21.11.2024
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Finanzgericht Münster Urteil24.11.2021

Teleologische Reduktion des sog. Einstiegstests nach § 13 b Abs. 2 Satz 2 ErbStG bei der Übertragung von Anteilen an Kapital­gesellschaften

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass bei der Übertragung von Kapital­gesellschafts­anteilen die Regelung des § 13 b Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Wege teleologischer Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass sie nicht zur Anwendung kommt, wenn die betreffende Kapital­ge­sell­schaft ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit i. S. des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dient. § 13 b Abs. 2 Satz 2 ErbStG regelt den sog. "Einstiegstest": Danach ist die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkung­steuerlichen Begünstigungen für Betrie­bs­vermögen von vornherein ausgeschlossen, wenn der nach dieser Vorschrift modifizierte Wert des Verwaltungs­vermögens mindestens 90 v. H. des gemeinen Werts des grundsätzlich begünstigungs­fähigen Vermögens beträgt.

Der Vater der Klägerin des Streitfalls schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein Unternehmen für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizin­pro­dukten betrieb und auch forschend tätig war. Das Geschäfts­lei­tungs­fi­nanzamt stellte den Wert der Anteile an der GmbH auf 555.975 EUR, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 EUR, die Summe der gemeinen Werte des Verwal­tungs­ver­mögens auf  EUR und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 EUR fest. Der Beklagte versagte wegen des sog. Einstiegstests die Begünstigungen gemäß § 13 a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG.

FG: § 13 a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG teleologisch zu reduzieren

Der hiergegen erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Zwar sei im Streitfall nach dem Wortlaut des § 13 b Abs. 2 Satz 2 ErbStG die begehrte Begünstigung für Betrie­bs­vermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwal­tungs­vermögen von  EUR zzgl. der Finanzmittel von 2.577.649 EUR betrage mehr als 90 v. H. des auf 555.975 EUR festgestellten gemeinen Wertes der übertragenen Anteile an der inländischen GmbH. Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen, dass der sog. Einstiegstest dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Kapital­ge­sell­schaft, deren Anteile übertragen würden, ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG diene. Im Streitfall sei der Hauptzweck der Tätigkeit der GmbH ein originär gewerblicher, weshalb der sog. Einstiegstest zu unterbleiben habe.

Keine Missbrauchs­gefahr bei genannten Hauptzweck

Dabei stützt sich das FG insbesondere darauf, dass es sich bei dem "Einstiegstest" nach seinem Sinn und Zweck um einen speziellen Missbrauchs­ver­mei­dung­s­tat­bestand handele. Es solle solches begüns­ti­gungs­fähiges Vermögen von der Verschonung ausgenommen sein, das nahezu ausschließlich aus Verwal­tungs­vermögen bestehe. Gehe die Kapital­ge­sell­schaft aber ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit i. S. des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 nach, bestehe keine Missbrauchs­gefahr. Dies gelte insbesondere für Handels- und Dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen, wie es die GmbH der Klägerin betreibe, die typischerweise einen vergleichsweise hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus ihrer gewöhnlichen Geschäft­s­tä­tigkeit hätten. Im Gegenteil würden durch eine unein­ge­schränkte Anwendung des Einstiegstests für solche Unternehmen Anreize gesetzt, entgegen ihrem gewachsenen und üblichen Geschäftsmodell Ausweich­ge­stal­tungen oder betrie­bs­wirt­schaftlich nicht sinnvolle bzw. nachteilige Vorgehensweisen zu wählen, um einen positiven Einstiegstest zu erreichen. Eine teleologische Reduktion des § 13 b Abs. 2 Satz 2 ErbStG in der Weise, dass danach unterschieden werde, welchem Hauptzweck die Tätigkeit der betreffenden Kapital­ge­sell­schaft diene, sei schließlich auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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