21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil14.10.2010

EuGH: Geldbuße gegen Deutsche Telekom wegen Missbrauchs markt­be­herr­schender Stellung gerechtfertigtMargen­be­schneidung behindert grundsätzlich die Entwicklung des Wettbewerbs

Die von der Kommission gegen die Deutsche Telekom wegen Missbrauchs ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für Festnetz-Telefo­nie­dienste in Deutschland verhängte Geldbuße von 12,6 Mio. Euro ist zulässig. Dies bestätigte der Gerichtshof der Europäischen Union.

Das Recht der Europäischen Union verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Sachverhalt

Vor der vollständigen Liberalisierung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­märkte in Deutschland am 1. August 1996 verfügte die Deutsche Telekom über ein gesetzliches Monopol bei der Bereitstellung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leis­tungen im Festnetz an Endkunden. Auf mehrere Beschwerden konkurrierender Unternehmen der Deutsche Telekom hin entschied die Kommission am 21. Mai 2003, dass diese seit 1998 ihre beherrschende Stellung auf den Märkten für den direkten Zugang zu ihrem Telefon-Festnetz missbrauche. Dieser Missbrauch bestehe darin, dass für den Zugang der Wettbewerber zum Netz (Vorleis­tungs­zu­gangs­dienste) Entgelte erhoben worden seien, die höher gewesen seien als die Entgelte, die den Endkunden der Deutsche Telekom in Rechnung gestellt worden seien. Diese Preisgestaltung zwinge die Wettbewerber dazu, ihren Endkunden höhere Entgelte zu berechnen, als die Deutsche Telekom ihren eigenen Endkunden in Rechnung stelle. Die Kommission verhängte daher gegen die Deutsche Telekom eine Geldbuße in Höhe von 12,6 Mio. Euro.

Nationales Gericht: Kommission verhängt wegen Erhebung unangemessener Entgelte zu Recht Geldbuße gegen Telekom

Die Deutsche Telekom klagte beim Gericht erster Instanz auf Nichti­g­er­klärung dieser Entscheidung der Kommission oder zumindest Herabsetzung der verhängten Geldbuße. Mit Urteil vom 10. April 2008 hat das Gericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen entschieden, dass die Kommission diese Geldbuße zu Recht gegen die Rechts­mit­tel­führerin festgesetzt habe wegen Erhebung unangemessener Entgelte, die aufgrund eines Missver­hält­nisses zwischen den Zwische­n­ab­neh­me­rent­gelten für Vorleis­tungs­zu­gangs­dienste und den Endkun­den­ent­gelten für Endkun­den­zu­gangs­dienste zu einer Beschneidung der Margen geführt hätten.

Die Deutsche Telekom hat gegen dieses Urteil des Gerichts beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.

Nationales Gericht handelt bei Abweisung der Klage rechts­feh­lerfrei

In seinem Urteil gelangt der Gerichtshof nach Prüfung der von der Deutsche Telekom geltend gemachten Rechts­mit­tel­gründe zu dem Ergebnis, dass das Gericht bei der Abweisung der von dieser gegen die Entscheidung der Kommission erhobenen Klage keinen Rechtsfehler begangen hat.

Telekom verfügt über ausreichenden Handlungs­spielraum

Zur Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung befindet der Gerichtshof, dass, auch wenn die Zwische­n­ab­neh­me­rentgelte für Vorleis­tungs­zu­gangs­dienste von den nationalen Regulie­rungs­be­hörden festgesetzt wurden, das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die fragliche Praxis der Margen­be­schneidung der Deutsche Telekom zugerechnet werden kann, da sie über ausreichenden Handlungs­spielraum zur Änderung ihrer Endkun­den­entgelte verfügte, obwohl diese einer gewissen Regulierung unterlagen. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die nationalen Regulie­rungs­be­hörden ihrerseits gegen Unionsrecht verstoßen haben, so dass die Kommission deswegen gegen die Bundesrepublik Deutschland hätte Vertrags­ver­let­zungsklage erheben können. Doch ist ein solcher Umstand für den Handlungs­spielraum der Rechts­mit­tel­führerin zur Änderung ihrer Endkun­den­entgelte bedeutungslos.

