15.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil19.06.2012

EuGH konkretisiert Anforderungen für Angaben von Waren und Dienst­leis­tungen bei Marken­schutz­an­mel­dungenWaren oder Dienst­leis­tungen sind vom Anmelder klar und eindeutig zu klassifizieren

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Anforderungen an die Angaben von Waren und Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt werden soll, konkretisiert und festgelegt, dass diese Waren oder Dienst­leis­tungen vom Anmelder so klar und eindeutig angegeben werden müssen, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschafts­teil­nehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes erkennen können.

Die beiden wesentlichen Bestandteile der Eintragung einer Marke sind zum einen das Zeichen und zum anderen die Waren und Dienst­leis­tungen, die dieses Zeichen bezeichnen soll. Zusammen genommen ermöglichen es diese Bestandteile, den genauen Gegenstand und den Umfang des Schutzes zu bestimmen, den die eingetragene Marke ihrem Inhaber gewährt.

Nachdem der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung* schon die Voraussetzungen benannt hat, die ein Zeichen erfüllen muss, damit es eine Marke sein kann, befasst er sich in der vorliegenden Rechtssache mit den Anforderungen an die Angabe der Waren oder Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt wird. Diese Frage ist zu einem Zeitpunkt, da sich die Praxis der nationalen Markenämter und des HABM (Harmo­ni­sie­rungsamt für den Binnenmarkt) ausein­an­der­ent­wickelt, was zu unter­schied­lichen, den mit der europäischen Marken­richtlinie verfolgten Zielen zuwider­lau­fenden Voraussetzungen für die Eintragung führt, von besonderer Bedeutung**.

Hintergrund zur internationalen Klassifikation von Waren und Dienst­leis­tungen für Eintragung von Marken

Auf internationaler Ebene ist das Markenrecht durch die Pariser Verbands­über­einkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums*** geregelt. Diese Verbands­über­einkunft diente als Grundlage für die Annahme des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienst­leis­tungen für die Eintragung von Marken****. Seit dem 1. Januar 2002 sieht die Nizzaer Klassifikation eine Klassen­ein­teilung in 34 Warenklassen und 11 Dienst­leis­tungs­klassen vor. Jede Klasse ist mit einem oder mehreren für gewöhnlich „Klassen­über­schrift“ genannten Oberbegriffen bezeichnet, die allgemein die Bereiche angeben, zu denen die Waren oder Dienst­leis­tungen dieser Klasse grundsätzlich gehören. Die alphabetische Liste der Waren und Dienst­leis­tungen umfasst etwa 12 000 Eintragungen.

Sachverhalt

Am 16. Oktober 2009 meldete das Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) die Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ als nationale Marke an. Zur Angabe der von dieser Anmeldung erfassten Dienst­leis­tungen verwendete das CIPA die Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer Klassifikation, nämlich „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.

Anmeldung – gestützt auf nationale Vorschriften zur Umsetzung der Marken­richtlinie – zurückgewiesen

Mit Entscheidung vom 12. Februar 2010 wies der Registrar of Trade Marks (Markenamt des Vereinigten Königreichs) diese Anmeldung gestützt auf nationale Vorschriften zur Umsetzung der Marken­richtlinie zurück. Der Registrar legte die Anmeldung nämlich im Einklang mit einer Mitteilung des HABM***** im Rahmen einer Gesamt­be­trachtung aus. Er kam zu dem Ergebnis, dass sie nicht nur die Dienst­leis­tungen der vom CIPA genannten Art, sondern auch alle anderen Dienst­leis­tungen dieser Klasse der Nizzaer Klassifikation einschließlich Überset­zungs­dienst­leis­tungen erfasse. Daher fehle es der Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ für die letztgenannten Dienst­leis­tungen an Unter­schei­dungskraft, und sie sei beschreibend. Außerdem gebe es keinen Beweis dafür, dass das Wortzeichen „IP TRANSLATOR“ vor dem Zeitpunkt der Anmeldung infolge seiner Benutzung Unter­schei­dungskraft für Überset­zungs­dienst­leis­tungen erworben habe. Das CIPA habe auch nicht beantragt, solche Dienst­leis­tungen von seiner Markenanmeldung auszunehmen.

