13.12.2024
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Urteil22.05.2024Finanzgericht Münster8 K 2918/22 Kg
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Finanzgericht Münster Urteil22.05.2024

Taggenaue Betrachtung für Zwecke des § 62 Abs. 1a Satz 1 und 3 EStG erforderlichKindergeld ist für jeden Monat in dem die Anspruchs­voraussetzungen wenigstens an einem Tag erfüllt sind, zu gewähren

Das FG Münster entschied im Hinblick auf eine Kinder­geld­berechnung, dass der "Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums" im Sinne des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG taggenau zu ermitteln ist.

Die Klägerin und ihre Tochter sind bulgarische Staats­an­ge­hörige, die am 20. Januar 2022 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 FreizügG/EU erfüllte die Klägerin unstreitig nicht. Die Familienkasse setzte gegenüber der Klägerin Kindergeld für die Monate Januar bis März 2022 fest, lehnte jedoch eine Kinder­geld­fest­setzung für den Monat April 2022 ab. Aus der Weisung des Bundes­zen­tralamts für Steuern vom 28. September 2022 zum Ausschluss der Kinder­geld­zah­lungen nach § 62 Abs. 1a EStG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 1. August 2022 (C-411/20) folge, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG (nur) in den ersten drei Kalendermonaten nach Begründung des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bestehe. Die Weisung impliziere eine kalen­der­mo­nats­be­zogene Betrachtung; eine taggezogene Betrachtung des Zeitraums sei nicht möglich.

Erste drei Monate in Deutschland

Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Nach § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG hat (vorbehaltlich der Regelungen des § 62 Abs. 1a Satz 2 EStG) ein Staats­an­ge­höriger eines anderen Mitgliedsstaats der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, der im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründet, für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach Ablauf des § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG genannten Zeitraums richtet sich der Kinder­geldan­spruch nach den - im Streitfall nicht erfüllten - weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 3 EStG. Der EuGH entschied, dass die Verweigerung von Famili­en­leis­tungen in den ersten drei Monaten für nicht wirtschaftlich aktive EU-Bürger gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verstößt, wenn diese Leistungen in den ersten drei Monaten nach Rückkehr eines eigenen Staats­an­ge­hörigen gewährt werden. Nach Art. 6 Abs. 1 der Freizü­gig­keitsRL haben EU-Bürger das Recht, bis zu drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat zu bleiben, solange sie im Besitz eines gültigen Ausweises sind und keine Sozia­l­hil­fe­leis­tungen unangemessen in Anspruch nehmen.

Zeitraum ist genau zu berechnen

Das FG Münster entschied, dass die Klägerin und ihre Tochter bis zum 20.4.2022 einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hatten, und der Zeitraum "von bis zu drei Monaten" genau zu berechnen sei. Ein Kinder­geldan­spruch besteht für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen an mindestens einem Tag erfüllt sind. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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