03.12.2024
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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil29.06.2012

Kartell­ab­sprachen auf Deutschen und Französischen Gasmärkten: EuG setzt Geldbußen gegen E.ON und GDF Suez auf 320 Millionen Euro festHöhe der verhängenden Geldbuße unter Berück­sich­tigung insbesondere der Dauer und der Schwere der Zuwiderhandlung gerechtfertigt

Das Gericht der Europäischen Union hat die gegen E.ON und GDF Suez wegen Aufteilung des französischen und des deutschen Erdgasmarkts festgesetzten Geldbußen von je 553 Mio. Euro für jede Gesellschaft auf 320 Mio. Euro herabgesetzt. Das Gericht bestätigte zwar im Wesentlichen die Entscheidung der Kommission, stellt jedoch fest, dass die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung auf jedem der Märkte durch die Kommission fehlerhaft war.

Mit Entscheidung* vom 8. Juli 2009 verhängte die Kommission gegen E.ON und GDF Suez Geldbußen in Höhe von je 553 Mio. Euro wegen Verletzung des europäischen Wettbe­wer­bs­rechts durch den Abschluss einer Vereinbarung zur Aufteilung des französischen und des deutschen Erdgasmarkts.

Sachverhalt

Diese Vereinbarung wurde 1975 getroffen, als die Ruhrgas AG (nunmehr E.ON Ruhrgas, zum E.ON-Konzern gehörig) und GDF (heute zu GDF Suez gehörig) beschlossen, gemeinsam die Gasfernleitung MEGAL quer durch Deutschland zu bauen, um über sie russisches Gas nach Deutschland und Frankreich einzuführen. Der Entscheidung der Kommission zufolge sind die Unternehmen mit der fraglichen Vereinbarung (im Folgenden: MEGAL-Vereinbarung) übereingekommen, das durch diese Gasfernleitung beförderte Gas nicht auf dem Inlandsmarkt des jeweils anderen Unternehmens zu verkaufen.

Kommission beanstandet Zuwider­hand­lungen Frankreichs beginnend im Jahr 2000

In Bezug auf den französischen Markt befand die Kommission, dass die Zuwiderhandlung am 10. August 2000 begonnen habe, dem Tag, an dem die Erste Gasrichtlinie, die die Liberalisierung des Gasmarkts vorgesehen hat, hätte umgesetzt sein müssen. Vor diesem Zeitpunkt habe das fragliche Verhalten wegen des zugunsten von GDF bestehenden gesetzlichen Monopols für die Einfuhr und Lieferung von Gas den Wettbewerb nicht beschränken können. Auch wenn die Erste Gasrichtlinie in Frankreich erst 2003 umgesetzt worden sei, habe der Wettbewerb schon im Jahr 2000 beschränkt werden können, da Wettbewerber von GDF schon von 2000 an bestimmte Kunden in Frankreich hätten beliefern können.

Zuwiderhandlung Deutschland beginnen nach Auffassung der Kommission bereits 1980

Hinsichtlich des deutschen Marktes ging die Kommission davon aus, dass die Zuwiderhandlung am 1. Januar 1980 begonnen habe, dem Tag der vollständigen Inbetriebnahme der MEGAL-Gasfernleitung. Im Gegensatz zur Situation in Frankreich habe auf dem deutschen Markt vor dessen Liberalisierung kein Monopol bestanden. GDF sei daher vor der Liberalisierung als potenzieller Wettbewerber von Ruhrgas anzusehen, obwohl bestimmte (von der MEGAL-Vereinbarung getrennte) Vereinbarungen zwischen Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen (Demar­ka­ti­o­ns­ver­träge**) sowie zwischen diesen Unternehmen und Gebiets­kör­per­schaften (ausschließliche Konzes­si­ons­ver­träge***) bestanden hätten, die aufgrund einer Freistellung bis zum 24. April 1998 als zulässig betrachtet worden seien.

Vereinbarung zwischen Gesellschaften bestand bis mindestens Ende September 2005

Was das Ende der Zuwiderhandlung angeht, vertrat die Kommission trotz der Behauptung der beiden Gesellschaften in einer Vereinbarung vom 13. August 2004, dass sie die wettbe­wer­bs­widrigen Teile der MEGAL-Vereinbarung seit langem für nichtig erachteten, die Auffassung, dass diese Vereinbarung in Wirklichkeit bis mindestens Ende September 2005 weiterhin Wirkungen entfaltet habe. So hat die Kommission dieses Datum als dasjenige der Beendigung der Zuwiderhandlung auf beiden Märkten berücksichtigt.

Gesellschaften klagen auf Herabsetzung der festgesetzten Geldbußen

Sowohl E.ON als auch GDF Suez haben gegen diese Entscheidung beim Gericht Klage auf deren Nichti­g­er­klärung und Herabsetzung der gegen sie jeweils festgesetzten Geldbuße erhoben.

