23.11.2024
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Dokument-Nr. 9312

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Urteil04.03.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-197/08, C-198/08, C-221/08
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil04.03.2010

EuGH: Klein­ver­kaufs­min­dest­preise für Tabakwaren nicht mit EU-Richtlinien vereinbarVorgegebene Gesund­heits­schutzziele auch durch Anhebung der Verbrauchsteuer erreichbar

Die Regelungen Frankreichs, Österreichs und Irlands, mit denen Klein­ver­kaufs­min­dest­preise für Zigaretten festgesetzt werden, verstoßen gegen Unionsrecht. Die Gesund­heits­schutzziele können mit einer Anhebung der Verbrauch­steuern erreicht werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften hervor.

Die Kommission hat beim Gerichtshof drei Vertrags­ver­let­zungs­klagen – gegen Frankreich, Österreich und Irland – eingereicht, weil ihres Erachtens die Regelungen dieser drei Mitgliedstaaten, mit denen Mindestpreise für bestimmte Tabakwaren festgesetzt werden, nämlich für Zigaretten und andere Tabak­er­zeugnisse in Frankreich, für Zigaretten und für Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten in Österreich und für Zigaretten in Irland, gegen die Richtlinie 95/59 verstoßen, in der bestimmte Regeln zur Verbrauchsteuer auf diese Erzeugnisse festgelegt sind. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Zigaretten mit einer Verbrauchsteuer zu belegen, die aus einem nach dem Klein­ver­kaufs­höchstpreis berechneten proportionalen Bestandteil (ad valorem) und einem spezifischen Bestandteil besteht, dessen Betrag auf der Grundlage von Zigaretten der gängigsten Preisklasse festgesetzt wird, aber weder niedriger als 5 % noch höher als 55 % des Gesamtbetrags der Verbrauchsteuer sein darf. Der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein. Die Richtlinie sieht auch vor, dass die Hersteller und die Einführer von Tabakwaren für jedes ihrer Erzeugnisse den Klein­ver­kaufs­höchstpreis frei bestimmen (Art. 9 Abs. 1).

Regelung der Mitglieds­s­taaten verstößt gegen freien Wettbewerb

Nach Auffassung der Kommission beeinträchtigen die Regelungen der drei Mitgliedstaaten, die Mindestpreise in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Durch­schnitts­preise der betreffenden Tabakwaren (95 % in Frankreich, 92,75 % für Zigaretten und 90 % für Feinschnitt in Österreich sowie 97 % in Irland) vorschreiben, die Freiheit der Hersteller und der Einführer, die Klein­ver­kaufs­höchst­preise ihrer Erzeugnisse zu bestimmen, und damit den freien Wettbewerb. Diese Regelungen verstießen daher gegen die Richtlinie.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass mit der Richtlinie insbesondere sichergestellt werden soll, dass die Ermittlung der Bemes­sungs­grundlage der proportionalen Verbrauchsteuer auf Tabakwaren in allen Mitgliedstaaten denselben Regeln unterliegt, aber auch die Freiheit der Hersteller und der Einführer erhalten bleiben soll, die es ihnen ermöglicht, aus etwaigen niedrigeren Geste­hungs­preisen tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen.

Klein­ver­kaufs­höchstpreis ist geeignet Wettbe­wer­bs­ver­hältnisse zu beeinflussen

Die Vorgabe eines Klein­ver­kaufs­min­dest­preises hat, so der Gerichtshof, zur Folge, dass der von den Herstellern oder den Einführern bestimmte Klein­ver­kaufs­höchstpreis jedenfalls nicht unter diesem verbindlichen Mindestpreis liegen kann, und ist daher geeignet, die Wettbe­wer­bs­ver­hältnisse zu beeinträchtigen, indem bestimmte Hersteller oder Einführer daran gehindert werden, niedrigere Geste­hungs­kosten auszunutzen, um günstigere Klein­ver­kauf­s­preise anzubieten.

