14.11.2024
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Finanzgericht Münster Beschluss17.08.2009

Verspekuliert: Rückwirkende Einbeziehung von Gebäuden in Speku­la­ti­o­ns­gewinn verfas­sungs­widrig?Rückwirkende Änderung der Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Das Finanzgericht Münster hält die für Grund­s­tücks­ver­äu­ße­rungen nach dem 31. Dezember 1998 geltende Änderung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG durch das Steuer­be­rei­ni­gungs­gesetz vom 22. Dezember 1999 für verfas­sungs­widrig. Er hat daher ein finanz­ge­richt­liches Verfahren ausgesetzt und die Frage der Verfas­sungs­wid­rigkeit der die Rückwirkung vorsehenden Anwen­dungs­re­gelung des § 52 Abs. 39 EStG dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgelegt.

Im Streitfall hatte der Kläger im März 1998 ein unbebautes Grundstück gekauft und mit der Errichtung eines Hauses begonnen. Er verkaufte beides mit Vertrag vom 1. Februar 1999. Das Haus wurde allerdings erst im Mai 1999 fertiggestellt.

Durch die Einbeziehung des noch nicht fertig­ge­stellten Gebäudes ergibt sich ein höherer Gewinn als ohne Berück­sich­tigung des Gebäudes

Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuer­be­rei­ni­gungs­ge­setzes ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. In die Ermittlung des sog. Speku­la­ti­o­ns­gewinns ist ein Gebäude, das auf dem zunächst unbebaut erworbenen Grundstück errichtet worden ist, einzubeziehen und zwar selbst dann, wenn es im Zeitpunkt des Verkaufs noch gar nicht fertiggestellt ist. Im Streitfall ergäbe sich durch die Einbeziehung des vom Kläger errichteten, beim Verkauf allerdings noch nicht fertig­ge­stellten Gebäudes ein deutlich höherer Gewinn als ohne Berück­sich­tigung des Gebäudes.

Im Zeitpunkt des Verkaufes war nach dem Steue­r­ent­las­tungs­ge­setzes vom 24. März 1999 das Haus nicht zu berücksichtigen

Im Februar 1999 - d.h. im Zeitpunkt des Verkaufes - galt allerdings § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des Steue­r­ent­las­tungs­ge­setzes vom 24. März 1999. Diese Regelung sah die Einbeziehung der Wertschöpfung aus dem innerhalb der Speku­la­ti­o­nsfrist errichteten Gebäude in den steuer­pflichtigen Gewinn nur für den Fall vor, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Veräußerung bereits fertiggestellt war.

Rückwirkende Änderung der Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG verfas­sungs­widrig?

Der 10. Senat hält die rückwirkende Änderung der Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG für verfassungswidrig. Der Anspruch aus dem Steuer­ver­hältnis entstehe, sobald der Kaufvertrag geschlossen worden sei. In diesem Zeitpunkt stehe unabänderlich fest, ob der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt sei, welche Wertschöpfungen aus dem Verkauf der Einkommensteuer unterliegen und in die Bemessung der später festgesetzten Steuer eingehen. Der Steuerbürger müsse darauf vertrauen können, dass das für ihn anzuwendende Recht nicht durch eine später beschlossene Geset­ze­s­än­derung mit zeitlicher Rückwirkung zu seinen Lasten geändert werde. Der Kläger habe beim Verkauf des Grundstückes im Februar 1999 nicht damit rechnen können, dass der Gesetzgeber im Dezember des Jahres eine Regelung schaffe, nach der er nunmehr auch auf den Gewinn aus dem Verkauf des erst teilfertigen Gebäudes Steuern zahlen müsse.

Quelle: ra-online, Finanzgericht Münster

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