schaden­er­satz­cha­rakter und solle eine Schaden­s­er­satz­pflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen. Der Antragsteller werde hier nicht für sein Fehlverhalten als Geschäftsführer der GmbH in Anspruch genommen, sondern für die vorsätzliche Beteiligung an einer fremden Steuer­hin­ter­ziehung.

Keine Aussetzung der Vollziehung des Haftungs­be­scheides wegen unbilliger Härte

Auch eine Aussetzung der Vollziehung des Haftungs­be­scheides wegen unbilliger Härte komme nicht in Betracht, denn auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte sei eine Aussetzung der Vollziehung nur möglich, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuer­be­scheides nicht ausgeschlossen werden könnten. Dies sei hier – wie dargelegt – nicht der Fall.

Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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