24.11.2024
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Dokument-Nr. 7785

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Urteil28.04.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC-420/07
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil28.04.2009

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit sowie zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen eines Gerichts der Republik ZypernUrteil muss auch anerkannt und vollstreckt werden, wenn es ein Grundstück im Nordteil der Insel betrifft

Ein Urteil eines Gerichts der Republik Zypern muss durch die anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden, auch wenn es ein Grundstück im Nordteil der Insel betrifft. Die Aussetzung der Anwendung des gemein­schaft­lichen Besitzstands in den Gebieten, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt, und der Umstand, dass das Urteil in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, stehen seiner Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat nicht entgegen. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Nach der Intervention der türkischen Truppen im Jahr 1974 wurde Zypern in zwei Teile geteilt. Die Republik Zypern, die 2004 der Union beigetreten ist, kontrolliert tatsächlich nur den Südteil der Insel, während im Nordteil die Türkische Republik Nordzypern entstand, die von der internationalen Gemeinschaft mit Ausnahme der Türkei nicht anerkannt wird. Unter diesen Umständen wurde die Anwendung des Gemein­schafts­rechts im Nordteil der Republik Zypern durch ein der Beitrittsakte beigefügtes Protokoll ausgesetzt.

Ehepaar soll Grundstück an rechtmäßigen, zuvor vertriebenen Eigentümer zurück geben

Der englische Court of Appeal wurde von Herrn Apostolides, einem zyprischen Staats­an­ge­hörigen, mit einem Rechtsstreit gegen die britischen Eheleute Orams befasst, in dem es um die Anerkennung und Vollstreckung von zwei Urteilen des Gerichts von Nikosia geht. Dieses Gericht, das seinen Sitz im Südteil Zyperns hat, hat die Eheleute Orams verurteilt, ein Grundstück im Nordteil der Insel zu räumen und verschiedene Formen von Schadensersatz zu zahlen. Die Eheleute Orams hatten dieses Grundstück von einem Dritten gekauft, um dort ein Ferienhaus zu errichten. Nach den Feststellungen des zyprischen Gerichts ist Herr Apostolides, dessen Familie bei der Teilung der Insel aus dem Nordteil vertrieben worden war, rechtmäßiger Eigentümer des Grundstücks. Das erste Urteil, ein Versäum­ni­s­urteil, wurde durch ein weiteres Urteil bestätigt, mit dem über einen von den Eheleuten Orams eingelegten Einspruch entschieden wurde.

Gerichtshof soll Anwendbarkeit der Verordnung Brüssel I klären

Das nationale Gericht hat dem Gerichtshof mehrere Fragen hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der Verordnung Brüssel I (siehe unten) vorgelegt. Es möchte insbesondere wissen, ob sich die Aussetzung des Gemein­schafts­rechts im Nordteil Zyperns und der Umstand, dass sich das fragliche Grundstück in einem Gebiet befindet, über das die Regierung Zyperns keine tatsächliche Kontrolle ausübt, auf die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils auswirken, und zwar insbesondere unter den Aspekten der Zuständigkeit des Gerichts, das das ursprüngliche Urteil erlassen hat, sowie der öffentlichen Ordnung des Vollstre­ckungs­staats und der Vollstreck­barkeit der Entscheidung. Außerdem fragt es, ob die Anerkennung oder Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung, wenn der Beklagte dagegen einen Rechtsbehelf einlegen konnte, deshalb versagt werden kann, weil das verfah­ren­s­ein­leitende Schriftstück dem Beklagten nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die in der Beitrittsakte Zyperns vorgesehene Aussetzung auf die Anwendung des gemein­schaft­lichen Besitzstands im Nordteil beschränkt ist. Die fraglichen Urteile, deren Anerkennung Herr Apostolides beantragt, wurden aber von einem Gericht mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet erlassen. Der Umstand, dass diese Urteile ein Grundstück im Nordteil betreffen, steht dieser Auslegung nicht entgegen, da er zum einen nicht die Verpflichtung entfallen lässt, die Verordnung im von der Regierung kontrollierten Gebiet anzuwenden, und zum anderen auch nicht bedeutet, dass die Verordnung deshalb im Nordteil angewandt wird. Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Schluss, dass die im Protokoll zur Beitrittsakte vorgesehene Aussetzung des gemein­schaft­lichen Besitzstands im Nordteil der Anwendung der Verordnung Brüssel I auf die Entscheidung eines zyprischen Gerichts mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet, die jedoch ein Grundstück im Nordteil betrifft, nicht entgegensteht.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass der Rechtsstreit im Ausgangs­ver­fahren vom Anwen­dungs­bereich der Verordnung Brüssel I erfasst wird und dass der Umstand, dass das fragliche Grundstück in einem Gebiet liegt, über das die Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, so dass die fraglichen Entscheidungen nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden können, der Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat nicht entgegensteht.

Insoweit steht fest, dass das Grundstück im Gebiet der Republik Zypern liegt und dass daher das zyprische Gericht für die Entscheidung der Rechtssache zuständig war, da sich die entsprechende Vorschrift der Verordnung Brüssel I auf die internationale gerichtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht auf den Gerichtsstand innerhalb dieser Staaten bezieht.

Gericht eines Mitgliedstaates darf Entscheidung eines anderen Staates nicht aufgrund der Vermutung ablehnen, dass das nationale Recht oder Gemein­schaftsrecht falsch angewandt wurde

Der Gerichtshof weist, was die öffentliche Ordnung des Vollstre­ckungs­mit­glied­staats betrifft, auch darauf hin, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats die Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht allein deshalb ablehnen darf, weil es der Ansicht ist, dass das nationale Recht oder das Gemein­schaftsrecht falsch angewandt worden sei, da sonst die Zielsetzung der Verordnung Brüssel I in Frage gestellt würde. Das nationale Gericht kann die Anerkennung nur dann versagen, wenn der Rechtsfehler impliziert, dass die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung als offensichtliche Verletzung einer in der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats wesentlichen Rechtsnorm angesehen wird. In der Ausgangs­rechtssache hat der Court of Appeal kein grundlegendes Prinzip der Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs genannt, gegen das die Anerkennung oder Vollstreckung der fraglichen Urteile verstoßen könnte.

Zur Vollstreck­barkeit der fraglichen Urteile führt der Gerichtshof zudem aus, dass der Umstand, dass Herr Apostolides hinsichtlich der Vollstreckung dieser Urteile auf Schwierigkeiten stoßen könnte, nichts an ihrer Vollstreck­barkeit ändert. Diese Situation hindert damit die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nicht daran, die Urteile für vollstreckbar zu erklären. Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Anerkennung oder Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung nicht versagt werden darf, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen konnte, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfah­ren­s­ein­leitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können. In der Ausgangs­rechtssache steht fest, dass die Eheleute Orams einen solchen Rechtsbehelf eingelegt haben. Folglich kann die Anerkennung und Vollstreckung der Urteile des zyprischen Gerichts im Vereinigten Königreich nicht aus diesem Grund versagt werden.

Richtlinie

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 39/09 des EuGH

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