21.11.2024
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Dokument-Nr. 7624

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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil11.03.2009

Französisches Rundfunk­ge­büh­ren­system ist mit dem gemeinsamen europäischen Markt vereinbare staatliche BeihilfeTélévision française 1 SA (TF1) unterliegt mit Klage gegen eine Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Die Entscheidung der Kommission, der zufolge das französische Rundfunk­ge­büh­ren­system eine mit dem gemeinsamen Markt vereinbare staatliche Beihilfe darstellt, ist gültig. Die Kommission hat mit der Feststellung, dass die von Frankreich eingegangenen Verpflichtungen den von ihr vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen entsprechen, keinen Beurtei­lungs­fehler begangen. Dies hat das Europäische Gericht Erster Instanz entschieden.

Am 10. März 2003 ging bei der Kommission eine Beschwerde des kommerziellen Rundfunksenders Télévision française 1 SA (TF1) ein, mit der TF1 unter anderem geltend machte, dass die Tatsache, dass Frankreich die Rundfunkgebühren den öffentlichen Fernsehsender France 2 und France 3 zur Verfügung stelle, eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe sei.

Am 10. Dezember 2003 teilte die Kommission der französischen Regierung mit, dass das Rundfunk­ge­büh­ren­system geändert werden müsse, um seine Vereinbarkeit mit den gemein­schafts­recht­lichen Vorschriften für staatliche Beihilfen sicherzustellen, und schlug ihr zweckdienliche Maßnahmen vor. Diese sollten in der Einführung von Vorschriften bestehen, die sich im Wesentlichen darauf beziehen, dass der staatliche Ausgleich gemessen an den Kosten der gemein­wirt­schaft­lichen Dienstleistung verhältnismäßig ist und die öffentlichen Rundfunkan­bieter ihre erwer­bs­wirt­schaft­lichen Tätigkeiten zu Markt­be­din­gungen ausüben.

Mit Entscheidung vom 20. April 2005 (siehe unten Verweis 1) stellte die Kommission fest, dass die von Frankreich eingegangenen Verpflichtungen ihren Vorschlägen entsprächen. Sie beschloss, das Verfahren einzustellen, stellte jedoch klar, dass diese Entscheidung ihre vom Vertrag vorgesehene Befugnis zur laufenden Kontrolle bestehender Beihil­fe­re­ge­lungen nicht einschränke.

Der Sender TF1 hält diese Bewertung für fehlerhaft und erhob beim Gericht erster Instanz Klage auf Nichti­g­er­klärung der Entscheidung der Kommission.

Mit seinem Urteil bestätigt das Gericht im Wesentlichen die Entscheidung der Kommission

Die Qualifizierung der Maßnahme als staatliche Beihilfe und die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt

Das Gericht führt im Wesentlichen aus, dass die Frage der Qualifizierung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG klar von der Frage der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt getrennt werden muss.

Dazu verweist das Gericht auf das Urteil Altmark (siehe unten Verweis 2), in dem der Gerichtshof klargestellt hat, dass eine Maßnahme dann eine staatliche Beihilfe darstellt, wenn es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt, diese Maßnahme zweitens geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, sie drittens dem Begünstigten einen Vorteil gewährt und viertens den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.

In Bezug auf die dritte Voraussetzung, das Vorliegen eines Vorteils, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine staatliche Maßnahme nicht unter Art. 87 Abs. 1 EG fällt, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemein­wirt­schaft­licher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die staatliche Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbe­wer­bs­stellung gelangen.

Der Gerichtshof hat jedoch ergänzend darauf hingewiesen, dass ein derartiger Ausgleich in einem konkreten Fall nur dann nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren ist, wenn vier Voraussetzungen (die „Altmark-Voraussetzungen“) kumulativ erfüllt sind: 1. Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung gemein­wirt­schaft­licher Verpflichtungen betraut und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. 2. Die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, müssen zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden sein. 3. Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemein­wirt­schaft­lichen Verpflichtungen unter Berück­sich­tigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. 4. Wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemein­wirt­schaft­licher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt ist, muss die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt worden sein, die ein durch­schnitt­liches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen ausgestattet ist, dass es den gestellten gemein­wirt­schaft­lichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

Das Gericht weist darauf hin, dass die Altmark-Voraussetzungen allein und ausschließlich die Qualifizierung der in Rede stehenden Maßnahmen als staatliche Beihilfe bezwecken und nicht die Frage betreffen, ob die staatliche Beihilfe nach Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

Das Gericht stellt fest, dass der Kommission bei der Prüfung des Vorliegens der Altmark-Voraussetzungen kein Rechtsfehler unterlaufen ist.

Zum Umfang der Verpflichtungen, die Frankreich eingegangen ist, um die Vereinbarkeit der Rundfunk­ge­bühren mit dem Gemeinsamen Markt sicherzustellen

Die erste Verpflichtung soll den Bedenken der Kommission in Bezug auf die Überkom­pen­sierung der Nettokosten der gemein­wirt­schaft­lichen Dienstleistung Rechnung tragen. Frankreich hat sich verpflichtet, dass die Finanzmittel, die es France Télévision zur Verfügung stellen will, nur die Kosten für die Erfüllung gemein­wirt­schaft­licher Verpflichtungen decken, eventuelle Gewinne vollständig in die Tätigkeiten der öffentlichen Sender reinvestiert und bei der Aufstellung des Haushalts für das nächste Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden die zuständigen französischen Stellen binnen der nächsten zwei Jahre in die einschlägige Regelung den Grundsatz aufnehmen, dass eine Überkom­pen­sierung der Kosten der gemein­wirt­schaft­lichen Dienstleistung ausgeschlossen ist.

Die zweite Verpflichtung soll den Bedenken der Kommission hinsichtlich des erwer­bs­wirt­schaft­lichen Verhaltens der öffentlichen Sender Rechnung tragen. Frankreich hat sich verpflichtet, jährlich durch eine unabhängige Audit-Institution, deren Bericht dem Parlament übermittelt wird, zu überprüfen, ob die öffentlichen Sender ihrer Verpflichtung nachkommen, ihre erwer­bs­wirt­schaft­lichen Tätigkeiten zu Markt­be­din­gungen auszuüben.

Das Gericht stellt fest, dass diese Verpflichtungen mit den fehlerfreien Empfehlungen der Kommission vollkommen im Einklang stehen und die Kommission das Gebührensystem daher zu Recht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen hat.

Da die Kommission ferner ihrer Begrün­dungs­pflicht nachgekommen ist und das Verfahren zur Prüfung der Beihilfe eingehalten hat, bestätigt das Gericht die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission.

Die Klage von TF1 wird daher abgewiesen.

Verweise

Verweis 1: Entscheidung C (2005) 1166 final vom 20. April 2005 betreffend die France Télévisions gewährte Beihilfe (Beihilfe E 10/2005 [ehemals C60/1999] – Frankreich, Rundfunk­ge­bühren), die die Kommission den zuständigen französischen Stellen am 21. April bekannt gegeben hat.

Verweis 2: Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, C-280/00, Altmark Trans GmbH, Slg. 2003, I-7747.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung vom 11.03.2009

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