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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil03.12.2009
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Rechte unverheirateter Väter beim Streit ums SorgerechtSchlechterstellung unverheirateter Väter gegenüber verheirateten oder geschiedenen Vätern ist Verstoß gegen Diskriminierungsverbot
Ein unehelicher Vater eines Kindes darf bei Sorgerechtsfragen nach der Trennung der Eltern nicht schlechter gestellt werden, als verheiratete oder geschiedene Väter. Eine solche Schlechterstellung stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Der Beschwerdeführer, Horst Zaunegger, ist deutscher Staatsangehöriger, 1964 geboren, und lebt in Pulheim. Er hat eine uneheliche Tochter, die 1995 geboren wurde und bei beiden Eltern aufwuchs bis diese sich 1998 trennten. Danach lebte das Kind bis zum Januar 2001 beim Vater. Nach dem Umzug des Kindes in die Wohnung der Mutter trafen die Eltern unter Vermittlung des Jugendamtes eine Umgangsvereinbarung, die regelmäßigen Kontakt des Vaters mit dem Kind vorsah.
Amtsgericht lehnt Antrag des Vaters auf gemeinsames Sorgerecht ab
Gemäß § 1626 a Absatz 2 BGB hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind. Da sie nicht bereit war, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, beantragte der Beschwerdeführer die gerichtliche Zuweisung des gemeinsamen Sorgerechts. Das Amtsgericht Köln lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach deutschem Recht Eltern unehelicher Kinder die gemeinsame Sorge nur durch eine gemeinsame Erklärung, durch Heirat oder durch gerichtliche Übertragung mit Zustimmung der Mutter nach § 1672 Absatz 1 erlangen können. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung im Oktober 2003.
Beide Gerichte bezogen sich auf ein Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003, das § 1626 a BGB im Wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt hatte. Für Paare mit unehelichen Kindern, die sich nach dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt hatten, findet die Bestimmung Anwendung.
Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zurück
Vater legt Beschwerde wegen Diskriminierung unverheirateter Väter ein
Der Beschwerdeführer beklagte sich daraufhin beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unter Berufung auf Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8, dass die Anwendung von § 1626 a Absatz 2 BGB unverheiratete Väter wegen ihres Geschlechts und im Verhältnis zu geschiedenen Vätern diskriminiere. Das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers jedoch zurück.
Gerichtshof erkennt beanstandete Andersbehandlung des Vaters gegenüber verheirateten Väter an
Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter. Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorgerechtsfragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gerichtsentscheidungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.
Schaden des Kindeswohls durch Kontakt zu Vater nicht zu erwarten
Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann, dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwerdeführer sich weiterhin regelmäßig um sein Kind kümmert.
Gerichtshof sieht keine Gründe, warum Sorgerechtsfragen bei Unverheirateten weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen
Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung in Trennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen sollte.
Ausschluss gerichtlicher Prüfung des Sorgerechts zum Kindeswohl nicht verhältnismäßig
Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Artikel 14 (Verbot der Diskriminierung) in Verbindung mit Artikel 8 (Achtung des Familienlebens) vorlag.
Der Gerichtshof vertrat außerdem einstimmig, dass die Feststellung einer Verletzung der Konvention eine ausreichende gerechte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden darstellt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.12.2009
Quelle: ra-online, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
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