18.10.2024
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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil03.12.2009

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Rechte unverheirateter Väter beim Streit ums SorgerechtSchlech­ter­stellung unverheirateter Väter gegenüber verheirateten oder geschiedenen Vätern ist Verstoß gegen Diskri­mi­nie­rungs­verbot

Ein unehelicher Vater eines Kindes darf bei Sorge­rechts­fragen nach der Trennung der Eltern nicht schlechter gestellt werden, als verheiratete oder geschiedene Väter. Eine solche Schlech­ter­stellung stellt einen Verstoß gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot dar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Der Beschwer­de­führer, Horst Zaunegger, ist deutscher Staats­an­ge­höriger, 1964 geboren, und lebt in Pulheim. Er hat eine uneheliche Tochter, die 1995 geboren wurde und bei beiden Eltern aufwuchs bis diese sich 1998 trennten. Danach lebte das Kind bis zum Januar 2001 beim Vater. Nach dem Umzug des Kindes in die Wohnung der Mutter trafen die Eltern unter Vermittlung des Jugendamtes eine Umgangs­ver­ein­barung, die regelmäßigen Kontakt des Vaters mit dem Kind vorsah.

Amtsgericht lehnt Antrag des Vaters auf gemeinsames Sorgerecht ab

Gemäß § 1626 a Absatz 2 BGB hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind. Da sie nicht bereit war, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, beantragte der Beschwer­de­führer die gerichtliche Zuweisung des gemeinsamen Sorgerechts. Das Amtsgericht Köln lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach deutschem Recht Eltern unehelicher Kinder die gemeinsame Sorge nur durch eine gemeinsame Erklärung, durch Heirat oder durch gerichtliche Übertragung mit Zustimmung der Mutter nach § 1672 Absatz 1 erlangen können. Das Oberlan­des­gericht Köln bestätigte die Entscheidung im Oktober 2003.

Beide Gerichte bezogen sich auf ein Leiturteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 29. Januar 2003, das § 1626 a BGB im Wesentlichen für verfas­sungsgemäß erklärt hatte. Für Paare mit unehelichen Kindern, die sich nach dem Inkrafttreten des Kinds­chafts­rechts­re­form­ge­setzes am 1. Juli 1998 getrennt hatten, findet die Bestimmung Anwendung.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht wies die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers zurück

Vater legt Beschwerde wegen Diskriminierung unverheirateter Väter ein

Der Beschwer­de­führer beklagte sich daraufhin beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unter Berufung auf Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8, dass die Anwendung von § 1626 a Absatz 2 BGB unverheiratete Väter wegen ihres Geschlechts und im Verhältnis zu geschiedenen Vätern diskriminiere. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers jedoch zurück.

Gerichtshof erkennt beanstandete Anders­be­handlung des Vaters gegenüber verheirateten Väter an

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwer­de­führer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter. Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorge­rechts­fragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gericht­s­ent­schei­dungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.

Schaden des Kindeswohls durch Kontakt zu Vater nicht zu erwarten

Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann, dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwer­de­führer sich weiterhin regelmäßig um sein Kind kümmert.

Gerichtshof sieht keine Gründe, warum Sorge­rechts­fragen bei Unverheirateten weniger gerichtliche Prüfungs­mög­lich­keiten zulassen

Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichts­ver­fahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorge­rechts­re­gelung in Trennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungs­mög­lich­keiten zulassen sollte.

Ausschluss gerichtlicher Prüfung des Sorgerechts zum Kindeswohl nicht verhältnismäßig

Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Artikel 14 (Verbot der Diskriminierung) in Verbindung mit Artikel 8 (Achtung des Familienlebens) vorlag.

Der Gerichtshof vertrat außerdem einstimmig, dass die Feststellung einer Verletzung der Konvention eine ausreichende gerechte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden darstellt.

Quelle: ra-online, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

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