18.10.2024
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Finanzgericht Münster Urteil07.10.2021

Kosten für Leihmutter nicht als außer­ge­wöhnliche Belastungen absetzbar

Aufwendungen eines aus zwei Männern bestehenden Ehepaares für eine in den USA durchgeführte Leihmut­ter­schaft führen nicht zu außer­ge­wöhn­lichen Belastungen. Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden.

Die Kläger, zwei miteinander verheiratete Männer, nahmen die Dienste einer in Kalifornien (USA) lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leihmut­ter­klinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Kläger stammten. Das hieraus entstandene Kind lebt seit seiner Geburt bei den Klägern in Deutschland. Die Kläger machten die im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Unter­su­chungs­kosten sowie Kosten für Nahrungs­er­gän­zungs­mittel zur Steigerung der Fertilität) in Höhe von ca. 13.000 EUR als außer­ge­wöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmut­ter­schaft nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) in Deutschland verboten sei.

Gleich­ge­schlecht­liches Ehepaar hält ESchG nicht für verfas­sungsgemäß

Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage führten die Kläger aus, dass ihre ungewollte Kinderlosigkeit, die sich aus der biologischen Sachge­setz­lichkeit der männlich gleich­ge­schlecht­lichen Beziehung ergebe, von der WHO als Krankheit anerkannt sei. Aus der hierdurch entstandenen schweren Belastung habe sich bei einem der Kläger eine psychische Erkrankung ergeben. Die Regelungen im Bundesstaat Kalifornien folgten höchsten ethischen Ansprüchen, was ihnen sehr wichtig gewesen sei. Es sei nicht gerechtfertigt, die Anerkennung der Aufwendungen unter Verweis auf das ESchG zu versagen, da dessen Vorschriften in der Wissenschaft umstritten und veraltet seien. Es sei weder nachgewiesen, dass das Kindeswohl gefährdet sei, noch dass Leihmütter per se ausgebeutet würden. Das ESchG sei insoweit nicht verfas­sungsgemäß.

Aufwendungen für künstliche Befruchtung als Krank­heits­kosten anzuerkennen

Dem ist das FG nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, welche aufgrund der Empfäng­ni­s­un­fä­higkeit einer Frau oder der Zeugungs­un­fä­higkeit eines Mannes getätigt würden, seien als Krank­heits­kosten und damit als außer­ge­wöhnliche Belastungen anzuerkennen. Erforderlich sei hierbei, dass die künstliche Befruchtung in Übereinstimmung mit dem inner­staat­lichen Recht sowie mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen werde. Von der Rechtsprechung anerkannt worden seien derartige Aufwendungen unabhängig davon, ob die künstlich befruchtete Frau in einer gemischt- oder gleich­ge­schlecht­lichen oder in gar keiner Beziehung lebe. Vor diesem Hintergrund sei nicht von vornherein auszuschließen, dass sich die Rechtsprechung weiterhin dahin entwickele, dass auch zwei Ehemänner Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung geltend machen können, wenn bei einem der Partner Symptome einer psychischen Erkrankung eingetreten seien.

Anerkennung scheitert an deutschem Verbot der Leihmut­ter­schaft

Im Streitfall scheitere die Abziehbarkeit allerdings daran, dass die Behandlung nicht nach den Vorschriften des inner­staat­lichen Rechts vorgenommen worden sei. Nach dem ESchG seien eine künstliche Befruchtung mit der Eizelle einer anderen Frau und ein Leihmut­ter­schafts­ver­hältnis nicht erlaubt. Die Regelungen des ESchG seien auch verfas­sungsgemäß. Der Gesetzgeber hätte die Fragen der Eizellenspende und der Leihmut­ter­schaft zwar möglicherweise auch anders regeln können, habe sich aber innerhalb seines Gestal­tungs­spielraums bewegt. Er habe mit den Regelungen den Zweck verfolgt, die sich möglicherweise aus einer "gespaltenen Mutterschaft" bzw. einer Ersatz­mut­ter­schaft ergebenden potentiellen Konflikt­si­tua­tionen für die seelische Entwicklung des Kindes zu vermeiden.

Etwaiger Eingriff in das Recht der Kläger verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt

Hierbei handele es sich trotz bestehender Kritik in der Wissenschaft um jedenfalls vertretbare Erwägungen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die psychischen Folgen für Leihmütter und Wunscheltern bislang wenig untersucht seien. Ein etwaiger Eingriff in das Recht der Kläger auf "reproduktive Autonomie", das teilweise aus dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht, dem Schutz der Familie oder der allgemeinen Handlungs­freiheit hergeleitet werde, sei daher verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege nicht vor, weil das Verbot der Leihmut­ter­schaft nicht nur gleich­ge­schlechtliche Partnerschaften von Männern, sondern auch heterosexuelle Beziehungen betreffe. Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundefinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 29/21 anhängig.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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