03.12.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union sonstiges03.10.2019

Rechtswidrige beleidigende Kommentare: Facebook muss wortgleiche und sinngleiche Kommentare weltweit suchen und entfernenUnionsrecht steht nationaler Regelung nicht entgegen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass einem Hosting-Anbieter wie Facebook aufgegeben werden darf, mit einem zuvor für rechtswidrig erklärten Kommentar wortgleiche und unter bestimmten Umständen auch sinngleiche Kommentare zu entfernen. Eine solche Verfügung darf auch die Verpflichtung enthalten, dass die betroffenen Informationen weltweit zu entfernen sind. Das Unionsrecht steht einer solchen Regelung nicht entgegen.

Frau Eva Glawischnig-Piesczek, die Abgeordnete zum Nationalrat (Österreich), Klubobfrau der "Grünen" im Parlament und Bundes­s­pre­cherin dieser politischen Partei war, verklagte Facebook Irland vor den öster­rei­chischen Gerichten. Sie beantragte, dass Facebook aufgetragen wird, einen von einem Nutzer dieses sozialen Netzwerks veröf­fent­lichten Kommentar, der sie in ihrer Ehre beleidigt, sowie wort- und/oder sinngleiche Behauptungen zu löschen.

Hintergrund

Der in Rede stehende Nutzer von Facebook hatte auf seiner Profilseite einen Artikel des öster­rei­chischen Online-Nachrich­ten­ma­gazins oe24.at mit dem Titel "Grüne: Mindest­si­cherung für Flüchtlinge soll bleiben" geteilt, was auf dieser Seite eine "Thumbnail-Vorschau" von der ursprünglichen Website generierte, die den Titel dieses Artikels, eine kurze Zusammenfassung davon sowie ein Foto von Frau Glawischnig-Piesczek enthielt. Der Nutzer postete außerdem einen Kommentar zu diesem Artikel, der nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts geeignet ist, Frau Glawischnig-Piesczek in ihrer Ehre zu beleidigen, sie zu beschimpfen und zu diffamieren. Dieser Beitrag konnte von jedem Nutzer von Facebook Service abgerufen werden.

Nationales Gericht erbittet Auslegung der Richtlinie über elektronischen Geschäfts­verkehr

Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr*. Nach dieser Richtlinie ist ein Hosting-Anbieter wie Facebook nicht für eine gespeicherte Information verantwortlich, wenn er keine Kenntnis von ihrem rechtswidrigen Charakter hat oder wenn er, sobald er davon Kenntnis erlangt, unverzüglich tätig wird, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Dieser Ausschluss hindert jedoch nicht daran, dass einem Hosting-Anbieter aufgegeben wird, eine Rechts­ver­letzung abzustellen oder zu verhindern, u.a. durch die Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen. Hingegen ist es nach der Richtlinie verboten, einen Hosting-Anbieter zu verpflichten, allgemein die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen, oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Unzulässige Aussagen mit wortgleichen und sinngleichen Inhalten sind weltweit zu entfernen

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof dem Obersten Gerichtshof, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr, die ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen soll, es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, einem Hosting-Anbieter aufzugeben,

- die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben hat;

- die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt sind, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechts­wid­rigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und die die Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen (so kann der Hosting-Anbieter auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen);

- im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berück­sich­tigung Sache der Mitgliedstaaten ist, weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

Erläuterungen

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts­verkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr") (ABl. 2000, L 178, S. 1).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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