Ausgestaltung der Richtlinie muss Beein­träch­tigung des Wettbe­wer­bs­vorteils ausschließen

Der Gerichtshof stellt somit fest, dass ein System von Klein­ver­kaufs­min­dest­preisen für Tabakwaren nicht als mit der Richtlinie vereinbar angesehen werden kann, wenn seine Ausgestaltung es nicht unter allen Umständen ausschließt, dass der Wettbe­wer­bs­vorteil, der sich für bestimmte Hersteller oder Einführer solcher Erzeugnisse aus niedrigeren Geste­hungs­kosten ergeben könnte, beeinträchtigt wird.

Die Prüfung der nationalen Rechts­vor­schriften lässt den Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich mit ihnen nicht unter allen Umständen ausschließen lässt, dass die vorge­schriebenen Mindestpreise den Wettbe­wer­bs­vorteil beeinträchtigen, der sich für bestimmte Hersteller oder Einführer von Tabakwaren aus niedrigeren Geste­hungs­kosten ergeben könnte.

Der Gerichtshof weist sodann die von den drei Mitgliedstaaten zur Verteidigung ihrer Regelungen vorgebrachten Argumente zurück.

Ziele der Preispolitik dürfen nicht gegen Richtlinie verstoßen

So ist erstens das Rahmen­über­ein­kommen der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sation (WHO) nicht geeignet, die Schluss­fol­gerung des Gerichtshofs in Frage zu stellen, da es den Vertrags­parteien keine konkrete Verpflichtung hinsichtlich der Preispolitik für Tabak­er­zeugnisse auferlegt, aufgrund deren sie gegen die Bestimmungen der Richtlinie verstoßen dürften. Außerdem steht die Richtlinie einer Preispolitik nicht entgegen, solange diese nicht gegen die Ziele der Richtlinie verstößt.

Zweitens kann das in Art. 30 EG vorgesehene Ziel des Gesund­heits­schutzes nur geltend gemacht werden, um die in den Art. 28 EG und 29 EG genannten Maßnahmen der mengenmäßigen Einfuhr- und Ausfuhr­be­schränkung und Maßnahmen gleicher Wirkung zu rechtfertigen. Die Kommission hat ihre Klagen aber nicht auf diese Bestimmungen des EG-Vertrags gestützt.

Richtlinie hinter Mitgliedstaaten an Eindämmung des Tabakkonsums

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie 95/59 den Gesund­heits­schutz sicherstellt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, die Eindämmung des Tabakkonsums weiter­zu­ver­folgen. Er weist darauf hin, dass die Steuer­vor­schriften ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums von Tabakwaren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen, da das Ziel, sicherzustellen, dass für diese Waren hohe Preise festgesetzt werden, in angemessener Weise durch eine erhöhte Besteuerung der Tabakwaren verfolgt werden kann, weil sich die Verbrauch­steu­e­r­er­hö­hungen früher oder später in einer Erhöhung der Klein­ver­kauf­s­preise niederschlagen müssen, ohne dass dies den Grundsatz der freien Preis­fest­setzung antasten würde.

Mitgliedstaaten sind nicht gehindert, nicht kostendeckenden Verkauf von Tabakwaren zu verbieten

Der Gerichtshof führt ergänzend aus, dass das Verbot der Festsetzung von Mindestpreisen die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, den nicht kostendeckenden Verkauf von Tabakwaren zu verbieten, da die Freiheit der Hersteller und der Einführer, die Klein­ver­kaufs­höchst­preise für ihre Erzeugnisse festzusetzen, nicht beeinträchtigt wird. Diese Wirtschafts­teil­nehmer könnten in diesem Fall die Auswirkung der Steuern auf diese Preise nicht dadurch auffangen, dass sie ihre Erzeugnisse zu einem Preis verkaufen, der unter der Summe der Geste­hungs­kosten und der Gesamtheit der Abgaben liegt.

Quelle: ra-online, EuGH

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