23.11.2024
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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil27.09.2012

EuG erklärt "Krisenpläne" zugunsten des Sektors Obst und Gemüse Frankreichs für verbotene staatliche BeihilfenNicht ursprüngliche Herkunft der Mittel sondern Umfang der Beteiligung öffentlicher Stellen für Qualifizierung als staatliche Beihilfen entscheidend

Das Gericht der Europäischen Union hat eine Entscheidung der Kommission bestätigt, in der diese die von Frankreich von 1992 bis 2002 zugunsten des Sektors Obst und Gemüse durchgeführten "Krisenpläne" (Plans de campagne) als verbotene staatliche Beihilfen qualifiziert hat. Dieser Qualifikation als staatliche Beihilfen steht nicht entgegen, dass die Beihilfen durch freiwillige Beiträge der Verbände der betreffenden Erzeuger kofinanziert wurden.

Die französischen Organisationen von Obst- und Gemüseerzeugern erhielten von 1992 bis 2002 Beihilfen aus einem Betriebsfonds in einer von der Kommission auf über 330 Mio. Euro geschätzten Höhe. Mit diesen „Krisenplänen“ (Plans de campagne) wurde bezweckt, die Auswirkungen zeitweiliger Überschüsse beim Obst- und Gemüseangebot abzumildern, die Marktpreise durch koordiniertes kollektives Vorgehen zu regulieren und Struk­tur­maß­nahmen zur Marktanpassung eines Sektors zu finanzieren. Der Fonds wurde von zugelassenen landwirt­schaft­lichen Ausschüssen (Comités économiques agricoles agréés) verwaltet, in denen die landwirt­schaft­lichen Erzeu­ger­or­ga­ni­sa­tionen auf regionaler Ebene zusam­men­ge­schlossen sind. Er wurde zu 30 % bis 50 % aus freiwilligen Beiträgen der Erzeuger gespeist. Diejenigen Erzeuger, die diese Beiträge nicht entrichtet hatten, konnten keine Beihilfe erhalten. Der Fonds wurde im Übrigen finanziert durch das Nationale Amt für Obst, Gemüse und Gartenbau (Office national inter­pro­fes­sionnel des fruits, des légumes et de l’horticulture; Oniflhor), einer unter Aufsicht des französischen Staats stehenden öffentlichen Einrichtung mit Industrie- und Handel­s­cha­rakter.

Kommission sieht in Beihilfen rechtswidrige, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen

Mit Entscheidung vom 28. Januar 2009* stellte die Kommission fest, dass die fraglichen Beihilfen rechtswidrige – weil bei der Kommission nicht angemeldete – staatliche Beihilfen darstellten, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien. Sie ordnete daher an, dass Frankreich sie bei ihren Empfängern zuzüglich Zinsen zurückfordern müsse. Die Kommission hatte dabei erstmals die Frage zu prüfen, ob Maßnahmen, die durch Beiträge des Staates und zugleich durch freiwillige Beiträge von Angehörigen der Berufe eines Sektors finanziert werden, staatliche Beihilfen sein können, was sie bejahte.

Frankreich und Verband der Wirtschafts­or­ga­ni­sation erheben Klage auf Nichti­g­er­klärung der Entscheidung

Sowohl Frankreich als auch der Verband der Wirtschafts­or­ga­ni­sation Obst und Gemüse (Fédération de l’organisation économique fruits et légumes; Fedecom) und die Gemüseerzeuger Frankreichs (Producteurs de légumes de France) erhoben beim Gericht Klagen auf Nichti­g­er­klärung dieser Entscheidung.

EuG bejaht Vorliegen unzulässiger staatlicher Beihilfen

Mit seinen Urteilen weist das Gericht diese Klagen ab. Zu der Frage, ob die in Rede stehenden Beihilfen trotz ihrer teilweisen Finanzierung durch freiwillige Beiträge der Beihil­fe­emp­fänger als staatliche Mittel und damit als staatliche Beihilfen angesehen werden können, führt das Gericht aus, dass es nicht auf die ursprüngliche Herkunft der Mittel ankomme, sondern auf den Umfang der Beteiligung der öffentlichen Stellen bei der Festlegung der streitigen Maßnahmen und ihrer Finan­zie­rungs­mo­da­litäten.

Maßnahmen zur Finanzierung der „Krisenpläne“ von öffentlicher Einrichtung Oniflhor einseitig festgelegt

Insoweit stellt das Gericht fest, dass es die unter staatlicher Aufsicht stehende öffentliche Einrichtung Oniflhor war, die einseitig über die durch die „Krisenpläne“ finanzierten Maßnahmen sowie deren Durchführungs- und Finan­zie­rungs­mo­da­litäten entschied. Zwar hatten die zugelassenen landwirt­schaft­lichen Ausschüsse die operativen Mittel für die Finanzierung dieser Maßnahmen zu verwalten, jedoch verfügten sie über keinen Handlungs­spielraum bei deren Anwendung. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht insbesondere die maßgebliche Rolle des Staates in diesen Ausschüssen hervor, in denen er durch den Präfekten der Region vertreten wird. Den durch die Maßnahmen Begünstigten stand allein die Befugnis zu, sich an dem in dieser Weise von Oniflhor festgelegten System zu beteiligen oder nicht, indem sie die Zahlung der von Oniflhor festgesetzten Sektoranteile entweder akzeptierten oder ablehnten. Die Kommission hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass die streitigen Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten.

Berechtigtes Vertrauen der Empfänger in Rechtmäßigkeit der Beihilfen wegen fehlender Anmeldung der Beihilfen unbegründet

Im Übrigen verwirft das Gericht das Vorbringen der Kläger, die Kommission habe ihre Entscheidung unzureichend begründet und den Grundsatz des berechtigten Vertrauens der Beihil­fe­emp­fänger verletzt, soweit diese die Beihilfen für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten hätten. Hinsichtlich des letztgenannten Arguments verweist das Gericht darauf, dass ein Vertrauen dann nicht als berechtigt angesehen werden kann, wenn die Beihilfe, wie hier, durchgeführt wurde, ohne dass sie zuvor bei der Kommission angemeldet worden war. Das Gericht stellt weiter fest, dass keine außer­ge­wöhn­lichen Umstände vorgelegen haben, die ein berechtigtes Vertrauen der Empfänger in die Rechtmäßigkeit der Beihilfen trotz fehlender Anmeldung hätten begründen können.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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