18.10.2024
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Dokument-Nr. 6333

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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil08.07.2008

EuG: Auch indirekte Kartell­ab­sprachen werden zukünftig geahndetEuG bestätigt symbolische Geldbuße in Höhe von 1.000 € gegen Beratungs­un­ter­nehmen

Gegen ein Beratungs­un­ter­nehmen, das zur Durchführung eines Kartells beigetragen hat, kann eine Geldbuße wegen Beihilfe verhängt werden. Dass dieses Unternehmen nicht auf dem Markt tätig ist, auf dem sich die Wettbe­wer­bs­be­schränkung verwirklicht, schließt seine Verant­wort­lichkeit für die gesamte Zuwiderhandlung nicht aus. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Im Dezember 2003 erlies die Kommission eine Entscheidung, in der sie feststellte, dass drei Hersteller organischer Peroxide, chemische Produkte, die in der Kunststoff- und Gummiindustrie verwendet werden, ab 1971 ein Kartell auf dem europaischen Markt fur diese Produkte durchgefuhrt hatten. Das Kartell zielte insbesondere darauf ab, die Marktanteile der betreffenden Hersteller zu erhalten und ihre Preiserhohungen zu koordinieren.

Beratungs­un­ter­nehmen kam Schlüsselrolle zu

In ihrer Entscheidung fuhrt die Kommission aus, dass ein Beratungs­un­ter­nehmen, die AC-Treuhand AG, ab 1993 den genannten Herstellern verschiedene Dienste geleistet und eine Schlüsselrolle in dem Kartell gespielt habe, indem sie Zusammenkunfte organisiert und Beweise fur die Zuwiderhandlung verborgen habe. Daher schloss die Kommission, dass auch das Beratungs­un­ter­nehmen gegen die Wettbe­wer­bs­vor­schriften verstosen habe, und verhangte gegen es eine Geldbuse in Hohe von 1 000 Euro.

Die begrenzte Höhe der Geldbuße erklärt sich durch einen neuen Ansatz der Kommission im Bereich der Verfolgung von Kartellen. Im vorliegenden Fall verhängte sie Sanktionen nicht nur gegen die Vertrags­parteien des Kartells, sondern auch gegen ein Beratungs­un­ter­nehmen, das zwar auf dem betroffenen Markt nicht vertreten war, aber nichts­des­to­weniger zur Durchführung des entsprechenden Kartells beigetragen hatte.

Die AC-Treuhand AG erhob beim Gericht erster Instanz Klage auf Nichti­g­er­klärung der Entscheidung der Kommission und machte darin insbesondere geltend, dass sie für das Kartell nicht verantwortlich gemacht werden konne, da sie daran nicht als Vertragspartei beteiligt gewesen sei. Auserdem sei sie von den gegen sie eingeleiteten Ermittlungen zu spät informiert worden, was ihr die Möglichkeit genommen habe, sich zeitnah und effektiv zu verteidigen.

Zur behaupteten Verletzung der Vertei­di­gungs­rechte und des Rechts auf ein faires Verfahren

Das Gericht weist darauf hin, dass das von der Kommission zur Untersuchung der Beachtung der Wettbe­wer­bs­vor­schriften eingeleitete Verwal­tungs­ver­fahren in zwei unter­schiedliche, aufeinander folgende Abschnitte unterteilt ist, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontra­dik­to­rischen Abschnitt. Um zu vermeiden, dass die Effizienz der Untersuchung der Kommission beeintrachtigt wird, wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontra­dik­to­rischen Abschnitts durch die Mitteilung der Beschwer­de­punkte von allen wesentlichen Aspekten des Verfahrens informiert. Folglich kann dieses Unternehmen seine Vertei­di­gungs­rechte erst nach Ubersendung der Mitteilung der Beschwer­de­punkte umfassend geltend machen.

Allerdings hat die Kommission bei der ersten Ermitt­lungs­maßnahme, die sie gegenüber einem Unternehmen zur Untersuchung eines mutmaßlichen Kartells ergreift, etwa bei einem Auskunfts­ver­langen, dieses Unternehmen von der vermuteten Zuwiderhandlung, die Gegenstand der durchgeführten Ermittlungen ist, und davon zu informieren, dass sie Vorwürfe gegen das Unternehmen erheben könnte. Im vorliegenden Fall urteilt das Gericht, dass das entsprechende Unterlassen der Kommission nicht zur Nichti­g­er­klärung der angefochtenen Entscheidung führt, da diese Unregel­mä­ßigkeit die Wirksamkeit der Verteidigung der AC-Treuhand AG nicht beeinträchtigt hat.

Zur Frage, ob ein Unternehmen auch dann als für ein Kartell verantwortlich angesehen werden kann, wenn es auf dem Markt, auf dem sich die Wettbe­wer­bs­be­schränkung verwirklicht, nicht tätig ist

Das Gericht stellt fest, dass jede Wettbe­wer­bs­be­schränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes auf eine "Vereinbarung zwischen Unternehmen" zurückzuführen sein kann, wenn sich die Beschränkung aus der Äußerung eines gemeinsamen Willens der beteiligten Unternehmen ergibt. Dass ein Unternehmen nicht auf dem Markt tätig ist, auf dem sich die Wettbe­wer­bs­be­schränkung verwirklicht, schliest somit seine Verant­wort­lichkeit für die Beteiligung an der Durchführung eines Kartells nicht aus.

Sodann führt das Gericht aus, dass der bloße Umstand, dass sich ein Unternehmen nur in untergeordneter Stellung, nebensachlich oder passiv an einem Kartell beteiligt hat, nicht dafür ausreicht, seine Verant­wort­lichkeit für die gesamte Zuwiderhandlung auszuschließen. Der gegebenenfalls begrenzten Bedeutung dieser Beteiligung kann allerdings im Rahmen der Festlegung der Sanktionshöhe Rechnung getragen werden.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die AC-Treuhand AG, indem sie Zusammenkünfte organisiert und Beweise fur die Zuwiderhandlung verborgen hat, aktiv zur Durchführung des Kartells beigetragen hat und dass ein hinreichend konkreter und entscheidender Kausa­li­täts­zu­sam­menhang zwischen ihrer Tätigkeit und der Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt fur organische Peroxide bestand.

Daher weist das Gericht die Klage der AC-Treuhand AG in vollem Umfang als unbegründet ab.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 46/08 des EuGH vom 08.07.2008

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