18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 34302

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Gerichtshof der Europäischen Union Beschluss04.05.2023

Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schaden­er­satz­an­spruchImmaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten

Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schaden­s­er­satz­an­spruch. Der Schaden­s­er­satz­an­spruch hängt jedoch nicht davon ab, dass der entstandene immaterielle Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht. Dies hat der EuGH entschieden.

Ab dem Jahr 2017 sammelte die Österreichische Post Informationen über die politischen Affinitäten der öster­rei­chischen Bevölkerung. Mit Hilfe eines Algorithmus definierte sie anhand sozialer und demografischer Merkmale "Zielgrup­pe­n­adressen". Aus den so gesammelten Daten leitete die Österreichische Post ab, dass ein bestimmter Bürger eine hohe Affinität zu einer bestimmten öster­rei­chischen politischen Partei habe. Die verarbeiteten Daten wurden jedoch nicht an Dritte übermittelt.

Der betroffene Bürger, der der Verarbeitung seiner perso­nen­be­zogenen Daten nicht zugestimmt hatte, behauptet, er habe dadurch, dass ihm eine besondere Affinität zu der fraglichen Partei zugeschrieben worden sei, großes Ärgernis und einen Vertrau­ens­verlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürt. Als Ersatz des ihm angeblich entstandenen immateriellen Schadens begehrt er vor den öster­rei­chischen Gerichten die Zahlung von 1 000 Euro.

Der österreichische Oberste Gerichtshof äußerte Zweifel in Bezug auf den Schaden­s­er­satz­an­spruch, den die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für den Fall vorsieht, dass wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob der bloße Verstoß gegen die DSGVO ausreicht, um einen Schaden­er­satz­an­spruch zu begründen, und ob für den Ersatz der entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreichen muss. Des Weiteren möchte es wissen, welche unions­recht­lichen Vorgaben für die Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes bestehen.

Drei Voraussetzungen müssen für einen Schaden­er­satz­an­spruch gegeben sein

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass der in der DSGVO vorgesehene Schaden­er­satz­an­spruch eindeutig an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft ist: einen Verstoß gegen die DSGVO, einen materiellen oder immateriellen Schaden, der aus diesem Verstoß resultiert, und einen Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Demnach eröffnet nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO für sich genommen den Schaden­er­satz­an­spruch. Eine andere Auslegung liefe dem klaren Wortlaut der DSGVO zuwider. Zudem führt nach dem Wortlaut der Erwägungsgründe der DSGVO, die speziell den Schaden­er­satz­an­spruch betreffen, ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden und muss ein Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem entstandenen Schaden bestehen, um einen Schaden­er­satz­an­spruch zu begründen. Somit unterscheidet sich die Schaden­er­satzklage von anderen in der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfen - insbesondere von jenen, die die Verhängung von Geldbußen erlauben -, für die das Vorliegen eines individuellen Schadens nicht nachgewiesen werden muss.

EuGH zum Umfang des Schadens

Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass der Schaden­er­satz­an­spruch nicht auf immaterielle Schäden beschränkt ist, die eine gewisse Erheblichkeit erreichen. In der DSGVO wird ein solches Erfordernis nicht erwähnt, und eine solche Beschränkung stünde zu dem vom Unions­ge­setzgeber gewählten weiten Verständnis des Begriffs "Schaden" im Widerspruch. Würde der Ersatz eines immateriellen Schadens von einer Erheb­lich­keits­schwelle abhängig gemacht, könnte dies zudem die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen. Die graduelle Abstufung, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, könnte nämlich je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen.

EuGH zur Bemessung des Schaden­s­e­ratz­an­spruchs

Als Drittes und Letztes stellt der Gerichtshof zu den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes fest, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich diesen Regeln widmet. Daher sind die Ausgestaltung von Klageverfahren, die den Schutz der dem Einzelnen insoweit aus der DSGVO erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, und insbesondere die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des in diesem Rahmen geschuldeten Schadenersatzes Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effek­ti­vi­täts­grundsatz zu beachten sind. In diesem Zusammenhang betont der Gerichtshof die Ausgleichs­funktion des in der DSGVO vorgesehenen Schaden­er­satz­an­spruchs und weist darauf hin, dass dieses Instrument einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/pt)

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