Finanzgericht Münster Urteil02.09.2025
Opfer eines Trickbetrugs kann Vermögensverlust nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen
Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass Vermögensverluste aus einem Trickbetrug, bei dem die Täter einem älteren Menschen am Telefon die Notlage eines nahen Angehörigen vortäuschen, nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Die zum Tatzeitpunkt 77 Jahre alte Klägerin erhielt von einem vermeintlichen Rechtsanwalt einen Telefonanruf, der angab, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Die deshalb drohende Untersuchungshaft könne durch Zahlung einer Kaution von 50.000 € vermieden werden. Die Klägerin hob dahin diesen Betrag von ihrer Bank in bar ab und übergab ihn einem Boten. Nachdem sie den Trickbetrug durchschaut hatte, erstattete sie Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten.
Finanzamt erkennt eine außergewöhnliche Belastung nicht an
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung von sechs Objekten sowie Renteneinkünfte. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen aus dem Betrugsverlust erkannte es im Wesentlichen mit der Begründung nicht an, dass der Klägerin zumutbare Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trug die Klägerin in erster Linie vor, dass sie sich aufgrund der Täuschung in einer Zwangslage befunden habe.
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Finanzgericht Münster bestätigt: der Vermögensverlust ist keine außergewöhnliche Belastung
Die Klage hat keinen Erfolg gehabt. Der 1. Senat des Finanzgerichts Münster hat den Vermögensverlust nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG anerkannt.
Allgemeines Lebensrisiko hat sich verwirklicht
Die Aufwendungen seien zunächst nicht außergewöhnlich, da sich bei der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe. Sie sei Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen könne, auch wenn viele Angerufene den Betrugsversuch schnell durchschauten. Der Vermögensverlust sei auch nicht deshalb ausnahmsweise abzugsfähig, weil es sich um einen Gegenstand des lebensnotwendigen Bedarfs gehandelt hätte. Vielmehr habe die Klägerin den Betrag als liquide Mittel zur Verfügung gehabt und sei hierauf aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch nicht lebensnotwendig angewiesen gewesen.
Keine Zwangsläufigkeit
Darüber hinaus fehle es auch an der Zwangsläufigkeit. Hierbei zog das Gericht - unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung der Tat als Betrug - die zu Erpressungen ergangene Rechtsprechung heran, wonach eine zweistufige Prüfung vorzunehmen sei. Danach scheide eine Zwangsläufigkeit von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht habe. Dies sei bei der vorliegend von den Tätern zufällig ausgewählten Klägerin nicht der Fall. Daher sei weiter zu prüfen, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten.
Da die Zwangslage objektiv zu beurteilen sei und vorliegend keinerlei Gefahr für die Tochter der Klägerin vorgelegen habe, sei es der Klägerin objektiv zumutbar gewesen, zunächst zu ihrer Tochter oder zur Polizei Kontakt aufzunehmen. Selbst wenn die vorgegebene Verhaftung der Tochter gedroht hätte, wäre es zumutbar gewesen, den Betrag nicht zu zahlen, da eine den rechtsstaatlichen Vorschriften entsprechende Anordnung der Untersuchungshaft in Deutschland keine Gefahr für Leib und Leben darstelle. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht die Frage der sittlichen Verpflichtung zur Übernahme der Kaution für die Tochter offen gelassen und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht aufgeklärt.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.09.2025
Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/pt)