24.11.2024
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Dokument-Nr. 14134

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Urteil06.09.2012Gerichtshof der Europäischen UnionC-190/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2012, 670Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2012, Seite: 670
  • MMR 2012, 805Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 805
  • NJW 2012, 3225Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 3225
  • WRP 2012, 1373Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2012, Seite: 1373
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil06.09.2012

Verbraucher kann ausländischen Gewer­be­be­trei­benden nicht nur bei Abschluss eines Fernab­satz­ver­trages im Inland verklagenEuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Klagen von Verbrauchern gegen Verkäufer aus anderem EU-Mitgliedsstaat

Die Möglichkeit für einen Verbraucher, einen ausländischen Gewer­be­trei­benden vor den inländischen Gerichten zu verklagen, setzt nicht voraus, dass der streitige Vertrag im Fernabsatz geschlossen wurde. Daher schließt der Umstand, dass sich der Verbraucher zum Vertrags­ab­schluss in den Mitgliedstaat des Gewer­be­trei­benden begeben hat, die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des Verbrauchers nicht aus. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Das Unionsrecht* soll den Verbraucher als schwächere Vertragspartei in grenz­über­schrei­tenden Rechtss­trei­tig­keiten schützen, indem ihm der Zugang zur Justiz insbesondere durch geografische Nähe zum zuständigen Gericht erleichtert wird. So kann der Verbraucher den Gewer­be­trei­benden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, auch dann vor den inländischen Gerichten verklagen, wenn dieser seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, und zwar unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss der Gewer­be­treibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, oder sie auf irgendeinem Wege (z. B. über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat** ausrichten, und zweitens muss der von dem Rechtsstreit betroffene Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fallen.

Der österreichische Oberste Gerichtshof möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Möglichkeit, die inländischen Gerichte zu befassen, außerdem voraussetzt, dass der Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

Sachverhalt

Der Oberste Gerichtshof ist letzt­in­sta­nzlich mit einer Klage befasst, die Frau Mühlleitner, die in Österreich wohnt, bei den öster­rei­chischen Gerichten gegen das in Hamburg (Deutschland) ansässige Autohaus Yusufi erhoben hat. Mit dieser Klage begehrt Frau Mühlleitner die Wandlung des Kaufvertrags über das Fahrzeug, das sie beim Autohaus Yusufi für ihren privaten Bedarf erworben hat. Auf das Angebot des Autohauses Yusufi stieß Frau Mühlleitner über ihre Recherchen im Internet. Zur Unterzeichnung des Kaufvertrags und Übernahme des Autos begab sie sich jedoch nach Hamburg. Zurück in Österreich entdeckte sie, dass das Fahrzeug wesentliche Mängel aufwies. Da sich die Geschäfts­inhaber A. und W. Yusufi weigerten, das Fahrzeug zu reparieren, erhob Frau Mühlleitner Klage bei den öster­rei­chischen Gerichten, deren internationale Zuständigkeit von den Beklagten gerügt wird. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch der Auffassung, dass deren gewerbliche Tätigkeit durchaus auf Österreich ausgerichtet gewesen sei, weil ihre Website dort zugänglich gewesen sei, und dass es Fernkontakte (Telefon, E-Mails) zwischen den Vertrags­parteien gegeben habe (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 07.12.2010 - C-585/08 und C-144/09 -). Es stelle sich allerdings die Frage, ob die Zuständigkeit der öster­rei­chischen Gerichte nicht voraussetze, dass der Vertrag im Fernabsatz geschlossen worden sei.

Vertrag muss nicht im Fernabsatz geschlossen worden sein

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Möglichkeit für einen Verbraucher, einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewer­be­trei­benden vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats zu verklagen, nicht voraussetzt, dass der Vertrag im Fernabsatz geschlossen wurde.

Änderung der europäischen Regelung soll Schutz der Verbraucher verbessern

Zwar verlangte die europäische Regelung bis 2002***, dass der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechts­hand­lungen in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen hat, die derzeitige Regelung enthält eine solche Voraussetzung jedoch nicht. Durch diese Änderung wollte der Unions­ge­setzgeber den Schutz der Verbraucher verbessern.

Verbrau­cher­vertrag im Fernabsatz als Indiz für Anwendbarkeit der europäischen Regelung

Die wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist die der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Insoweit sind sowohl die Aufnahme von Fernkontakt als auch die Buchung eines Gegenstands oder einer Dienstleistung im Fernabsatz und erst recht der Abschluss eines Verbrau­cher­vertrags im Fernabsatz Indizien dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt.

Daher kann der Verbraucher den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewer­be­trei­benden auch dann vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats verklagen, wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz abgeschlossen wurde, weil er im Mitgliedstaat des Gewer­be­trei­benden unterzeichnet wurde, sofern erstens der Gewer­be­treibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitz­mit­gliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und zweitens der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Erläuterungen

* Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, sogenannte Brüssel-I-Verordnung).

** Oder mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats.

*** Die Verordnung Nr. 44/2001 (oben in Fn. 1 angeführt) ist am 1. März 2002 in Kraft getreten.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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