21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.05.2011

EuGH: Verneinen eines Missbrauchs der markt­be­herr­schenden Stellung eines Unternehmens ist ausschließlich EU-Kommission vorbehaltenNationale Wettbe­wer­bs­be­hörden dürfen keine negativen Sachent­scheidung treffen

Für die Feststellung, dass im Wettbe­wer­bs­bereich keine missbräuchliche Verhaltensweise auf dem Binnenmarkt der Union vorliegt, ist nur die Kommission zuständig. Könnten die nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden derartige „negative“ Entscheidungen treffen, wäre die einheitliche Anwendung der durch den Vertrag eingeführten Wettbe­wer­bs­regeln beeinträchtigt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Nach der Verordnung Nr. 1/2003 wenden die nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden und Gerichte, wenn sie das nationale Wettbe­wer­bsrecht auf eine nach Art. 102 des Vertrags verbotene missbräuchliche Verhaltensweise anwenden, auch die Bestimmungen dieses Artikels an. Bei der Anwendung von Art. 102 des Vertrags im Einzelfall können die nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden die Abstellung von Zuwider­hand­lungen oder einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflich­tungs­zusagen annehmen oder Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im nationalen Recht vorgesehene Sanktionen verhängen. Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach den ihnen vorliegenden Informationen nicht gegeben, können die nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden auch entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden.

Präsident der nationalen polnischen Wettbe­wer­bs­behörde sieht in Verhalten der Telekomunikacja Polska SA keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung

Nach Durchführung eines Verfahrens gegen die Telekomunikacja Polska SA stellte der Präsident der nationalen polnischen Wettbe­wer­bs­behörde fest, dass das Verhalten dieses Unternehmens keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle. Er erließ daher eine Entscheidung nach nationalem Recht, mit der er eine wettbe­wer­bs­be­schränkende Verhaltensweise des Unternehmens verneinte, und stellte bezüglich des Verstoßes gegen den Vertrag das Verfahren ein.

Nationales Gericht legt EuGH Frage zur Zulässigkeit der Entscheidung der nationalen Wettbe­wer­bs­behörde vor

Die Tele2 Polska sp. z o.o., jetzt Netia SA, eine mit der Telekomunikacja Polska SA konkurrierende Gesellschaft, focht diese Entscheidung an. Der mit einer Kassa­ti­o­ns­be­schwerde befasste S¹d Najwy¿szy (Oberstes Gericht von Polen) fragt den Gerichtshof, ob es nach Unionsrecht ausgeschlossen ist, dass eine nationale Wettbe­wer­bs­behörde, wenn sie auf der Grundlage ihres nationalen Rechts feststellt, dass keine missbräuchliche Verhaltensweise vorliegt, eine Entscheidung erlässt, mit der ein Verstoß gegen die Vertrags­be­stim­mungen verneint wird („negative Entscheidung“).

Zuständigkeit nationaler Wettbe­wer­bs­be­hörden auf Erlass einer Entscheidung beschränkt

Der Gerichtshof erläutert zunächst, dass zur Gewährleistung einer kohärenten Anwendung der Wettbe­wer­bs­regeln in den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1/2003 ein Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden im Rahmen des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit eingerichtet wurde. Sodann stellt er fest, dass die Verordnung eindeutig darauf hinweist, dass die Zuständigkeit der nationalen Wettbe­wer­bs­behörde, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach den dieser Behörde vorliegenden Informationen nicht gegeben sind, auf den Erlass einer Entscheidung beschränkt ist, wonach für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden.

Zuständigkeit der Kommission darf nicht beeinträchtigt werden

Erlaubte man den nationalen Wettbe­wer­bs­be­hörden, Entscheidungen zu treffen, mit denen ein Verstoß gegen die Vertrags­be­stim­mungen über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung verneint wird, würde das durch die Verordnung Nr. 1/2003 eingeführte System der Zusammenarbeit in Frage gestellt und die Zuständigkeit der Kommission beeinträchtigt.

Eine solche negative Sachent­scheidung könnte nämlich die einheitliche Anwendung der durch den Vertrag eingeführten Wettbe­wer­bs­regeln – eines der Ziele der Verordnung – beeinträchtigen, weil sie die Kommission daran hindern könnte, später festzustellen, dass die fragliche Verhaltensweise eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln darstellt.

Nicht vorliegendes missbräuch­liches Ausnutzen einer beherrschenden Stellung darf nur EU-Kommission feststellen

Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Feststellung, dass kein Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung vorliegt, der Kommission vorbehalten ist, selbst wenn eine einschlägige Vertrags­be­stimmung in einem von einer nationalen Wettbe­wer­bs­behörde durchgeführten Verfahren angewandt wird. Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass das Unionsrecht nationalen Rechts­vor­schriften entgegensteht, die unter solchen Umständen nur die Möglichkeit vorsehen, dass die nationale Wettbe­wer­bs­behörde eine negative Sachent­scheidung erlässt.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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