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- K&R 2013, 576Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2013, Seite: 576
Gerichtshof der Europäischen Union Urteil18.07.2013
Italienische Regelung über Fernsehwerbung grundsätzlich mit Unionsrecht vereinbarGrundsatz der Verhältnismäßigkeit darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden
Die italienische Regelung über Fernsehwerbung, die für Bezahlfernsehen eine kürzere maximale Sendezeit für Werbung vorsieht als für frei empfangbares Fernsehen, steht grundsätzlich im Einklang mit dem Unionsrecht. Allerdings muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sieht für die Fernsehwerbung Mindestnormen und Kriterien vor, um den Schutz der Interessen der Verbraucher als Zuschauer sicherzustellen. Dazu legt sie für Fernsehwerbespots und Teleshoppingspots eine Beschränkung auf 20 % der Sendezeit pro Stunde fest, lässt aber den Mitgliedstaaten die Befugnis, für Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen vorzusehen.
Vorschriften im italienischen Recht zur Ausstrahlung von Werbung
Im italienischen Recht ist vorgesehen, dass die Ausstrahlung von Werbemitteilungen durch die Konzessionärin des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehdienstes 4 % der wöchentlichen Sendezeit und 12 % pro Stunde nicht überschreiten darf. Die Ausstrahlung von Werbespots durch andere frei empfangbare Fernsehsender darf 15 % der täglichen Sendezeit und 18 % pro Stunde nicht überschreiten, während sie bei Bezahlfernsehsendern im Jahr 2011 14 % pro Stunde nicht überschreiten durfte (wobei in diesen beiden Fällen eine eventuelle Überschreitung, die jedenfalls nicht mehr als 2 % pro Stunde betragen darf, in der vorhergehenden oder nachfolgenden Stunde ausgeglichen werden muss).
Sky Italia überschritt Höchstsendezeit für Fernsehwerbung
Am 5. März 2011 strahlte Sky Italia zwischen 21 Uhr und 22 Uhr auf ihrem Bezahlfernsehsender Sky Sport 1 24 Werbespots mit einer Gesamtdauer von 10 Minuten und 4 Sekunden aus, was 16,78 % der stündlichen Sendezeit entsprach und damit die für Bezahlfernsehen geltende nationale Höchstsendezeit für Fernsehwerbung von 14 % pro Stunde überschritt. Die Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen (AGCOM) verhängte deshalb gegen Sky Italia eine Geldbuße in Höhe von 10 329 Euro.
Sky Italia hält Geldbuße als unionswidrig
Sky Italia beantragte beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht der Region Latium, Italien) die Nichtigerklärung der Entscheidung der AGCOM, die sie als unionsrechtswidrig ansieht.
Dieses Gericht fragt den Gerichtshof, ob die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung und die durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten eine nationale Regelung zulassen, die für Bezahlfernsehen eine kürzere maximale Sendezeit pro Stunde für Werbung vorsieht als für frei empfangbares Fernsehen.
Richtlinie sieht Mindestnormen vor
In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Richtlinie keine vollständige Harmonisierung in den von ihr erfassten Bereichen vornimmt, sondern Mindestnormen vorsieht.
Nationale Vorschriften müssen Grundsatz der Gleichbehandlung beachten
Die Mitgliedstaaten sind daher befugt, strengere oder ausführlichere Bestimmungen und in bestimmten Fällen unterschiedliche Bedingungen vorzusehen, sofern sie im Einklang mit dem Unionsrecht stehen. Soweit die Richtlinie bestimmt, dass der Anteil von Fernsehwerbespots und Teleshoppingspots 20 % nicht überschreiten darf, schließt sie es daher nicht aus, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Grenzen unterhalb dieser Schwelle vorschreiben können. Die nationalen Vorschriften müssen allerdings den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten.
Grundsätze und Ziele der Regelungen dienen zum Schutz
Der Gerichtshof hebt sodann hervor, dass die Grundsätze und Ziele der Regelungen über die Sendezeit für Fernsehwerbung einen ausgewogenen Schutz der finanziellen Interessen der Fernsehsender und der Werbetreibenden einerseits sowie der Interessen der Autoren und Urheber sowie der Verbraucher als Zuschauer andererseits bezwecken. Dieser Ausgleich variiert in Abhängigkeit davon, ob die Fernsehsender ihre Programme gegen Bezahlung oder ohne Bezahlung übertragen.
Bezahlfensehsender und frei empfangbare Fernsehsender unterscheiden durch Finanzierungsquelle
Die finanziellen Interessen der Bezahlfernsehsender, die durch die von den Zuschauern abgeschlossenen Abonnements Einnahmen erzielen, unterscheiden sich nämlich von denen der frei empfangbaren Fernsehsender, die über keine solche unmittelbare Finanzierungsquelle verfügen und die benötigten Mittel u. a. durch mit Fernsehwerbung erzielte Einnahmen aufbringen müssen. Ein solcher Unterschied ist grundsätzlich geeignet, die Bezahlfernsehsender in eine objektiv andere Situation zu versetzen. Auch unterscheidet sich die Situation der Zuschauer, die Abonnenten eines Bezahlfernsehens sind (und dem Sender einen Preis zahlen, um in den Genuss der Programme zu kommen), von der Situation der Zuschauer von frei empfangbarem Fernsehen.
Ausgewogener Schutz der finanziellen Interessen richtet sich nach Art des Fernsehens
Daraus folgt, dass der nationale Gesetzgeber bei der Suche nach einem ausgewogenen Schutz der finanziellen Interessen der Fernsehsender und der Interessen der Fernsehzuschauer die Sendezeit pro Stunde für Werbung unterschiedlich begrenzen kann, je nachdem, ob es sich um Bezahlfernsehen oder frei empfangbares Fernsehen handelt.
Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die italienische Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs mit sich bringen könnte.
Schutz der Verbraucher zwingender Grund des Allgemeininteresses
Dazu führt der Gerichtshof aus, dass indessen der Schutz der Verbraucher gegen ein Übermaß an geschäftlicher Werbung einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann, soweit die entsprechenden Beschränkungen geeignet sind, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.08.2013
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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