23.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.12.2013

Homosexuelle Arbeitnehmer müssen bei Schließung einer Leben­s­part­ner­schaft gleiche Vergünstigungen erhalten wie Arbeitnehmer nach EheschließungVerweigerung von Vergünstigungen stellt unmittelbare Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung dar

Ein Arbeitnehmer, der einen zivilen Solida­ri­tätspakt mit einem Partner gleichen Geschlechts schließt - weil das Land homosexuellen Paaren eine Eheschließung nicht gestattet -, muss die gleichen Vergünstigungen erhalten, wie sie seinen Kollegen aus Anlass ihrer Eheschließung gewährt werden. Die Weigerung, ihm diese Vergünstigungen zu gewähren, stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung dar. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Nach französischem Recht war zu dem für diese Rechtssache maßgeblichen Zeitpunkt* die Ehe Paaren unter­schied­lichen Geschlechts vorbehalten.

Vergünstigungen wie Sonderurlaub und Gehaltsprämien werden laut Tarifvertrag nur im Fall der Eheschließung gewährt

Herr Hay ist Angestellter des Crédit agricole mutuel, nach dessen Tarifvertrag** Arbeitnehmern aus Anlass ihrer Eheschließung bestimmte Vergünstigungen gewährt werden, nämlich Sonder­ur­laubstage und eine Gehaltsprämie. Herrn Hay, der einen zivilen Solida­ri­tätspakt (pacte civil de solidarité) (PACS) mit seinem Partner gleichen Geschlechts geschlossen hatte, wurden diese Vergünstigungen mit der Begründung verweigert, dass sie nach dem Tarifvertrag nur im Fall der Eheschließung gewährt würden.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH über mögliche Diskriminierung wegen des Geschlechts

Herr Hay hat diese Verweigerung vor den französischen Gerichten angefochten. Die in letzter Instanz angerufene Cour de cassation (Frankreich) fragt den Gerichtshof, ob die unter­schiedliche Behandlung von Personen, die einen PACS mit ihrem Partner gleichen Geschlechts geschlossen haben, eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung darstellt, die nach dem Unionsrecht in Arbeits­ver­hält­nissen verboten ist***.

EuGH prüft Vergleich­barkeit von Eheschließung und Schließung eines Solida­ri­tätspakts

In seinem Urteil prüft der Gerichtshof zunächst, ob die Situation von Personen, die eine Ehe schließen, und die von Personen, die einen PACS eingehen, weil sie nicht die Möglichkeit haben, mit einer Person gleichen Geschlechts eine Ehe zu schließen, in Bezug auf die Gewährung der fraglichen Vergünstigungen vergleichbar sind. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass letztere sich, ebenso wie Ehepartner, in einem genau bestimmten rechtlichen Rahmen verpflichten, eine Lebens­ge­mein­schaft zu führen und sich gegenseitige materielle Unterstützung und gegenseitigen Beistand zu leisten. Zudem weist der Gerichtshof darauf hin, dass der PACS zu dem für diese Rechtssache maßgeblichen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit darstellte, die das französische Recht gleich­ge­schlecht­lichen Paaren bot, um ihrer Partnerschaft einen festen rechtlichen Status zu verleihen, der Dritten entge­gen­ge­halten werden kann.

EuGH bejaht Vergleich­barkeit der beiden Lebens­ge­mein­schaften

Daher sind die Situation von Personen, die eine Ehe schließen, und die von Personen gleichen Geschlechts, die einen PACS eingehen, weil sie nicht die Möglichkeit haben, eine Ehe zu schließen, hinsichtlich der Gewährung der fraglichen Vergünstigungen vergleichbar.

Tarifvertrag begründet unmittelbare, auf der sexuellen Ausrichtung beruhende Diskriminierung von homosexuellen Arbeitnehmern

Ferner begründet der Tarifvertrag, nach dem Arbeitnehmern, die eine Ehe schließen, bezahlter Urlaub und eine Prämie gewährt werden, während die Ehe Personen gleichen Geschlechts nicht offensteht, nach Auffassung des Gerichtshofs eine unmittelbare, auf der sexuellen Ausrichtung beruhende Diskriminierung von homosexuellen Arbeitnehmern, die einen PACS geschlossen haben. Dass der PACS nicht ausschließlich homosexuellen Paaren vorbehalten ist, ändert nichts am Wesen der Diskriminierung dieser Paare, denen damals – anders als heterosexuellen Paaren – die Schließung einer Ehe rechtlich nicht möglich war.

Angefochtene Bestimmung des Tarifvertrags steht Unionsrecht entgegen

Da schließlich die ungünstigere Behandlung von Paaren, die einen PACS geschlossen haben, durch keinen in der Richtlinie vorgesehenen zwingenden Grund des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt ist, antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht der angefochtenen Bestimmung des Tarifvertrags entgegensteht.

Erläuterungen

* Die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts wurde in Frankreich durch das Gesetz Nr. 2013-404 vom 17. Mai 2013 zugelassen.

** Der Tarifvertrag des Crédit agricole mutuel wurde am 10. Juli 2008 dahin geändert, dass die fraglichen Vergünstigungen auf durch einen zivilen Solida­ri­tätspakt verbundene Personen erstreckt wurden. Da diese Änderung jedoch nicht rückwirkend gilt, erfasst sie nicht die Situation von Herrn Hay, der mit seinem Partner am 11. Juli 2007 einen zivilen Solida­ri­tätspakt geschlossen hat.

*** Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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