18.10.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil29.03.2011

Einkom­men­steu­e­r­er­klärung: Falsche Kilometer-Angaben können als Steuer­hin­ter­ziehung gewertet werdenFG Rheinland-Pfalz zu den steuerlichen Folgen bei überhöhten Entfer­nungs­angaben

Gibt jemand in der Einkom­men­steu­e­r­er­klärung falsche, überhöhte Entfer­nungs­ki­lometer für die Strecke zwischen Wohn- und Arbeitsort an, kann dies als Steuer­hin­ter­ziehung gewertet werden. Dem Finanzamt kann nicht ohne Weiteres vorgehalten werden, dass es die Falschangaben hätte bemerken müssen. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz.

Im zugrunde liegenden Streitfall erzielte die Klägerin als kaufmännische Angestellte Einkünfte aus nicht­selb­ständiger Arbeit. Sie wohnte in A und arbeitete 1996 in C. In der Anlage N zu ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung (EStErkl) 1996 gab sie bei den Werbungskosten hinsichtlich der Wege zwischen A und C an, sie sei über B gefahren, die einfache Entfernung, die sie mit ihrem eigenen PKW zurückgelegt habe, sei 28 km gewesen.

Finanzamt bemerkt Fehler bei der angegebene Entfernung und erlässt geänderte ESt Bescheide

In den Anlagen N zu den EStErkl 1997 bis 2005 gab die Klägerin jeweils als Arbeitsort B und als einfache Entfernung ebenfalls jeweils 28 km an. Diesen Angaben wurde seitens des Finanzamtes in allen Einkom­men­steu­er­be­scheiden 1996 bis 2005 gefolgt. Bei der Bearbeitung der EStErkl 2006 fiel dem Bearbeiter des Finanzamtes auf, dass die von der Klägerin angegebene Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 28 km zu hoch angegeben war, die einfache Entfernung zwischen A und B betrug nur 10 km. Das führte dazu, dass das Finanzamt geänderte ESt Bescheide 1996 bis 2005 auf der Basis von jeweils 10 Entfer­nungs­ki­lo­metern - mit entsprechenden Steuer­nach­for­de­rungen - erließ. Da vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung auszugehen sei, gelte eine 10-jährige Verjäh­rungsfrist, woraus folge, dass die ESt-Bescheide ab 1996 wegen Vorliegens neuer Tatsachen geändert werden dürften.

Finanzamt hätten nach Auffassung der Klägerin bei Erfüllung der Sachauf­klä­rungs­pflicht Widersprüche früher auffallen müssen

Mit der dagegen angestrengten Klage trug die Klägerin u.a. vor, sie sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die Entfer­nungs­ki­lometer den tatsächlich gefahrenen Kilometern entsprochen hätten. In dieser Meinung sei sie durch die seit 1996 jährlich erklärungsgemäß erfolgten Veranlagungen bestärkt worden. Dem Finanzamt seien keine neuen Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Bei Erfüllung seiner Sachauf­klä­rungs­pflicht hätte dem Finanzamt auffallen müssen, dass die in den EStErkl enthaltenen Angaben zu Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und der Entfernung andererseits in einem offen­sicht­lichen Widerspruch ständen. Dem Bearbeiter hätte schon vor 2006 auffallen müssen, dass die angegebene Entfernung mit den Ortsangaben in den Erklärungen nicht in Einklang zu bringen sei. Die Ortskenntnis sei nicht zuletzt der Grund dafür, dass für die Besteuerung natürlicher Personen das Finanzamt örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk der Steuer­pflichtige seinen Wohnsitz habe.

Falschangaben nach Arbeits­platz­wechsel können als Steuer­hin­ter­ziehung gewertet werden

Die Klage hatte jedoch nur zu einem ganz geringen Teil (1996) Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, für 1996 könnten die subjektiven Tatbe­stands­merkmale einer Steuer­hin­ter­ziehung nicht angenommen werden. Es sei denkbar, dass die Klägerin die Eintragung der Wegstrecke von A nach C über B und die Angabe der Kilometer mit „28“ in der Annahme, die Entfer­nungs­ki­lometer entsprächen den tatsächlich gefahrenen Kilometern, lediglich versehentlich vorgenommen habe. Für die anderen Streitjahre (1997 - 2005) ging das Finanzgericht jedoch vom Vorliegen einer Steuer­hin­ter­ziehung aus, weil sich der Arbeitsplatz ab 1997 in dem der Wohnung näher gelegenen B befunden habe, die Klägerin aber gleichwohl – wie 1996 – die weitere Fahrtstrecke von 28 km angegeben habe. Der Klägerin müsse es auch unter Zugrundelegung einer laienhaften Bewertung für möglich gehalten haben, dass sie mit den falschen Angaben einen höheren als den ihr zustehenden Werbungs­kos­te­nabzug erreiche.

Finanzamt musste Angaben der Klägerin nicht von vorneherein mit Misstrauen begegnen

Dem Finanzamt seien auch neue Tatsachen, nämlich die geringere Entfernung von A nach B, nachträglich bekannt geworden. Im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen ESt-Bescheide sei dem Finanzamt nämlich nicht bekannt gewesen, dass die zutreffende Entfernung nur 10 km betrage. Das sei erst im Rahmen der Veranlagung für 2006 seitens eines ortskundigen Mitarbeiters des Finanzamt bekannt geworden. Die unzutreffenden Angaben der Klägerin seien weder widersprüchlich noch zweifelhaft, sondern eindeutig gewesen, es habe kein Anlass bestanden, den Angaben der Klägerin von vorneherein mit Misstrauen zu begegnen. Hinzu komme, dass Veran­la­gungs­a­r­beiten von immer wieder wechselnden Bearbeitern erledigt würden, die nicht in jedem Fall über hinreichende Ortskenntnisse verfügten. Eine Änderung eines Bescheides könne zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermitt­lungs­pflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings müsse der Steuer­pflichtige seinerseits seine Mitwir­kungs­pflicht erfüllt haben, was hier gerade nicht der Fall sei.

Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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