Das CIPA legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein und trug vor, dass Überset­zungs­dienst­leis­tungen in seiner Anmeldung nicht erwähnt und daher von ihr nicht erfasst würden. Deshalb seien die Einwände des Registrar gegen die Eintragung unzutreffend, und die Anmeldung des CIPA sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zu Erfordernissen der Klarheit und Eindeutigkeit für Angabe der Ware

Der mit dem Rechtsstreit befasste High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) befragt den Gerichtshof zu den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit für die Angabe der Waren oder Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt wird, und über die Möglichkeit, zu diesem Zweck Oberbegriffe der Klassen­über­schriften der Nizzaer Klassifikation zu verwenden.

Waren oder Dienst­leis­tungen sind vom Anmelder klar und eindeutig anzugeben

Mit seinem Urteil betont der Gerichtshof erstens, dass die Marken­richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Waren oder Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschafts­teil­nehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können.

Denn zum einen müssen die zuständigen Behörden hinreichend klar und eindeutig die von einer Marke erfassten Waren oder Dienst­leis­tungen erkennen können, damit sie in der Lage sind, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Vorprüfung der Marke­n­an­mel­dungen sowie auf die Veröf­fent­lichung und den Fortbestand eines zweckdienlichen und genauen Markenregisters nachzukommen. Zum anderen müssen die Wirtschafts­teil­nehmer in der Lage sein, klar und eindeutig in Erfahrung zu bringen, welche Eintragungen oder Anmeldungen ihre gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerber veranlasst haben, und auf diese Weise einschlägige Informationen über die Rechte Dritter zu erlangen.

Klassen­über­schriften der Nizzaer Klassifikation teilweise zu allgemein formuliert

Zweitens entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie der Verwendung der Oberbegriffe, die in den Klassen­über­schriften der Nizzaer Klassifikation enthalten sind, zur Angabe der Waren und Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt wird, nicht entgegensteht. Eine solche Angabe muss jedoch so klar und eindeutig sein, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschafts­teil­nehmer den beantragten Schutzumfang bestimmen können. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass einige der Oberbegriffe in den Klassen­über­schriften der Nizzaer Klassifikation für sich gesehen hinreichend klar und eindeutig sind, während andere zu allgemein formuliert sind und zu unter­schiedliche Waren oder Dienst­leis­tungen abdecken, als dass sie mit der Herkunfts­funktion der Marke vereinbar wären. Daher ist es Sache der zuständigen Behörden, im Einzelfall nach Maßgabe der Waren oder Dienst­leis­tungen, für die der Anmelder den Markenschutz beantragt, zu beurteilen, ob diese Angaben den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit genügen.

Anmelder muss eindeutig angeben, welche Waren oder Dienst­leis­tungen einer Klasse beansprucht werden

Schließlich stellt der Gerichtshof klar, dass der Anmelder einer nationalen Marke, der zur Angabe der Waren oder Dienst­leis­tungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, klarstellen muss, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführten Waren oder Dienst­leis­tungen bezieht. Falls sie sich nur auf einige Waren oder Dienst­leis­tungen beziehen soll, hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienst­leis­tungen dieser Klasse beansprucht werden.

Deshalb ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob das CIPA, als es alle Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet hat, in seiner Anmeldung klargestellt hat, ob mit ihr alle Dienst­leis­tungen dieser Klasse erfasst und ob mit ihr insbesondere Überset­zungs­dienst­leis­tungen beansprucht werden.

Erläuterungen
* Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 2002, Sieckmann (C-273/00).

** Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechts­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).

*** Verbands­über­einkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, unterzeichnet in Paris am 20. März 1883, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305). Alle Mitgliedstaaten haben diese Verbands­über­einkunft unterzeichnet.

**** Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienst­leis­tungen für die Eintragung von Marken, in der diplomatischen Konferenz von Nizza am 15. Juni 1957 angenommen, letztmalig revidiert am 13. Mai 1977 in Genf und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 1154, Nr. I-18200, S. 89).

***** Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des Harmo­ni­sie­rungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 16. Juni 2003 über die Verwendung von Klassen­über­schriften in Verzeichnissen der Waren und Dienst­leis­tungen für Gemein­schafts­ma­r­ke­n­an­mel­dungen und -eintragungen (ABl. HABM, 9/03, S. 1647).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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