21.11.2024
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Dokument-Nr. 13807

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.07.2012

Mitgliedstaat darf Bankprovisionen von Kreditgebern beschränkenGerichtshof der Europäischen Union präzisiert Umfang des Verbrau­cher­schutzes bei Kreditverträgen

Ein Mitgliedstaat ist berechtigt, die Bankprovisionen zu beschränken, die ein Kreditgeber erheben darf. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Verbrau­cher­kre­di­t­richt­linie* sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in den von ihr harmonisierten Bereichen keine Bestimmungen in ihrem inner­staat­lichen Recht aufrecht­er­halten oder einführen dürfen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen. Sie hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, die Bestimmungen dieser Richtlinie nach Maßgabe des Unionsrechts auch auf Bereiche anzuwenden, die nicht in ihren Geltungsbereich fallen. Außerdem tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass angemessene und wirksame außer­ge­richtliche Verfahren zur Beilegung verbrau­cher­recht­licher Streitigkeiten, die Kreditverträge betreffen, vorhanden sind; dabei sind gegebenenfalls die bestehenden Einrichtungen zu nutzen. Die Richtlinie gilt nicht für die am Tag des Inkrafttretens der inner­staat­lichen Umset­zungs­maß­nahmen bereits laufenden Kreditverträge.

Rumänien setzt Verbrau­cher­kre­di­t­richtlinie als inner­staat­liches Recht um

In Rumänien wurde die Richtlinie durch eine am 22. Juni 2010 in Kraft getretene Verordnung in inner­staat­liches Recht umgesetzt. Diese Verordnung sieht u. a. vor, dass der Kreditgeber für den gewährten Kredit nur eine Provision für die Prüfung der Unterlagen, eine Provision für die Kredit- oder Konto­kor­rent­be­a­r­beitung, eine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung, Kosten für Versicherungen, gegebenenfalls Verzugskosten sowie eine einmalige Provision für im Zusammenhang mit dem Antrag des Verbrauchers erbrachte Dienst­leis­tungen erheben darf.

AGBs der Bank sehen „Risikoprovision“ für Einräumung eines Kredits vor

Im vorliegenden Fall ist in den Allgemeinen Bedingungen der zwischen der Volksbank România und ihren Kunden vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Verträgen vorgesehen, dass der Kreditnehmer der Bank für die Einräumung des Kredits eine „Risikoprovision“ in Höhe von ,2 % des Kreditbetrags schuldet, die monatlich während der gesamten Laufzeit des Kredits zu zahlen ist.

Nationale Verbrau­cher­schutz­behörde hält Erhebung der Provision für unzulässig

Die Autoritatea Naþionalã pentru Protecþia Consumatorilor - Comisariatul Judeþean pentru Protecþia Consumatorilor Cãlãraºi (CJPC) (Nationale Verbrau­cher­schutz­behörde - Kreis­kom­mis­sariat für Verbrau­cher­schutz Cãlãra.i), die der Auffassung ist, dass die Erhebung dieser Provision von der Verordnung nicht vorgesehen sei, verhängte gegen die Volksbank ein Bußgeld und weitere Sanktionen.

Die Volksbank machte bei der Judecãtoria Cãlãraºi (Amtsgericht Cãlãraºi, Rumänien) geltend, dass bestimmte Vorschriften der Verordnung gegen die Richtlinie verstießen. Dieses Gericht bittet den Gerichtshof daher, die Tragweite dieser Richtlinie zu bestimmen.

Mitgliedstaaten können Bestimmungen der Richtlinie auch auf Bereiche anwenden, die nicht in deren Geltungsbereich fallen

Der Gerichtshof äußert sich erstens zu dem Umstand, dass Mitgliedstaaten durch Grund­pfand­rechte gesicherte Kreditverträge in den sachlichen Anwen­dungs­bereich einer inner­staat­lichen Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie einbeziehen, obwohl diese sie aus ihrem Geltungsbereich ausschließt. Der Gerichtshof betont, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie nach Maßgabe des Unionsrechts auf Bereiche anwenden können, die nicht in deren Geltungsbereich fallen. So können sie für nicht in den sachlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie fallende Kreditverträge innerstaatliche Maßnahmen beibehalten oder einführen, die den Bestimmungen dieser Richtlinie oder manchen ihrer Bestimmungen entsprechen, wie im vorliegenden Fall für durch Grund­pfand­rechte gesicherte Kreditverträge.

