21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.04.2017

Verkauf multimedialer Geräte zum Streamen rechtswidrig zugänglicher Filme ist urheber­rechts­widrigVertrieb eines Medie­n­ab­spielers mit vorin­sta­l­lierten Add-ons zum Zugriff auf geschützte Werke stellt öffentliche Wiedergabe dar

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der Verkauf eines multimedialen Medie­n­ab­spielers, mit dem kostenlos und einfach auf einem Fernseh­bild­schirm Filme angesehen werden können, die rechtswidrig im Internet zugänglich sind, eine Urheber­rechts­verletzung darstellen kann. Die vorübergehende Verviel­fäl­tigung eines urheber­rechtlich geschützten Werks auf diesem Medienabspieler durch Streaming ist nicht vom Verviel­fäl­tigungs­recht ausgenommen.

Im zugrunde liegenden Fall verkaufte Herr Wullems verkauft über das Internet verschiedene Modelle eines multimedialen Medie­n­ab­spielers unter dem Namen "filmspeler". Es handelte sich dabei um ein Gerät, das als Verbindung zwischen einem Bild- oder Tonsignal und einem Fernseh­bild­schirm fungiert. Auf diesem Medienabspieler hat Herr Wullems eine Open-Source- Software installiert, mit der mittels einer einfach zu bedienenden grafischen Oberfläche über bestimmte Menüstrukturen Dateien gelesen werden können. Daneben hat er in diese Software im Internet zugängliche Add-ons eingefügt, die dazu bestimmt sind, die gewünschten Inhalte aus den Streamingseiten zu schöpfen und sie allein durch einen Klick auf dem multimedialen Medienabspieler, der mit einem Fernseh­bild­schirm verbunden ist, anlaufen zu lassen. Einige dieser Seiten machen digitale Inhalte mit Erlaubnis der Urheber­rechts­inhaber zugänglich, während andere ohne deren Erlaubnis zu solchen Inhalten leiten. Laut der Werbung kann mit dem multimedialen Medienabspieler kostenlos und einfach auf einem Fernseh­bild­schirm insbesondere Bild- und Tonmaterial angesehen werden, das ohne Erlaubnis der Urheber­rechts­inhaber im Internet zugänglich ist.

Nieder­län­disches Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Stichting Brein, eine niederländische Stiftung, die sich dem Schutz der Urheberrechte widmet, hat bei der Rechtbank Midden-Nederland (Bezirksgericht Midden-Nederland, Niederlande)beantragt, Herrn Wullems zu verurteilen, den Verkauf von multimedialen Medie­n­ab­spielern oder das Anbieten von Hyperlinks, die den Nutzern geschützte Werke rechtswidrig zugänglich machen, einzustellen. Sie macht geltend, dass Herr Wullems mit dem Vertrieb des multimedialen Medie­n­ab­spielers unter Verstoß gegen das niederländische Urheber­rechts­gesetz, das die Richtlinie 2001/29* umsetze, eine "öffentliche Wiedergabe" vorgenommen habe. Die Rechtbank Midden-Nederland hat beschlossen, den Gerichtshof zu dieser Angelegenheit zu befragen.

EU-Richtlinie soll hohes Schutzniveau für Urheber erreichen

In seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass der Verkauf eines multimedialen Medie­n­ab­spielers wie des hier fraglichen eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne der Richtlinie darstellt. Er weist insoweit auf seine Rechtsprechung hin, wonach das Hauptziel der Richtlinie darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen. Daher ist der Begriff "öffentliche Wiedergabe" weit zu verstehen. So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass in Fällen, in denen auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangs­be­schränkung veröffentlicht sind, den Nutzern der erstgenannten Seite ein direkter Zugang zu diesen Werken geboten wird (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 13.02.2014 - C-466/12 -; Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 08.09.2016 - C-160/15 -). Das Gleiche gilt für den Fall des Verkaufs des in Rede stehenden multimedialen Medie­n­ab­spielers.

