18.10.2024
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Dokument-Nr. 6279

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Urteil26.06.2008Gerichtshof der Europäischen UnionC-329/06, C-343/06, C-334/06, C-336/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • EuZW 2008, 472Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), Jahrgang: 2008, Seite: 472
  • NJW 2008, 2403Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 2403
  • NZV 2008, 641Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2008, Seite: 641
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.06.2008

Europäischer Gerichtshof erschwert sogenannten Führerschein­tourismusAnerkennung eines ausländischen Führerscheins nur bei Wohnsitz im jeweiligen Mitgliedsstaat

Deutschland muss grundsätzlich die tschechischen Führerscheine anerkennen, die seinen Staats­an­ge­hörigen nach dem Entzug ihrer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellt worden sind. Deutschland kann jedoch die Anerkennung dieser Führerscheine verweigern, wenn sich aus dem tschechischen Führerschein oder aus Informationen aus der Tschechischen Republik ergibt, dass diese Staats­an­ge­hörigen zum Zeitpunkt der Ausstellung dieser Führerscheine ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik hatten.

Nach einer Gemein­schafts­richtlinie erkennen die Mitgliedstaaten die von ihnen ausgestellten Führerscheine gegenseitig an. Nach dieser Richtlinie muss der Inhaber einer Fahrerlaubnis bei deren Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats haben, der sie erteilt. Außerdem muss der Inhaber eine Prüfung bestimmter Fähigkeiten und Verhal­tens­weisen und eine Prüfung bestimmter Kenntnisse ablegen sowie bestimmte gesundheitliche Anforderungen erfüllen.

Wurde eine Fahrerlaubnis in Deutschland entzogen, wird das Recht, von einem Führerschein Gebrauch zu machen, den ein anderer Mitgliedstaat ausgestellt hat, auf dessen Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.

Deutsche Staats­an­ge­hörige mit Wohnsitz in Deutschland, denen die Fahrerlaubnis entzogen worden war, ließen sich tschechische Führerscheine ausstellen

Mehrere deutsche Staats­an­ge­hörige, denen die deutschen Behörden die Fahrerlaubnis wegen Fahrens unter Alkohol- oder Drogeneinfluss entzogen hatten, begaben sich 2004 und 2005 in die Tschechische Republik, um sich dort tschechische Führerscheine ausstellen zu lassen. Zum Zeitpunkt der Ausstellung ihrer tschechischen Führerscheine hatten sie, wie sich aus den Angaben in diesen Führerscheinen ergibt, ihren Wohnsitz in Deutschland. Die betreffenden Personen waren in Deutschland nicht mehr mit einer Sperrfrist belegt, waren aber nicht in der Lage, eine zusätzliche im deutschen Recht vorgeschriebene Voraussetzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu erfüllen: Personen, denen die Fahrerlaubnis wegen Fahrens unter Alkohol- oder Drogeneinfluss entzogen wurde, müssen bei der zuständigen Behörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorlegen, um nachzuweisen, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen.

Medizinisch-psychologisches Gutachten fehlte

Da die betroffenen Fahrer ein solches Sachver­stän­di­gen­gut­achten nicht beibrachten, entzogen die deutschen Behörden ihnen das Recht, von ihren tschechischen Führerscheinen in Deutschland Gebrauch zu machen. Diese Bescheide wurden vor den deutschen Gerichten, denen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide obliegt, angefochten. Diese Gerichte fragen den Gerichtshof danach, in welchem Umfang die Mitgliedstaaten befugt sind, es abzulehnen, in ihrem Hoheitsgebiet die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen.

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass ein Mitgliedstaat generell die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine ohne jede vorherige Formalität anzuerkennen hat, auch wenn dieser andere Mitgliedstaat nicht dieselben Anforderungen aufstellt, wie sie im erstgenannten in Bezug auf die ärztliche Untersuchung gelten, die den Erwerb des Führerscheins ermöglicht.

EuGH: Grundsätzlich sind Führerscheine eines anderen Mitgliedstaates in Deutschland anzuerkennen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es Aufgabe des Ausstel­ler­mit­glied­staats ist, zu prüfen, ob die im Gemein­schaftsrecht aufgestellten Mindest­vor­aus­set­zungen erfüllt sind. Folglich ist der Besitz als solcher eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am Tag der Erteilung des Führerscheins diese Voraussetzungen erfüllte.

Ein während der Sperrfrist in einem anderen Mitgliedsstaat erworbener Führerschein muss in Deutschland nicht anerkannt werden

Der Gerichtshof erinnert jedoch daran, dass ein Mitgliedstaat einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewandt worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins versagen kann. Dagegen kann ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat außerhalb einer Sperrzeit ausgestellten Führerscheins nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Inhaber dieses Führerscheins die Voraussetzungen nicht erfüllt, die nach den Rechts­vor­schriften des ersten Mitgliedstaats für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätigt, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen.

Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass die Mitgliedstaaten aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs ihre inner­staat­lichen Vorschriften über den Entzug der Fahrerlaubnis auf jeden Inhaber eines Führerscheins anwenden können, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hat. Diese Befugnis kann jedoch nur aufgrund eines Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ausgeübt werden.

Deutschland kann die Anerkennung eines ausländischen Führerscheins ablehnen, wenn der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen Wohnsitz in Deutschland hatte

Der Gerichtshof hebt schließlich hervor, dass die Voraussetzung eines einzigen ordentlichen Wohnsitzes die Sicherheit des Straßenverkehrs gewährleistet, da sie unerlässlich ist, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen. Soweit in den vorliegenden Rechtssachen nicht anhand der von den deutschen Behörden stammenden Informationen, sondern auf der Grundlage von Angaben in den tschechischen Führerscheinen selbst oder anderen von der Tschechischen Republik herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die Wohnsitz­vor­aus­setzung nicht erfüllt war, kann Deutschland es ablehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrbe­rech­tigung anzuerkennen, die sich aus den fraglichen tschechischen Führerscheinen ergibt.

Quelle: ra-online, EuGH (pm)

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