18.10.2024
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Dokument-Nr. 18473

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Urteil10.07.2014Gerichtshof der Europäischen UnionC-358/13 und C-181/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GRURPrax 2014, 363 (Claudia Seitz)Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (GRURPrax), Jahrgang: 2014, Seite: 363, Entscheidungsbesprechung von Claudia Seitz
  • NJW-Spezial 2014, 505 (Klaus Leipold und Stephan Beukelmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2014, Seite: 505, Entscheidungsbesprechung von Klaus Leipold und Stephan Beukelmann
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil10.07.2014

Kräuter­mi­schungen mit synthetischen Cannabinoide als Ersatz für Marihuana sind keine ArzneimittelStoffen fehlt es für Anerkennung als Arzneimittel an einer für den Körper zuträglichen Wirkung

Kräuter­mi­schungen, die synthetische Cannabinoide enthalten und als Ersatz für Marihuana konsumiert werden, sind keine Arzneimittel. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass der Arznei­mit­tel­begriff im Unionsrecht* Stoffe nicht einschließt, die – wie Kräuter­mi­schungen mit synthetischen Cannabinoiden – in ihrer Wirkung die physiologischen Funktionen schlicht beeinflussen, ohne geeignet zu sein, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesund­heits­schädlich sind.

Hintergrund

Der Gerichtshof beantwortet damit Fragen des Bundes­ge­richtshofs, der im Rahmen zweier Strafverfahren zu entscheiden hat, ob der Verkauf von Kräuter­mi­schungen, die synthetische Cannabinoide enthalten und als Ersatz für Marihuana benutzt werden, strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt des illegalen Verkaufs bedenklicher Arzneimittel verfolgt werden kann. Zwei Verkäufer solcher Mischungen (Herr D. und Herr G.) wurden nämlich von den Vorinstanzen wegen des Verkaufs bedenklicher Arzneimittel zu Freiheits­s­trafen von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung (Herr D.) bzw. vier Jahren und sechs Monaten (Herr G.) verurteilt; im Falle von Herrn G. wurde zudem ein Werter­satz­verfall in Höhe von 200.000 Euro angeordnet. Zu der für die Sachverhalte maßgeblichen Zeit fielen synthetische Cannabinoide nicht unter das deutsche Betäu­bungs­mit­tel­gesetz, so dass von den deutschen Behörden auf der Grundlage dieses Gesetzes keine Strafverfolgung eingeleitet werden konnte.

Erhoffter gesund­heit­licher Effekt von synthetischen Cannabinoiden konnte nicht erzielt werden

Der Konsum der in Rede stehenden synthetischen Cannabinoide führt im Allgemeinen zu einem Rauschzustand, der von gehobener Stimmung bis hin zu Halluzinationen gehen kann. Er kann auch Übelkeit, heftiges Erbrechen, Herzrasen, Desorientierung, Wahnvor­stel­lungen und sogar Kreis­lauf­versagen hervorrufen. Die besagten synthetischen Cannabinoide waren von der Pharmaindustrie im Rahmen vorex­pe­ri­men­teller Studien getestet worden. Die Testreihen wurden bereits in der ersten experimentell-pharma­ko­lo­gischen Phase abgebrochen, denn es stellte sich heraus, dass die gesund­heit­lichen Effekte, die man sich von diesen Stoffen versprochen hatte, nicht erzielt werden konnten und dass erhebliche Nebenwirkungen aufgrund der psychoaktiven Wirksamkeit der Stoffe zu erwarten waren.

Stoffe ohne positiven Nutzen für die menschliche Gesundheit sind nicht als Arzneimittel anzusehen

Unter Berück­sich­tigung zum einen des Ziels des Unionsrechts, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu erreichen, und zum anderen des Kontexts, in dem der Begriff des Arzneimittels steht, gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass dieser Begriff Stoffe nicht einschließt, die in ihrer Wirkung die physiologischen Funktionen schlicht beeinflussen, ohne geeignet zu sein, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.

In Rede stehende Mischungen sind gesund­heits­schädlich und werden ausschließlich zu Entspan­nungs­zwecken konsumiert

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die in Rede stehenden Mischungen nach den Ausführungen des Bundes­ge­richtshofs nicht zu therapeutischen, sondern ausschließlich zu Entspan­nungs­zwecken konsumiert werden und dabei gesund­heits­schädlich sind. In Anbetracht des Ziels, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu erreichen, des Erfordernisses einer kohärenten Auslegung des Arznei­mit­tel­be­griffs und des Erfordernisses, die etwaige Schädlichkeit und die therapeutische Wirksamkeit eines Erzeugnisses in Relation zueinander zu setzen, können solche Stoffe nicht als Arzneimittel eingestuft werden. Der Umstand, dass dieses Ergebnis zur Folge haben könnte, dass der Vertrieb der fraglichen Stoffe jeder Strafverfolgung entzogen ist, ist nicht geeignet, die Würdigung durch den Gerichtshof in Frage zu stellen.

Erläuterungen
* Der Begriff "Arzneimittel" ist u. a. in Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemein­schafts­kodexes für Humana­rz­nei­mittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung definiert. Nach dieser Bestimmung sind Arzneimittel "alle Stoffe oder Stoff­zu­sam­men­set­zungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharma­ko­lo­gische, immunologische oder metabolische Wirkung wieder­her­zu­stellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen".

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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