Eingeschränkte Wahlmög­lich­keiten schädigt Verbraucher

Zur Missbräuch­lichkeit der fraglichen Praxis der Margen­be­schneidung bestätigt der Gerichtshof, dass diese Praxis zu den nach Unionsrecht verbotenen Fällen des Missbrauchs einer markt­be­herr­schenden Stellung gehört, ohne dass dargetan werden müsste, dass die Zwische­n­ab­neh­me­rentgelte oder die Endkun­den­entgelte für sich allein betrachtet missbräuchlich sind. Dadurch, dass die Deutsche Telekom die Margen ihrer zumindest ebenso effizienten Wettbewerber beschneidet und diese so vom Markt verdrängt, stärkt sie nämlich ihre beherrschende Stellung und schädigt damit die Verbraucher, indem sie deren Wahlmög­lich­keiten sowie die Aussicht, dass die Endkun­den­entgelte für Endkunden-Zugangsdienste auf längere Sicht wegen des Wettbewerbs auf dem Markt sinken, einschränkt.

Prüfung, ob Preispolitik Wirtschafts­teil­nehmer verdrängt

Zur Methode für den Nachweis einer missbräuch­lichen Margen­be­schneidung stellt der Gerichtshof fest, dass das Gericht und die Kommission zu Recht das Kriterium des „ebenso effizienten Wettbewerbers“ hergezogen haben, das darin besteht, zu prüfen, ob die Preispolitik des Unternehmens in beherrschender Stellung dazu führen kann, einen Wirtschafts­teil­nehmer, der ebenso leistungsfähig ist wie dieses Unternehmen, vom Markt zu verdrängen, und bei dieser Prüfung nur auf die Entgelte und Kosten dieses Unternehmens und nicht auf die spezifische Lage seiner Wettbewerber abzustellen. Mit einem solchen Kriterium lässt sich nämlich nachprüfen, ob die Deutsche Telekom in der Lage gewesen wäre, Endkun­den­dienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn sie vorher ihre eigenen Zwische­n­ab­neh­me­rentgelte für Vorleis­tungs­zu­gangs­dienste hätte zahlen müssen. Zudem steht dieses Kriterium mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechts­si­cherheit im Einklang, da es dem markt­be­herr­schenden Unternehmen, das seine eigenen Kosten und Entgelte kennen muss, erlaubt, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen.

Nachweis wettbe­wer­bs­widriger Wirkung erforderlich

In Bezug auf die Wirkungen der fraglichen Verhaltensweise schließlich befindet der Gerichtshof wie das Gericht, dass eine Praxis der Margen­be­schneidung den Zugang der Wettbewerber von Deutsche Telekom zu dem betroffenen Markt erschwert haben muss. Der Nachweis einer wettbe­wer­bs­widrigen Wirkung ist daher erforderlich. Im vorliegenden Fall hat das Gericht zu Recht solche Wirkungen als nachgewiesen erachtet. Da die von der Deutsche Telekom angebotenen Vorleis­tungs­zu­gangs­dienste für ihre Wettbewerber unerlässlich sind, um in die Märkte für Endkun­den­zu­gangs­dienste wirksam vordringen zu können, behindert eine Margen­be­schneidung grundsätzlich die Entwicklung des Wettbewerbs auf den Märkten für Endkun­den­zu­gangs­dienste, weil unter diesen Bedingungen ein zumindest ebenso effizienter Wettbewerber wie die Deutsche Telekom auf dem Markt für Endkun­den­zu­gangs­dienste nicht tätig sein kann, ohne dabei Verluste zu erleiden. Der Gerichtshof weist folglich das Rechtsmittel zurück und bestätigt die von der Kommission verhängte Geldbuße von 12,6 Mio. Euro.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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