Innerstaatliche Rechts­vor­schriften dürfen auch auf bereits laufende Verträge angewendet werden

Zweitens prüft der Gerichtshof die Einbeziehung solcher, am Tag des Inkrafttretens der inner­staat­lichen Regelung bereits laufender Kreditverträge in den zeitlichen Anwen­dungs­bereich dieser Regelung. Der Gerichtshof stellt fest, dass es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen sie ihre nationale Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie auf Kreditverträge wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden, die nicht in einen der Bereiche fallen, für die der Unions­ge­setzgeber harmonisierte Vorschriften festlegen wollte, erstrecken möchten. Folglich können die Mitgliedstaaten eine Überg­angs­maßnahme festlegen, wonach die genannten inner­staat­lichen Rechts­vor­schriften auch auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits laufende Verträge anwendbar sind.

Mitgliedsstaat darf Kreditinstitut bestimmte Pflichten für Arten von Provisionen auferlegen

Der Gerichtshof ist drittens der Ansicht, dass die Richtlinie es nicht verbietet, dass ein Mitgliedstaat den Kredi­t­in­stituten Pflichten auferlegt, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind, was die Arten von Provisionen betrifft, die diese Kreditinstitute im Rahmen von Verbrau­cher­kre­dit­ver­trägen erheben dürfen. Denn im vorliegenden Fall stellt die in der rumänischen Verordnung vorgesehene Regelung, soweit sie eine erschöpfende Liste der Bankprovisionen enthält, die der Kreditgeber vom Verbraucher erheben darf, eine Verbrau­cher­schutz­re­gelung in einem von der Richtlinie nicht harmonisierten Bereich dar.

Strengere Regelungen eines Mitgliedstaats müssen nicht zwingend Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs darstellen

Viertens nimmt der Gerichtshof zum Argument der Volksbank Stellung, wonach die rumänische Regelung dadurch, dass sie den Kredi­t­in­stituten die Erhebung bestimmter Bankprovisionen untersage, dazu führe, dass von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen angebotene Verbrau­cher­kredite den in Rumänien ansässigen Kunden weniger leicht zugänglich seien, und folglich gegen die Unions­be­stim­mungen über den freien Dienst­leis­tungs­verkehr verstoße. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats nicht allein deshalb eine Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs darstellt, weil andere Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansässige Erbringer gleichartiger Dienst­leis­tungen weniger strengen oder wirtschaftlich interessanteren Vorschriften unterwerfen. Der Gerichtshof ist außerdem der Auffassung, dass eine innerstaatliche Vorschrift wie die im rumänischen Recht vorgesehene den Zugang zum Markt nicht weniger attraktiv macht und die Möglichkeit der betroffenen Unternehmen, ohne Weiteres mit den traditionell in Rumänien ansässigen Unternehmen wirksam in Wettbewerb zu treten, nicht erheblich verringert.

Modalitäten für außer­ge­richtliche Streitbeilegung kann Mitgliedsstaat festlegen

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie der rumänischen Regelung nicht entgegensteht, die es den Verbrauchern bei Verbrau­cher­krediten ermöglicht, sich unmittelbar an eine Verbrau­cher­schutz­behörde zu wenden, die daraufhin gegen die Kreditinstitute wegen Verstoßes gegen diese innerstaatliche Regelung Sanktionen verhängen kann, ohne zuvor ein für derartige Rechtss­trei­tig­keiten vorgesehenes Verfahren zur außer­ge­richt­lichen Streitbeilegung wie das im nationalen Recht vorgesehene in Anspruch nehmen zu müssen. Der Gerichtshof führt nämlich aus, dass die Richtlinie verlangt, dass die im Bereich der außer­ge­richt­lichen Streitbeilegung vorgesehenen Verfahren angemessen und wirksam sind. Folglich ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Modalitäten dieser Verfahren einschließlich ihres möglichen obligatorischen Charakters zu regeln; dabei haben sie die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.

Erläuterungen

* Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbrau­cher­kre­dit­verträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66, sowie – Berichtigungen – ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011 L 234, S. 46). Diese Richtlinie war bis spätestens 12. Mai 2010 umzusetzen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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