Vorinstallation von Add-ons zu geschützten Werken erfolgte in voller Kenntnis des Handelns

Ebenso hat Herr Wullems in voller Kenntnis der Folgen seines Handelns eine Vorinstallation von Add-ons auf dem multimedialen Medienabspieler vorgenommen, die Zugang zu den geschützten Werken verschaffen können und es ermöglichen, diese Werke auf einem Fernseh­bild­schirm anzusehen. Eine solche Tätigkeit erschöpft sich nicht in der in der Richtlinie genannten bloßen körperlichen Bereitstellung von Einrichtungen. Insoweit ergibt sich aus den im vorliegenden Verfahren vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen, dass die fraglichen Streamingseiten von der Öffentlichkeit nicht leicht ausfindig gemacht werden können und sich die Mehrzahl von ihnen häufig ändert.

Bereitstellen des multimedialen Medie­n­ab­spielers erfolgte mit Gewinn­er­zie­lungs­absicht

Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts eine ziemlich große Zahl von Personen den multimedialen Medienabspieler gekauft hat. Ferner richtet sich die Wiedergabe an sämtliche potenziellen Erwerber des Medie­n­ab­spielers, die über eine Inter­net­ver­bindung verfügen. Somit richtet sich diese Wiedergabe an eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und erfasst eine große Zahl von Personen. Im Übrigen erfolgte das Bereitstellen des multimedialen Medie­n­ab­spielers mit Gewinn­er­zie­lungs­absicht, da der für diesen multimedialen Medienabspieler gezahlte Preis auch entrichtet wurde, um einen direkten Zugang zu den geschützten Werken zu erhalten, die auf den Streamingseiten ohne Erlaubnis der Urheber­rechts­inhaber zugänglich sind.

Streaming über Medienabspieler ist nicht vom Verviel­fäl­ti­gungsrecht ausgenommen

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Handlungen der vorübergehenden Verviel­fäl­tigung eines urheber­rechtlich geschützten Werks auf diesem multimedialen Medienabspieler durch Streaming von der Website eines Dritten, auf der dieses Werk ohne Erlaubnis des Urheber­rechts­in­habers angeboten wird, nicht vom Verviel­fäl­ti­gungsrecht ausgenommen sind.

Nach der Richtlinie** wird eine Verviel­fäl­ti­gungs­handlung von dem Verviel­fäl­ti­gungsrecht nur ausgenommen, wenn sie folgende fünf Voraussetzungen erfüllt:

(1) die Handlung ist vorübergehend;

(2) sie ist flüchtig oder begleitend;

(3) sie stellt einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens dar;

(4) alleiniger Zweck dieses Verfahrens ist es, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines geschützten Werks oder eines Schutzobjekts zu ermöglichen, und

(5) diese Handlung hat keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.

Diese Voraussetzungen sind insoweit kumulativ, als die Nichterfüllung einer einzigen Voraussetzung zur Folge hat, dass die Verviel­fäl­ti­gungs­handlung nicht vom Verviel­fäl­ti­gungsrecht ausgenommen ist. Darüber hinaus darf diese Ausnahme nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder eines sonstigen Schutz­ge­gen­stands nicht beeinträchtigt wird und in denen die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

Hauptanreiz des Medie­n­ab­spielers liegt in Vorinstallation der Add-ons für Zugang zu geschützten Werken

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof insbesondere unter Berück­sich­tigung des Inhalts der Werbung für den multimedialen Medienabspieler und des Umstands, dass der Hauptanreiz des Medie­n­ab­spielers in der Vorinstallation der Add-ons liegt, der Ansicht, das der Erwerber eines solchen Medie­n­ab­spielers sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot geschützter Werke Zugang verschafft. Darüber hinaus können die Handlungen der vorübergehenden Verviel­fäl­tigung urheber­rechtlich geschützter Werke auf dem fraglichen multimedialen Medienabspieler die normale Verwertung solcher Werke beeinträchtigen und die berechtigten Interessen der Urheber­rechts­inhaber ungebührlich verletzen, da sie normalerweise eine Verringerung der rechtmäßigen Transaktionen im Zusammenhang mit diesen geschützten Werken zur Folge haben.

Erläuterungen

* Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft (ABl. 2001, L 167, S. 10), insbesondere deren Art. 3.

** Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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