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- Ärzteversorgung: Keine Hinterbliebenenrente für gleichgeschlechtliche LebenspartnerVerwaltungsgericht Koblenz, Urteil10.07.2006, 3 K 1997/05.KO
- Ärzteversorgungswerk muss Ehe- und Lebenspartner nicht gleichbehandelnVerwaltungsgericht Münster, Urteil29.12.2005, 7 K 3436/02
- Ärztekammer muss Lebenspartnerschaften gleichstellen - Lebenspartner haben selben Anspruch auf Rente wie EheleuteVerwaltungsgericht Berlin, Urteil22.06.2005, 14 A 44.02
Gerichtshof der Europäischen Union Urteil01.04.2008
Gleichgeschlechtlicher Lebenspartner kann Anspruch auf Witwerrente aus berufsständischem Versorgungssystem habenEuropäischer Gerichtshof unterbindet Diskriminierung aufgrund sexueller Ausrichtung
Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte homosexueller Partner gestärkt. Das jeweilige nationale Gericht hat zu prüfen, ob sich der überlebende Lebenspartner in einer Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die betreffende Hinterbliebenenversorgung erhält, vergleichbar ist.
Im Jahr 2001 begründete Herr Maruko nach dem einschlägigen deutschen Gesetz eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einem Kostümbildner. Dieser war seit 1959 bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (VddB), dem Träger der Alters- und Hinterbliebenenversicherung für die an deutschen Theatern tätigen Bühnenangehörigen, versichert. Der Lebenspartner verstarb im Jahr 2005, woraufhin Herr Maruko bei der VddB Witwerrente beantragte. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Satzung der VddB einen solchen Anspruch für Lebenspartner nicht vorsehe.
Bayerisches Verwaltungsgericht München rief den EuGH an
Das Bayerische Verwaltungsgericht München, das über die von Herrn Maruko erhobene Klage zu entscheiden hat, hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angerufen, um in Erfahrung zu bringen, ob die Weigerung, einem Lebenspartner Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, eine nach der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verbotene Diskriminierung darstellt. Mit dieser Richtlinie soll u. a. die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung bekämpft werden.
Kann die Hinterbliebenenversorgung als Arbeitsentgelt eingestuft werden?
Da sich die Richtlinie jedoch nicht auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme erstreckt, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinne des Gemeinschaftsrechts gleichgestellt werden, muss der Gerichtshof zunächst prüfen, ob die streitige Hinterbliebenenversorgung als Arbeitsentgelt eingestuft werden kann. Dazu stellt er fest, dass sich das berufsständische Versorgungssystem der VddB auf einen Tarifvertrag gründet, der die Sozialleistungen ergänzen soll, die nach den allgemein anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften gewährt werden. Dieses Versorgungssystem wird ausschließlich von den Arbeitnehmern und deren Arbeitgebern unter Ausschluss jeder finanziellen Beteiligung seitens des Staates finanziert.
Darüber hinaus betrifft das Ruhegeld, auf dessen Grundlage die Hinterbliebenenversorgung berechnet wird, nur eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern, und seine Höhe bemisst sich nach der Versicherungsdauer des Arbeitnehmers und der Höhe der entrichteten Beiträge. Die Hinterbliebenenversorgung entspringt somit dem Arbeitsverhältnis des verstorbenen Partners und ist daher als Arbeitsentgelt einzuordnen. Aus diesem Grund findet die Richtlinie Anwendung. Zur Frage, ob die Weigerung, dem eingetragenen Lebenspartner die Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung darstellt, stellt der Gerichtshof im Lichte des Vorlagebeschlusses fest, dass Deutschland zwar die Ehe Personen verschiedenen Geschlechts vorbehalten, jedoch die Lebenspartnerschaft geschaffen hat, deren Bedingungen schrittweise denen der Ehe angeglichen worden sind. Nach den Satzungsbestimmungen der VddB wird die Hinterbliebenenversorgung aber nur überlebenden Ehegatten gewährt. Somit erfahren Lebenspartner, da ihnen die Versorgung verweigert wird, in diesem Fall eine weniger günstige Behandlung als überlebende Ehegatten.
Verweigerung der Hinterbliebenenversorgung stellt unmittelbare Diskriminierung dar, wenn der überlebende Lebenspartner und der überlebende Ehegatte sich in vergleichbaren Situationen befinden
Demzufolge hat der Gerichtshof entschieden, dass die Weigerung, Lebenspartnern die Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung darstellt, falls sich überlebende Ehegatten und überlebende Lebenspartner in Bezug auf diese Versorgung in einer vergleichbaren Situation befinden. Es ist Sache des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, diese Voraussetzung zu prüfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.04.2008
Quelle: ra-online, EuGH
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