EuG bestätigt im Wesentlichen Entscheidung der Kommission

In seinen Urteilen weist das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen größtenteils zurück und bestätigt die Entscheidung der Kommission im Wesentlichen. Das Gericht stellt jedoch fest, dass der Kommission bei der Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung zwei Fehler unterlaufen sind.

Dauer der Zuwiderhandlung seitens der Kommission fehlerhaft bestimmt

Was erstens den Beginn der Zuwiderhandlung auf dem deutschen Markt angeht, hat das Zusammenwirken der (durch Freistellung bis zum 24. April 1998 gedeckten) Demarkations- und ausschließ­lichen Konzes­si­ons­verträge zu einem System geschlossener Versor­gungs­gebiete geführt, ohne dass allerdings anderen Unternehmen die Lieferung von Erdgas gesetzlich verboten gewesen wäre. Demgemäß war der deutsche Gasmarkt bis zum 24. April 1998, dem Tag, von dem an diese Vereinbarungen nicht mehr freigestellt waren, durch das Bestehen zulässiger faktischer Gebietsmonopole gekennzeichnet. Diese Situation konnte dazu führen, dass auf diesem Markt keinerlei – weder ein tatsächlicher noch ein potenzieller – Wettbewerb stattfand, wobei es unerheblich ist, dass in Deutschland kein gesetzliches Monopol bestand. Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission insoweit nicht dargetan, dass zwischen den beiden Unternehmen auf dem deutschen Gasmarkt vom 1. Januar 1980 bis 24. April 1998 ein potenzieller Wettbewerb bestand, der durch die MEGAL-Vereinbarung hätte beeinträchtigt werden können. Das Gericht erklärt daher Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig, soweit er das Vorliegen einer vom 1. Januar 1980 bis 24. April 1998 in Deutschland begangenen Zuwiderhandlung feststellt. Zu beachten ist, dass dieser Zeitraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße nicht berücksichtigt worden war.

Anhaltspunkte für anhaltende Zuwiderhandlung auf dem französischen Markt nicht erkennbar

Was zweitens das Ende der Zuwiderhandlung auf dem französischen Markt betrifft, stellt das Gericht fest, dass die Kommission keine Anhaltspunkte vorgebracht hat, die die Schluss­fol­gerung zulassen, dass die Zuwiderhandlung im Anschluss an die Vereinbarung von August 2004 auf dem französischen Markt angedauert hat. Hingegen belegen mehrere nach dieser Vereinbarung entstandene Schriftstücke und das Verhalten von GDF auf dem deutschen Markt, dass die Zuwiderhandlung in Deutschland bis September 2005 fortgesetzt wurde. Das Gericht erklärt demgemäß Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig, soweit er das Vorliegen der Zuwiderhandlung in Frankreich im Zeitraum 13. August 2004 bis 30. September 2005 feststellt.

Teilweise Nichti­g­er­klärung der Kommis­si­ons­ent­scheidung führt zwangsläufig zur Herabsetzung der Geldbuße

Das Gericht hält, um der teilweisen Nichti­g­er­klärung von Art. 1 der Entscheidung Rechnung zu tragen, eine Herabsetzung der gegen die beiden Gesellschaften festgesetzten Geldbußen für geboten. Bei Anwendung der von der Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße herangezogenen Methode würden die Geldbußen auf 267 Mio. Euro herabgesetzt. Eine solche Minderung wäre gemessen an der relativen Bedeutung des festgestellten Fehlers unver­hält­nismäßig. Während nämlich dieser Fehler der Kommission nur den französischen Markt und auch nur zwölfeinhalb Monate der von ihr angesetzten fünf Jahre und anderthalb Monate betrifft, würde die Anwendung der Methode der Kommission zu einer Herabsetzung der Geldbuße um über 50 % führen. Das Gericht gelangt daher angesichts des Umstands, dass diese Berech­nungs­methode nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt, und unter Hinweis darauf, dass es durch diese Methode nicht gebunden ist, zu dem Ergebnis, dass der Endbetrag der gegen jede Gesellschaft zu verhängenden Geldbuße unter Berück­sich­tigung insbesondere der Dauer und der Schwere der Zuwiderhandlung auf 320 Mio. Euro festzusetzen ist.

Erläuterungen

* Entscheidung K(2009) 5355 endg. der Kommission vom 8. Juli 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/39.401 – E.ON/GDF).

** In den Demar­ka­ti­o­ns­ver­trägen vereinbarten die Unternehmen untereinander, das Gebiet des jeweils anderen nicht mit Elektrizität oder Gas zu beliefern.

*** In den ausschließ­lichen Konzes­si­ons­ver­trägen räumte eine Gebiets­kör­per­schaft einem Unternehmen ein ausschließ­liches Recht zur Nutzung öffentlicher Grundstücke für den Bau und Betrieb von Elektrizitäts- und Gasver­tei­ler­netzen ein.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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