18.10.2024
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Niedersächsisches Finanzgericht Urteil18.09.2019

Doppelte Haushalts­führung bei eigener Wohnung und finanzieller Beteiligung an Kosten der Lebensführung eines Mehr­generationen­haus­haltes

Das Nieder­säch­sische Finanzgericht hatte über die Möglichkeit der doppelten Haushalts­führung von Ledigen bei Innehaben einer Wohnung und ausreichender finanzieller Beteiligung an den Kosten der Lebensführung eines Mehr­generationen­haus­haltes zu entscheiden.

Dabei hat das Nieder­säch­sische Finanzgericht - soweit ersichtlich - als erstes Finanzgericht zu dem mit Wirkung ab dem Veran­la­gungs­zeitraum 2014 im Rahmen der Neuordnung des Reise­kos­ten­rechts neu eingefügten Satz 3 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes Stellung genommen. Danach erfordert das Vorliegen eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte nunmehr neben dem bisherigen Merkmal "Innehaben einer Wohnung" zusätzlich eine "finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung" (des Haupt­hausstandes).

Diese Geset­zes­ver­schärfung steht im Zusammenhang mit einer zuvor ergangenen bürger­freund­lichen Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs - und richtet sich ausweislich der Geset­zes­be­gründung gegen die steuerliche Anerkennung einer doppelten Hausführung in Fällen, in denen ledige Arbeitnehmer außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätig­keits­stätte - ggf. zusammen mit Geschwistern - eine unentgeltlich überlassene Wohnung oder ein Zimmer im Haus der Eltern bewohnen (sogenannte Mehrge­ne­ra­ti­o­nen­haushalte).

Kläger bewohnt Wohnung im Obergeschoss der Eltern und Zweitwohnung am Arbeitsort

Eine solche Konstellation lag im Streitfall zugrunde. Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte im Streitjahr in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Oberge­schoss­wohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 Euro (monatliche. Kosten­be­tei­ligung für Januar bis Dezember von je 100 Euro) sowie einen Betrag von 550 Euro (Beteiligung an der Fenste­r­er­neuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebens­mit­te­l­einkäufe am Ort des Haupt­hausstandes in Höhe von 1.410 Euro getätigt hatte.

Finanzamt verneint doppelte Haushaltführung

Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltführung ab, weil eine erforderliche Beteiligung an der laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden könne. Die Beteiligung an der Fenste­r­er­neuerung sei im Übrigen nicht verpflichtend gewesen.

Auch einmalige oder außer­ge­wöhnliche Kostenbeiträge sind im Hinblick auf Beteiligung an Haushaltskosten anzurechnen

Das Nieder­säch­sischen Finanzgerichts trat dieser Auffassung entgegen und gab der Klage statt. Dabei setzte sich das Gericht mit allen in der steuer­recht­lichen Literatur vertretenen Meinungen zu den neuen gesetzlichen Tatbe­stands­merkmalen der "finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung" ausführlich auseinander. Entgegen der Auffassung der Finanz­ver­waltung kann mithin eine Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushalts­führung weder dem Geset­zes­wortlaut noch der Geset­zes­be­gründung entnommen werden. Danach sind - wie im Streitfall - auch einmalige oder außer­ge­wöhnliche Kostenbeiträge anzurechnen. Auf den Zahlungs­zeitpunkt - Anfang, Mitte oder Ende des Jahres - kommt es nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls nicht an. Die vom Kläger erbrachten Dienst­leis­tungen erfüllen danach das Merkmal der "finanziellen" Beteiligung nicht. Im Ergebnis konnte das Finanzgericht feststellen, dass sich der Kläger aber oberhalb einer Gering­fü­gig­keits­grenze von 10 %, und damit erkennbar nicht unzureichend, an den haushalts­be­zogenen Lebens­füh­rungs­kosten beteiligt hatte.

Entscheidung von praktischer Relevanz für zahlreiche Haushalte

Das beklagte Finanzamt hat mittlerweile die zugelassene Revision eingelegt. Die entschiedenen Rechtsfragen dürften aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fallkon­stel­la­tionen erhebliche praktische Relevanz haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 % aller Haushalte in Deutschland sogenannte Mehrper­so­nen­haushalte mit zwei Generationen.

Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht/ra-online (pm/kg)

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