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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.07.2012
Mitgliedstaat darf Bankprovisionen von Kreditgebern beschränkenGerichtshof der Europäischen Union präzisiert Umfang des Verbraucherschutzes bei Kreditverträgen
Ein Mitgliedstaat ist berechtigt, die Bankprovisionen zu beschränken, die ein Kreditgeber erheben darf. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Verbraucherkreditrichtlinie* sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in den von ihr harmonisierten Bereichen keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen dürfen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen. Sie hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, die Bestimmungen dieser Richtlinie nach Maßgabe des Unionsrechts auch auf Bereiche anzuwenden, die nicht in ihren Geltungsbereich fallen. Außerdem tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass angemessene und wirksame außergerichtliche Verfahren zur Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten, die Kreditverträge betreffen, vorhanden sind; dabei sind gegebenenfalls die bestehenden Einrichtungen zu nutzen. Die Richtlinie gilt nicht für die am Tag des Inkrafttretens der innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen bereits laufenden Kreditverträge.
Rumänien setzt Verbraucherkreditrichtlinie als innerstaatliches Recht um
In Rumänien wurde die Richtlinie durch eine am 22. Juni 2010 in Kraft getretene Verordnung in innerstaatliches Recht umgesetzt. Diese Verordnung sieht u. a. vor, dass der Kreditgeber für den gewährten Kredit nur eine Provision für die Prüfung der Unterlagen, eine Provision für die Kredit- oder Kontokorrentbearbeitung, eine Vorfälligkeitsentschädigung, Kosten für Versicherungen, gegebenenfalls Verzugskosten sowie eine einmalige Provision für im Zusammenhang mit dem Antrag des Verbrauchers erbrachte Dienstleistungen erheben darf.
AGBs der Bank sehen „Risikoprovision“ für Einräumung eines Kredits vor
Im vorliegenden Fall ist in den Allgemeinen Bedingungen der zwischen der Volksbank România und ihren Kunden vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Verträgen vorgesehen, dass der Kreditnehmer der Bank für die Einräumung des Kredits eine „Risikoprovision“ in Höhe von ,2 % des Kreditbetrags schuldet, die monatlich während der gesamten Laufzeit des Kredits zu zahlen ist.
Nationale Verbraucherschutzbehörde hält Erhebung der Provision für unzulässig
Die Autoritatea Naþionalã pentru Protecþia Consumatorilor - Comisariatul Judeþean pentru Protecþia Consumatorilor Cãlãraºi (CJPC) (Nationale Verbraucherschutzbehörde - Kreiskommissariat für Verbraucherschutz Cãlãra.i), die der Auffassung ist, dass die Erhebung dieser Provision von der Verordnung nicht vorgesehen sei, verhängte gegen die Volksbank ein Bußgeld und weitere Sanktionen.
Die Volksbank machte bei der Judecãtoria Cãlãraºi (Amtsgericht Cãlãraºi, Rumänien) geltend, dass bestimmte Vorschriften der Verordnung gegen die Richtlinie verstießen. Dieses Gericht bittet den Gerichtshof daher, die Tragweite dieser Richtlinie zu bestimmen.
Mitgliedstaaten können Bestimmungen der Richtlinie auch auf Bereiche anwenden, die nicht in deren Geltungsbereich fallen
Der Gerichtshof äußert sich erstens zu dem Umstand, dass Mitgliedstaaten durch Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge in den sachlichen Anwendungsbereich einer innerstaatlichen Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie einbeziehen, obwohl diese sie aus ihrem Geltungsbereich ausschließt. Der Gerichtshof betont, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie nach Maßgabe des Unionsrechts auf Bereiche anwenden können, die nicht in deren Geltungsbereich fallen. So können sie für nicht in den sachlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie fallende Kreditverträge innerstaatliche Maßnahmen beibehalten oder einführen, die den Bestimmungen dieser Richtlinie oder manchen ihrer Bestimmungen entsprechen, wie im vorliegenden Fall für durch Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge.
Innerstaatliche Rechtsvorschriften dürfen auch auf bereits laufende Verträge angewendet werden
Zweitens prüft der Gerichtshof die Einbeziehung solcher, am Tag des Inkrafttretens der innerstaatlichen Regelung bereits laufender Kreditverträge in den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Regelung. Der Gerichtshof stellt fest, dass es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen sie ihre nationale Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie auf Kreditverträge wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden, die nicht in einen der Bereiche fallen, für die der Unionsgesetzgeber harmonisierte Vorschriften festlegen wollte, erstrecken möchten. Folglich können die Mitgliedstaaten eine Übergangsmaßnahme festlegen, wonach die genannten innerstaatlichen Rechtsvorschriften auch auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits laufende Verträge anwendbar sind.
Mitgliedsstaat darf Kreditinstitut bestimmte Pflichten für Arten von Provisionen auferlegen
Der Gerichtshof ist drittens der Ansicht, dass die Richtlinie es nicht verbietet, dass ein Mitgliedstaat den Kreditinstituten Pflichten auferlegt, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind, was die Arten von Provisionen betrifft, die diese Kreditinstitute im Rahmen von Verbraucherkreditverträgen erheben dürfen. Denn im vorliegenden Fall stellt die in der rumänischen Verordnung vorgesehene Regelung, soweit sie eine erschöpfende Liste der Bankprovisionen enthält, die der Kreditgeber vom Verbraucher erheben darf, eine Verbraucherschutzregelung in einem von der Richtlinie nicht harmonisierten Bereich dar.
Strengere Regelungen eines Mitgliedstaats müssen nicht zwingend Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen
Viertens nimmt der Gerichtshof zum Argument der Volksbank Stellung, wonach die rumänische Regelung dadurch, dass sie den Kreditinstituten die Erhebung bestimmter Bankprovisionen untersage, dazu führe, dass von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen angebotene Verbraucherkredite den in Rumänien ansässigen Kunden weniger leicht zugänglich seien, und folglich gegen die Unionsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr verstoße. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats nicht allein deshalb eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, weil andere Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansässige Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen oder wirtschaftlich interessanteren Vorschriften unterwerfen. Der Gerichtshof ist außerdem der Auffassung, dass eine innerstaatliche Vorschrift wie die im rumänischen Recht vorgesehene den Zugang zum Markt nicht weniger attraktiv macht und die Möglichkeit der betroffenen Unternehmen, ohne Weiteres mit den traditionell in Rumänien ansässigen Unternehmen wirksam in Wettbewerb zu treten, nicht erheblich verringert.
Modalitäten für außergerichtliche Streitbeilegung kann Mitgliedsstaat festlegen
Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie der rumänischen Regelung nicht entgegensteht, die es den Verbrauchern bei Verbraucherkrediten ermöglicht, sich unmittelbar an eine Verbraucherschutzbehörde zu wenden, die daraufhin gegen die Kreditinstitute wegen Verstoßes gegen diese innerstaatliche Regelung Sanktionen verhängen kann, ohne zuvor ein für derartige Rechtsstreitigkeiten vorgesehenes Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung wie das im nationalen Recht vorgesehene in Anspruch nehmen zu müssen. Der Gerichtshof führt nämlich aus, dass die Richtlinie verlangt, dass die im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung vorgesehenen Verfahren angemessen und wirksam sind. Folglich ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Modalitäten dieser Verfahren einschließlich ihres möglichen obligatorischen Charakters zu regeln; dabei haben sie die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.
Erläuterungen
* Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66, sowie – Berichtigungen – ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011 L 234, S. 46). Diese Richtlinie war bis spätestens 12. Mai 2010 umzusetzen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.07.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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